Braucht es eine eigene Pflanzenzüchtung für den ökologischen Landbau?
Diskussionsrunde zum Thema "Wohin geht es mit der Ökozüchtung?" bei der LfL-Jahrestagung 2023
Foto: Alex Testov
Jahrestagung der Landesanstalt für Landwirtschaft am 5. Dezember 2023 im Forum Grub
In Bayern werden aktuell gut 13 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche von Biobetrieben bewirtschaftet. Dieser Anteil soll bis 2025 auf 20 Prozent, bis 2030 auf 30 Prozent erhöht werden. Aber welche besonderen Anforderungen stellt der Ökolandbau an die Pflanzenzüchtung und Tierzucht im Gegensatz zu konventionellen Zuchtprogrammen? Welche Züchtungstechniken sind erlaubt, welche sind ausgeschlossen? Welche spezifischen Bedürfnisse hat der Ökolandbau, die die konventionellen Züchtungsprogramme nicht ausreichend beachten?
Was ist eigentlich "Ökozüchtung?"
Dr. Sabine Zikeli, Zentrum für Ökologischen Landbau an der Universität Hohenheim
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Spezielle Sorten für den ökologischen Landbau seien notwendig, da die Anforderungen an die Sorten im ökologischen Landbau nicht dieselben wie im konventionellen Landbau sind, so Dr. Zikeli. Zum Beispiel müssten Pflanzen mit einem höheren Beikrautdruck im Acker- und Gemüsebau sowie einem geringeren N-Düngeniveau umgehen können. Gleichzeitig sollten sie eine höhere Toleranz gegenüber Krankheiten und tierischen Schaderregern besitzen. Öko-Sorten müssten zudem häufiger für den Einsatz im Gemengeanbau geeignet sein. Insgesamt würden an Öko-Sorten höhere Ansprüche an Ertrag und Qualität gestellt.
- Nachhaltigkeit,
- Förderung der genetischen Vielfalt,
- Erhalt der vollständigen natürlichen Reproduktionsfähigkeit,
- Schaffung neuer Sorten und Populationen, die sich besonders für ökologische Produktionssysteme eignen,
- kreativ, kooperativ und offen für Wissenschaft, Intuition und neue Erkenntnisse,
- ganzheitlicher Ansatz, der natürliche Kreuzungsbarrieren respektiert,
- fruchtbare Pflanzen, die eine tragfähige Beziehung zum lebenden Boden aufbauen können.
EU-Rechtsvorschriften
Im Zusammenhang mit den neuen Züchtungstechnologien (zum Beispiel CRISPR/Cas) stehen laut Dr. Zikeli verstärkt die ethischen Aspekte bei den Züchtungsmethoden als Abgrenzungsmerkmale im Mittelpunkt. So gelten in der Ökozüchtung Genom und Zelle grundsätzlich als unteilbare Einheiten, ebenso wird die natürliche Reproduktionsfähigkeit einer Pflanzensorte respektiert und erhalten. Ein Einsatz von Methoden, die im ökologischen Landbau nicht erlaubt sind, ist untersagt. Insbesondere trifft dies zu für direkte technische Eingriffe in das Genom von Pflanzen mithilfe von zum Beispiel CRISPR/Cas, chemische Mutagenese, ionisierende Strahlung, Transfer von isolierter DNA, RNA oder Proteinen. Aber auch direkte technische Eingriffe in eine isolierte Zelle, zum Beispiel die Zerstörung von Zellwänden und Zellkernen für Cytoplastenfusion und Protoplastenfusion, sind nicht erlaubt. Darüber hinaus auch keine Techniken, die die Keimfähigkeit oder Fertilität in nachfolgenden Generationen reduzieren oder hemmen (zum Beispiel Terminator-Technologien, nicht-restaurierte CMS) könnten.
Herausforderungen
Wo ist die LfL zum Thema aktiv?
Dr. Markus Herz, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL)
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Dr. Herz fasste zusammen:
- Die LfL ist für die in Bayern gezüchteten Kulturpflanzen in Öko-Bereich aktiv.
- Mit der Infrastruktur der LfL ist die Selektion unter ökologischen Bedingungen begrenzt möglich.
- Die wissenschaftlichen Einrichtungen der LfL ermöglichen es, auch auf die inneren Werte zu selektieren.
- Die Ökozüchtung stellt an die Technik hohe Anforderungen und braucht – wegen der Beachtung der Fruchtfolge – mehr Fläche als die konventionelle Züchtung.
- Die Merkmale für den Ökolandbau sind oft komplex.
- Ökozüchtung macht kleine Schritte und hat einen größeren Zeitbedarf.
- Durch die Kooperation der LfL mit der privaten Züchtung wird eine schnelle Umsetzung in die Anwendung erreicht.
Ökozüchtung im Vergleich
Dr. Barbara Eder, LfL-Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung
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"Populationen und Populationssorten haben den Vorteil, dass sie heterogen und heterozygot sind und dadurch ein hohes Anpassungsvermögen an den Standort und sich ändernde Umweltbedingungen haben", so Dr. Eder. "Sie bieten eine gute Ertragsstabilität, dürfen nachgebaut werden und spalten sich beim Nachbau nicht auf. Maispopulationen sind gut für die Entwicklung von Hofsorten geeignet."
Nachteilig ist jedoch, dass es bei Populationssorten keine vollständige Heterosis im Vergleich zur Hybridsorte gibt. Auch die Selektion und somit grundsätzlich die Züchtung sind schwieriger, da ungünstige Eigenschaften maskiert sein können.
Laut Dr. Eder gibt es noch viele Herausforderung für die Ökozüchtung mit Maispopulationssorten:
- Der Fokus sollte weiterhin auf die Elternauswahl gesetzt sein. Dies könnte eventuell auch markergestützt geschehen.
- Bereits notifizierte Populationen müssen verbessert werden können – nur wie?
- Wie schafft man immer neue Populationen?
- Die Leistung und die Ertragsstabilität müssen in der Praxis erprobt werden.
- Ein Netz von regionalen Vermehrungsbetriebe muss weiter aufgebaut werden.
Beispiel Ökokartoffelzüchtung
Adolf Kellermann, LfL-Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung
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Kellermann hielt als Ergebnis fest:
- Es konnte eine dauerhafte Kooperation mit Ökolandwirten zur partizipativen Züchtung bei Kartoffeln etabliert werden.
- Es konnte resistentes Zuchtmaterial entwickelt werden, das mit guter Ertrags- und Marktleistung als auch mit guter Speisequalität punktet, und das nun zur Weiterentwicklung an Züchter abgegeben werden konnte.
- Es konnten Erkenntnisse zur genetischen Charakterisierung des Genbankmaterials gewonnen werden und verschiedene Resistenzgene im Zuchtmaterial nachgewiesen werden.
- Zuchtstämme konnten hinsichtlich von Stickstoff- und Phosphor-Effizienz beschrieben und selektiert werden.
- Die Resistenz gegen Krautfäule konnte in zahlreichen Zuchtstämmen stabil gehalten werden, unabhängig von der N-Düngung.
- Eine Markergestützte Selektion beschleunigt den Zuchtprozess auch in der Ökozüchtung.
- Krautfäuleresistente Zuchtstämme in höheren Rückkreuzungsgenerationen sind geeignete Kreuzungspartner in Zuchtprogrammen für den Ökolandbau.
- Genotypen mit leistungsstarken Wurzelsystem können mittels der LemanTec-Anlage (Moving-Fields) der LfL gut erkannt werden.