Forschungsprojekte
Kombi-Modell
Foto: F. Habermann
Kombinierte Anwendung von Reproduktionsbiotechniken
In dem vorliegenden Projekt werden die Möglichkeiten der kombinierten Nutzung neuer reproduktionstechnologischer Verfahren als Hilfsmittel bei der Bewältigung von Zuchtaufgaben untersucht. Die Kombination des Embryotransfers mit assoziierten Biotechniken und neuen molekularbiologischen Erkenntnissen können erhebliche Auswirkungen auf die Tierproduktion haben. Deshalb werden neben Beziehungen der Effizienz verschiedener Reproduktionsbiotechniken auch die Möglichkeiten der Genotypisierung von Rinderembryonen untersucht.
Ziele
Im Projekt Kombi-Modell werden Möglichkeiten zur Erhöhung der Nachkommenzahl von züchterisch wertvollen Tieren durch kombinierte Nutzung von Reproduktionsbiotechniken untersucht. Das ist besonders wichtig, da durch einmalige Embryo-Entnahme nach hormoneller Superstimulation der Multiplikator bei etwa 3 liegt, d.h. 3 zusätzliche Nachkommen pro Jahr und Spendertier, wodurch kein wesentlicher Zuchterfolg zu erwarten ist. Durch wiederholte Embryo-Entnahmen in kurzen Zeitabständen am gleichen Tier in Kombination mit anderen Reproduktionsbiotechniken kann die Vermehrungsrate weiter erhöht und eine breitere Selektionsbasis geschaffen werden. Der Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie der LMU-München betreibt am Moorversuchsgut Badersfeld in Oberschleißheim eine nach EU-Recht amtlich zugelassene Embryo-Entnahmeeinrichtung und Embryo-Erzeugungseinheit für Rinder. In Kooperation mit verschiedenen Kooperationspartnern darunter das Institut für Tierzucht der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft werden diese Reproduktionsbiotechniken praxisorientiert weiterentwickelt. Neben der Wiederholbarkeit von Embryo-Entnahmen nach Superstimulation der Spender sind thematische Schwerpunkte die In-vitro-Produktion und die Tiefgefrierkonservierung von Embryonen. Dabei werden auch mögliche Auswirkungen biotechnischer Maßnahmen auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit von Tieren untersucht. Die Einrichtung der LMU in Badersfeld dient auch den Forschungsprojekten Zucht auf natürliche Hornlosigkeit beim Fleckvieh und Genomunterstützte Inzuchtvermeidung und Selektion von neuen Bullenlinien beim Murnau-Werdenfelser Rind. Zudem wird mit Fördermitteln der Bayerischen Forschungsstiftung (AZ-1031-12) das Projekt Genomische Evaluation von Rinderembryonen bearbeitet. In diesem Projekt werden die Möglichkeiten der Bestimmung von genomischen Zuchtwerten und der Identifizierung von Erbfehlerträgern an Embryonen ermittelt. Auch wird geprüft, ob der Hornlosstatus der Tiere (reinerbig hornlos PP* oder mischerbig hornlos Pp*) bereits am Embryo ermittelt werden kann. Des Weiteren werden innovative Ansätze zur Vermehrung von Embryonalzellen für die Genotypisierung und Vitrifikationsverfahren für die Tiefgefrierkonservierung von bioptierten Embryonen untersucht.
