Jahresbericht 2016
Wider den Starkregen

Luftbild eines Ackers

Schutzmaßnahmen gegen Starkregen und Bodenerosion

Die Bilder gehen nicht mehr aus dem Kopf: Sturzfluten brechen über Simbach herein und hinterlassen bisher nicht gekannte Verwüstungen. Starkregen und Sturzfluten in einem Ausmaß wie im vergangenen Jahr hat es in Bayern lange nicht gegeben. Ganze Äcker sind weggespült worden und haben Ortschaften verschlammt. Doch wie lassen sich solche Katastrophen in Zukunft verhindern? Wie bleiben die Felder intakt und was können die Landwirte dafür tun? An Lösungen arbeitet der Erosionsschutz-Experte Robert Brandhuber von der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL). Wie schützende Maßnahmen genau aussehen können und woran die LfL aktuell forscht – darüber spricht er im Interview.

Herr Brandhuber, vor welchen Herausforderungen stehen wir genau?

Wir gehen davon aus, dass mit dem Klimawandel auch in Bayern Starkregenereignisse heftiger werden. Unwetter mit 50 Litern Niederschlag pro Quadratmeter oder mehr schwemmen große Mengen Boden aus Ackerflächen, die Bodenfruchtbarkeit leidet enorm und schleichend gehen die Erträge der Landwirte zurück. Mit einigen hundert Euro können die Landwirte verloren gegangene Nährstoffe wieder aufdüngen. Was nach den Abschwemmungen an Wurzelraum und Wasserspeicher fehlt, kommt aber nicht wieder zurück.

Welchen Auftrag haben Sie als LfL, damit es zu diesen Problemen nicht kommt?

Die Probleme sind schon da. Uns geht es nun vorrangig darum, Anbauverfahren zu verbessern oder neu zu entwickeln,
sodass in Zukunft möglichst keine Abschwemmungen und allzu große Schäden mehr vorkommen. Das ist notwendig. Denn nicht nur der Verlust des fruchtbaren Bodens ist schmerzhaft. Auf der Straße kann der Schlamm Unfälle verursachen. Die Räumung verstopfter Gräben und Kanäle kostet die Kommunen viel Geld. Der Schlamm kann auch bis in die Keller nahe stehender Siedlungen fließen. In den Bächen verstopft der Schlamm die Kieslaichplätze der Fische. Hier sind die Landwirte gefordert, ihre Wirtschaftsweise entsprechend anzupassen.

Welche Lösungen bieten Sie den Landwirten an?

Es gibt mehrere Stellschrauben: die Fruchtfolge, die Art und Weise, wie man den Boden bearbeitet und dann auch die
Größe eines Feldes, das von der Hangneigung her kritisch ist. Wir stellen immer wieder aktualisierte Maßnahmenkataloge zur Verfügung, die die Landwirte umsetzen können. Die Grundlage dafür bilden die Feldversuche der LfL zu unterschiedlichen Anbauverfahren. Wir machen regelmäßig Geländeerhebungen und werten Luftbilder aus. Wenn uns unser Kooperationspartner, der Deutsche Wetterdienst, starke Regenfälle in erosionsanfälligen Gebieten meldet, rücken wir aus. Draußen auf den Feldern begutachten wir die Folgen von starken Niederschlägen und die Wirkung der Schutzmaßnahmen dazu.

Da zeigt sich, was Erfolge bringt und was noch verbessert werden muss, das kann der Ausgangspunkt für ein neues Forschungsprojekt sein. Seit 2010 haben wir so mehrere tausend Fälle aus der Praxis gesammelt und ausgewertet. Wir arbeiten dabei übrigens eng mit der Technischen Universität München-Weihenstephan zusammen.

Und die Politik? Wird Ihnen hier für die Umsetzung der Rücken gestärkt?

Es geht hier um den angemessenen Schutz der Lebensgrundlagen für uns alle. Die Politik hat den Ernst der Lage erkannt und ist offen für gute Lösungsvorschläge. Gegenüber der Politik engagieren wir uns als LfL für den Einsatz der notwendigen Zahl an Fachleuten für das Schaffen von Wissen und für das Übermitteln des Wissens. Wichtig ist uns auch eine bessere Vernetzung aller Beteiligten, also der Fachbehörden, der Kommunen, der Verbände und natürlich der Landwirte. Die Politik muss natürlich auch die rechtlichen Rahmenbedingungen und die Förderprogramme so ausgestalten, dass die Landwirte die richtigen Schutzmaßnahmen umsetzen.

Jeder Landwirt sollte sich intensiv damit beschäftigen, wie er notwendige Anpassungen bei der Bewirtschaftung umsetzen kann.

