Praxisinformationen
Zuchtwertschätzung für Fleischleistung

Bei den süddeutschen und österreichischen Doppelnutzungsrassen Fleckvieh, Gelbvieh, Pinzgauer, Vorderwälder und Grauvieh stellt die Fleischleistung eine wichtige Nutzungskomponente dar. Aus diesem Grund erfolgen hier intensive Leistungsprüfungen, deren Ergebnisse in einer zentralen, länderübergreifenden Zuchtwertschätzung ausgewertet werden.

Der ursprüngliche methodische Ansatz wurde 1997 von einer Arbeitsgruppe der Länder Bayern und Baden-Württemberg entwickelt. Im Jahr 2002 wurde das Verfahren durch die Einbeziehung Österreichs in die gemeinsame Zuchtwertschätzung wesentlich modifiziert. Seit 2008 gehen auch die Leistungsdaten tschechischer Fleckviehbullen in die Zuchtwertschätzung mit ein. Neben der Einbeziehung der Ausschlachtung als Informationsmerkmal wurden die genetischen Parameter sämtlicher Informationsmerkmale gründlich überarbeitet. Darüber hinaus wurde eine neue ökonomische Gewichtung der einzelnen Fleischwertkomponenten eingeführt, die dem Grenznutzen der zukünftigen Marktbedingungen Rechnung trägt.

Die Zuchtwertschätzung erfolgt anhand eines Mehrmerkmal-Tiermodells, dessen wesentlichen Vorteile folgendermaßen beschrieben werden können:

  • Simultane Berücksichtigung von Leistungsinformationen aus allen Fleischleistungsprüfungen
  • Simultane Berücksichtigung von Eigenleistung, Vorfahren- und Nachkommenleistung sowie der Leistung von weiteren Verwandten
  • Berücksichtigung und Ausschaltung aller bekannten nicht-genetischen Einflüsse durch das Schätzmodell
  • Keine Vorkorrekturen
  • Verwendung einer einheitlichen genetischen Basis für jede Rasse
  • An das Zuchtziel angepasste Zielgrößen der Zuchtwertschätzung

Beschreibung des Verfahrens

Datengrundlage

Die Ergebnisse der Zuchtwertschätzung für Fleischleistung basieren auf den Ergebnissen in Süddeutschland, Österreich und Tschechien durchgeführten Fleischleistungsprüfungen.

Dieses sind im einzelnen:

  • Eigenleistungsprüfung in Prüfstationen
  • Eigenleistungsprüfung im Feld (Auktion)
  • Nachkommenprüfung in Prüfstationen
  • Nachkommenprüfung im Feld
Der Umfang des aus den einzelnen Fleischleistungsprüfungen einfließenden Datenmaterials (Stand: November 2014) ist in nachfolgender Tabelle dargestellt:
Tabelle 1: Beschreibung der Datengrundlage
RasseELP-StationAuktionNKP-StationNKP-Feld gelenktNKP-Feld ungelenkt
Fleckvieh22.882129.51336.22671.7496.512.552
Gelbvieh1893.162 4.74031.559
Pinzgauer831.761  4.419
Vorderwälder9567.570  26.867
Tiroler Grauvieh 518  4.588
Braunvieh1.73256.991 352402.025
Fleckvieh-Krz.2682231.221388133.190
Braunvieh-Krz.  25240 
78.840Vorderwälder-Krz.   1.829
Pinzgauer-Krz.    2.280
Gesamt26.110199.73837.69977.2697.198.149

Auswertungsmodell

Die Zuchtwertschätzung erfolgt mit einem BLUP-Tiermodell nach einem Mehrmerkmalsansatz mit 10 Merkmalen aus nachfolgenden Leistungsprüfungen. In der rechnerischen Durchführung wird das Merkmal Fleischanteil, gemessen in den Nachkommenprüfstationen und in den Feldprüfungen, als identisches Merkmal angesehen. Folgende Informationsmerkmale gehen in die Zuchtwertschätzung ein:
Eigenleistungsprüfung in Prüfstationen
Prüftagszunahme (Gewichtszunahme / Dauer der Prüfung)
Bemuskelungsnote (1 - 9)
Eigenleistungsprüfung im Feld (Auktion)
Lebenstagszunahme (Gewicht / Alter)
Bemuskelungsnote (1 - 9)
Nachkommenprüfung in Prüfstationen
Nettozunahme (Zweihälftengewicht / Alter)
Handelsklasse (EUROP)
Fleischanteil (beim Gelbvieh in einer gelenkten Feldprüfung erfasst)
Nachkommenprüfung im Feld
Nettozunahme (Zweihälftengewicht / Alter)
Handelsklasse (EUROP)
Ausschlachtung (Zweihälftengewicht / Lebendgewicht)