Methoden
Erste Kälber aus genomisch evaluierten Embryonen,
geboren November 2014
Ergebnisse
Zur Wiederholbarkeit der Superovulation wurden für die Untersuchungen bei 64 Spendern verschiedener Rassen insgesamt 324 Embryoentnahmen durchgeführt. Bei 17 Entnahmen (5 Prozent) wurden weniger als drei Eizellen/Embryonen (E/E) pro Entnahme und bei 307 (95 Prozent) wurden mindestens drei E/E pro Entnahme erzielt. 271 Entnahmen wurden bei Spendern der Rasse Deutsches Fleckvieh (DFV) durchgeführt. 85 Prozent (DFV 84 Prozent) der wiederholten Entnahmen lieferten ET-taugliche (ET-tgl.) Embryonen. Bei 67 Prozent (DFV 70 Prozent) aller Entnahmen konnten ≥ 70 Prozent ET-tgl. Embryonen der Klassen 1 (sehr gut) oder 2 (gut) gewonnen werden. 72 Prozent (DFV 69 Prozent) aller Entnahmen lieferten ≥ 70 Prozent ET-tgl. Embryonen älterer Stadien (Blastozysten und expandierte Blastozysten). Die durchschnittliche Anzahl an E/E betrug 14,2 pro Entnahme, davon waren 7,1 ET-tgl. und 5,0 tiefgefriertaugliche (TG-tgl.) Embryonen. Die durchschnittliche Befruchtungsrate lag bei 64,8 Prozent. Beim DFV wurden im Durchschnitt 15,5 E/E, 6,1 Ufos, 1,8 degenerierte (deg.), 7,5 ET-tgl., 5,3 TG-tgl. Embryonen gewonnen und die Befruchtungsrate lag bei 62,2 Prozent. Bei den Pustertaler Sprinzen wurden 9,8 E/E; 1,5 Ufos, 0,7 deg., 7,4 ET-tgl., 5,9 TG-tgl. Embryonen gewonnen und die Befruchtungsrate lag bei 83,4 Prozent. Bei Murnau Werdenfelser wurden 19,3 E/E, 6,9 Ufos, 2,7 deg., 9,7 ET-tgl., 4,6 TG-tgl. Embryonen gewonnen und die Befruchtungsrate lag bei 62,1 Prozent. Die Wiederholbarkeit der Ergebnisse der Embryoentnahmen war hoch. Die Ausbeuten an Embryonen waren zwar sowohl bei Färsen als auch bei Kühen ab der 4. bzw. 5 Entnahme zunächst rückläufig, sie erholten sich jedoch im Laufe weiterer Entnahmen.
Für die vergleichenden Untersuchungen zur Tiefgefrierkonservierung wurden 323 Embryonen mit einem neuartigen Vitrifikationsverfahren in durchlässigen porösen Schläuchen (HFV-Verfahren nach Matsunari, Maehara et al. 2012) und weitere 568 Embryonen mit dem CVM-Verfahren (CVMTM, CryoLogic®, Australia) tiefgefroren. Insgesamt waren mit dem CVM-Verfahren die in vitro Weiterentwicklungsraten der Embryonen nach dem Auftauen höher als mit dem HFV-Verfahren (70,83 Prozent vs. 60,97 Prozent, p=0,005). Bezüglich des Entwicklungsstadiums wurden mit frühen Blastozysten und Blastozysten bessere Ergebnisse als mit Morulae erreicht (p=0,004). Darüber hinaus wurden höhere Überlebensraten mit Embryonen Klasse I (gut) als mit Klasse II (mittelmäßig) beobachtet (p<0,0001). Die Weiterentwicklungsraten nach Vitrifikation mit geteilten bzw. biopsierten Embryonen unterscheiden sich nicht von denen nicht biopsierter Embryonen (mit intakter Zona pellucida) (p=0,835). Höhere Weiterentwicklungsraten nach Biopsie wurden mit Embryonen der Klasse I im Vergleich zu Klasse II erreicht (p=0,0053). Bezüglich des Zeitpunktes der Tiefgefrierkonservierung (3 Std. oder 20 Std. nach Biopsie) wurden keine Unterschiede beobachtet (p=0,8075), wenn auch eine kurzzeitige in vitro Kultivierung nach Biopsie vor dem Einfrieren sich positiv auf die Ergebnisse auswirkte.
Bei den Untersuchungen mittels Lebend-tot-Färbung wurden keine Unterschiede zwischen den Gesamtzellzahlen von frischen (nicht tiefgefrorenen) und vitrifizierten Blastozysten beobachtet (115,8 ± 7,3 bzw. 117,5 ± 3,9). Auch der Anteil abgestorbener Zellen unterschied sich zwischen den beiden Gruppen nicht (8,9 Prozent bzw. 11,3 Prozent). Bei biopsierten Embryohälften war der Anteil der abgestorbenen Zellen nach dem Auftauen mit 15,2 Prozent höher als bei den anderen Versuchsgruppen (p=0,029). Beide Vitrifikationsverfahren erwiesen sich gleichermaßen als gut für die Tiefgefrierkonservierung von biopsierten Embryonen geeignet. Das CVM-Verfahren war handlicher, hingegen konnte man mit dem HFV-Verfahren gleichzeitig bis zu 15 Embryonen innerhalb eines einzigen Hollow Fibers tiefgefrieren. In einer weiteren Versuchsreihe wurden das HFV-Verfahren und das konventionelle Einfrierverfahren in 1,5 M Ethylenglykol mit Embryo-Hälften aus in vitro Embryoproduktion verglichen. Es wurden keine signifikanten Unterschiede zwischen den in vitro Weiterentwicklungsraten 4 Std. und 24 Std. nach dem Auftauen mit vitrifizierten (77,3 Prozent bzw. 72,7 Prozent) und konventionell tiefgefrorenen (77,3 Prozent bzw. 63,6 Prozent) Embryo-Hälften beobachtet. Die höhere Weiterentwicklungsrate in vitro beim konventionellen Einfrieren von biopsierten Blastozysten (Trophektodermbiopsie) wurden beim Einfrieren ca. 3 Stunden nach Biopsie (75,9 Prozent vs. 55,2 Prozent nach sofortiger Tiefgefrierkonservierung nach Biopsie vs. 58,6 Prozent bei 24 Stundne nach Biopsie und anschließender in vitro Kultur) erzielt.