Die Grundlage unserer Arbeit bilden unsere Feldversuche zu unterschiedlichen Anbauverfahren. Wir machen regelmäßig Geländeerhebungen und werten Luftbilder aus.

Welche erfolgreichen Maßnahmen schlagen Sie ganz konkret vor?

Handlungsbedarf besteht vor allem beim Anbau von Kulturen, die im Frühjahr erst sehr spät ein Blätterdach bilden, das vor Gewitterregen schützt. In Bayern geht es hier also vorrangig um den Maisanbau. Es gibt ein paar grundlegende Regeln: Vor Mais muss eine Zwischenfrucht stehen. Beim Gülleausbringen und bei der Saat sollte der Boden möglichst wenig gelockert werden. Mit den heute dafür verfügbaren Maschinen geht das gut. Es bleibt viel schützender Mulch aus den Resten der Zwischenfrüchte auf dem Boden. Viel Bodenbedeckung und wenig Lockerung bedeutet große Widerstandskraft gegenüber dem Trommelfeuer der Regentropfen.
Und wenn dann doch das Wasser auf dem Feld zu laufen beginnt, dann ist jeder Strohhalm ein Staudamm, der Boden bleibt auf dem Acker. Weitere Maßnahmen sind die Fruchtfolgegestaltung, der Kulturartenwechsel innerhalb langer Hänge, das Vermeiden von Bodenverdichtungen, der Humuserhalt, die Pflege der Regenwürmer sowie die Kalkung des Bodens. Wenn es so viel regnet wie im vergangenen Jahr, müssen zusätzlich Maßnahmen ergriffen werden, um den Wasserabfluss in der Flur zu bremsen und zumindest zeitweise zurückzuhalten, etwa durch Rückhaltemulden.

Das hört sich an, als hätten Sie den Erosionsschutz damit ausreichend erforscht. Warum arbeitet die LfL weiter an diesem Thema?

Wir müssen allein schon deshalb daran weiterarbeiten, weil sich die Lage verschärft hat. Wir sind mit heftigeren und häufigeren Starkregen konfrontiert als bisher und brauchen deshalb ein höheres Schutzniveau. Außerdem gibt es immer neue technische Möglichkeiten, zum Beispiel die Streifenbodenbearbeitung. Auch die Standortvielfalt in Bayern stellt uns vor Herausforderungen, kaum ein Verfahren passt an jeden Standort. Das ist eine sehr kleinteilige und zeitaufwändige Arbeit. Zudem wollen wir unsere Modelle verfeinern und anwendungsfreundlicher gestalten. Damit können Berater und Landwirte engmaschig die Gefährdung der Felder und auch die Wirksamkeit von Schutzmaßnahmen beurteilen.Eine zusätzliche Herausforderung für uns ist es, die Erkenntnisse zu den Landwirten zu bringen – letztendlich müssen diese unsere Empfehlungen ja kennen, um sie umsetzen zu können. Unser gemeinsames Ziel muss es sein, die immensen Schäden durch Bodenerosion zu vermeiden. Das halten wir uns jeden Tag vor Augen.

Ihre Aufgabe ist es also auch, die Landwirte direkt zu beraten?

Nein, dazu wäre meine kleine Arbeitsgruppe niemals in der Lage. Wir sind Teil eines Netzwerks. Unser Know-how
aus vielen Jahren Forschung stellen wir den Beratern zur Verfügung. Das sind zum Beispiel die Wasserberater an den Landwirtschaftsämtern und die Erzeugerring-Berater. Natürlich unterstützen wir mit dem von uns erarbeiteten Wissen die Arbeit des Landwirtschaftsministeriums und wir informieren die Öffentlichkeit. Im Netzwerk arbeiten wir zusammen. Berater und Landwirte helfen uns als Ideen- und Ratgeber bei der Forschungsarbeit. Ich selbst habe gerade im vergangenen Winter zahlreiche Versammlungen mit Landwirten besucht, um dort Vorträge zu halten und die Verbesserungsmöglichkeiten für den Erosionsschutz zu diskutieren.

Wie wurden Ihre Vorschläge aufgenommen?

Menschen stehen im Schlamm
Gemischt. Viele Landwirte zeigen Verständnis für die Maßnahmen und sind schon auf einem guten Weg. Einige sind Vorreiter, von denen ich viel lernen kann. Manche sind auch skeptisch. Und alle erreichen wir nicht. Der Klimawandel mit vermehrten Starkregen wird jedenfalls an Bayern nicht vorbeiziehen. Es geht nicht ohne Anpassungen. Und wo der Bogen bereits überspannt wurde, geht es nicht ohne Einschränkungen. Wir müssen offen sein für neue Denkansätze. Das lohnt sich für alle. Ich versuche hier klassische Landwirtschaft und moderne Forschungserkenntnisse zusammenzubringen.

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