Es wurden für die Multiplikation wertvoller Embryonen mittels Chimären-Aggregation zuerst wildtyp Embryonen, die ihre erste Zellteilung nicht vor 27 Stunden nach Befruchtung abgeschlossen hatten, als Empfängerembryonen getestet. Dabei konnte mit Phytohämagglutinin (PHA), ein Mittel das Membranproteine aneinander bindet, die Blastozystenrate erheblich gesteigert werden. Nichtsdestotrotz ergab sich bei dieser Methode nicht genügend Trennung zwischen Spender- und Empfängerzellen, so dass sich Empfängerzellen noch immer in der ICM befanden. Dadurch zeigte sich diese Multiplikationsmethode für genetisch wertvolle Embryonen ungeeignet. Um auf sichere Art und Weise Empfängerembryonen von der ICM auszuschließen, wurden Empfängerembryonen mit einem ausgeschalteten OCT4 Gen hergestellt (OCT4 knockout, KO). OCT4 steht an der Spitze der Pluripotenzregulation, weshalb Zellen mit einem OCT4 KO ihre Pluripotenz nicht erhalten und so auch nicht Teil des entstehenden Embryos werden können. Vielmehr entwickeln sie extraembryonale Gewebe und unterstützen so die wenigen Zellen des Spenderembryos. Um diese Hypothese zu prüfen, wurde OCT4 in somatischen Zellen mittels CRISPR/Cas9 ausgeschaltet, um dann durch somatischen Zellkerntransfer OCT4 KO Embryonen herzustellen. Zusammenfassend hat ein OCT4 KO weder Einfluss auf die Gesamtzellzahl noch auf die Zellzahlen der ICM oder des TE in der Blastozyste am Tag 7 der Entwicklung. In den Chimären, die aus OCT4 KO Embryonen und wildtyp Spenderzellen hergestellt wurden, bestand die ICM nicht wie erwartet aus Spenderzellen, sondern differenzierten hauptsächlich zu Zellen des TE. Die Gründe für diese Entwicklung sind unbekannt
Die whole genome amplification (WGA) wurde erfolgreich für Embryo-Bioptate optimiert. Von den biopsierten züchterisch wertvollen Embryonen konnten das Geschlecht und der genetische Hornstatus mittels PCR zu 99,1 Prozent bzw. 92,6 Prozent erfolgreich analysiert werden. Von den im Projekt 5 erfassten Erbkrankheiten waren unter der Verwendung eines 5‘-Exonuklease-Assays 90,1 Prozent der Analysen erfolgreich. Für die Untersuchung der Qualität der SNP-Chip Typisierung (Illumina Bovine SNP50 BeadChip) und der darauf basierenden Schätzwerte genomischer Zuchtwerte wurden die Call-Rates von 55 Embryo-Kalb Paaren berechnet und die genomischen Zuchtwerte geschätzt. Die Korrelation zwischen den genomischen Zuchtwerten der Embryonen und denen der entsprechenden Kälber lag je nach Merkmal zwischen 0,978 und 0,999. Die Ergebnisse zeigen, dass die genomische Zuchtwertschätzung von Embryonen erfolgreich durchgeführt werden kann. Allerdings sollte für eine Routinenutzung im Zuchtprogram eine Mindest-Call-Rate von 0,90 als Mindestqualitätsanforderung für Embryonengenotypen festgelegt werden.
Projektinformation
Projektleitung: Dr. Horst Dieter Reichenbach
Laufzeit: 01.01.2006 bis 31.12.2016
Finanzierung: Bayern-Genetik GmbH und Bayerische Forschungsstiftung
Projektpartner: Lehrstuhl für Molekulare Tierzucht und Biotechnologie der LMU München, Lehrstuhl für Tierzucht der TU München,
Institut für Tierzucht der LfL, LKV Bayern e.V. und Bayern Genetik GmbH.