Beschreibung des Schätzverfahrens

Die Zuchtwertschätzung erfolgt für alle Rassen gemeinsam, wobei Rassenunterschiede als fixer Faktor berücksichtigt werden. Insgesamt berücksichtigt das Auswertungsmodell folgende Effekte:
Tabelle 2: In der Zuchtwertschätzung für Fleischleistung berücksichtigte Effekte
EinflussfaktorELP-StationAuktionNKP-StationNKP-Feld
Station x Jahr x QuartalX   
Auktionsort x Jahr x Quartal X  
Station x Schlachtung  X 
Mastbetrieb x Jahr, bzw. Mastgruppe X  
Verfettungsgrad   X
KalbenummerXXXX
GeburtstypXXXX
Schlachtort   X
Schlachtmonat   X
Schlachtalter (kontinuierlich)XX X
RasseXXXX
TierXXXX
Der Verfettungsgrad ist entsprechend der 4. DVO über die Verfettungsstufen 1 - 5 definiert. Bei der Kalbenummer wird zwischen erster, zweiter und weiteren Kalbungen unterschieden. Beim Geburtstyp wird nach Einlings- und Mehrlingsgeburten differenziert. Das unterschiedliche Schlachtalter wird in Form einer kubischen Regression im Modell berücksichtigt.

Als Rassegruppen sind definiert:

  • Fleckvieh
  • Gelbvieh
  • Pinzgauer
  • Vorderwälder
  • Tiroler Grauvieh
  • Braunvieh
  • Braunvieh x Aberdeen Angus
  • Braunvieh x Blonde d'Aquitaine
  • Braunvieh x Blau-Weiße-Belgier
  • Fleischkreuzungen, Sonstige

Rechnerische Durchführung

Die rechnerische Durchführung der Zuchtwertschätzung erfolgt mit dem PEST-Programm von Groeneveld (1990). Zur Berechnung der Genauigkeit wird ein Programm verwendet, das nach einer Annäherung an die Methode von Misztal und Wiggans (1988) arbeitet.

Genetische Parameter

Die verwendeten genetischen Parameter (Heritabilitäten und genetische Korrelationen) sind in nachfolgender Tabelle aufgeführt:

Tabelle 3: Genetische Parameter der Fleischleistungsmerkmale pdf 10 KB

Ergebnisdarstellung

Naturale Zuchtwerte

Die Zielgrößen der Zuchtwertschätzung auf Fleischleistung sind folgende Naturalzuchtwerte:

  • Nettozunahme
  • Handelsklasse
  • Ausschlachtung
Der naturalen Zuchtwerte werden zu einer Relativzahl mit dem Mittelwert von 100 und einer Standardabweichung (der wahren Zuchtwerte) von 12 Punkten umgewandelt und so veröffentlicht. Sie beziehen sich auf eine gleitende Vergleichsbasis der jeweiligen Rasse, die - wie in der Zuchtwertschätzung für Milchleistung - als mittlere Zuchtwerte der letzten mit Nachkommen geprüften Bullenjahrgänge definiert ist. Zur Zeit (Stand: März 2009) bilden beim Fleckvieh und Braunvieh Bullen aus den Geburtsjahrgängen 1998 bis 2001 die Vergleichsbasis. Bei den Vorderwäldern, dem Gelbvieh und den Pinzgauern werden die Jahrgänge 1996 bis 2001 berücksichtigt, während beim Tiroler Grauvieh die Bullen, die zwischen 1994 und 1999 geboren wurden, die Basisgruppe bilden.

Fleischwert (FW)

Tabelle 4: Ökonomische Gewichtungsfaktoren zur Berechnung des Fleischwertes
 Ökonomische Gewichtung
Nettozunahme1,04 € / sA
Handelsklasse0,63 € / sA
Ausschlachtung0,63 € / sA
Der Fleischwert (FW) ist ebenfalls eine Relativzahl mit dem Mittelwert von 100 Punkten sowie einer Standardabweichung von 12 Punkten. Er ist auf dieselbe jährlich gleitende Vergleichsbasis bezogen wie die Naturalmerkmale.

Schätztermine und Veröffentlichung

Die Zuchtwertschätzung für Fleischleistung wird für nachfolgende Rassen durchgeführt:

  • Fleckvieh
  • Gelbvieh
  • Pinzgauer
  • Vorderwälder
  • Tiroler Grauvieh
  • Braunvieh
Die Veröffentlichung der Fleisch-Zuchtwerte erfolgt dreimal im Jahr zeitgleich mit der Veröffentlichung der Milch- und aller weiteren Zuchtwerte.

Dr. Henning Hamann
Landesamt für Geoinformation und Landentwicklung Baden-Württemberg (LGL)
Abteilung 3 - Geodatenzentrum Ref. 35
Stuttgarter Straße 161
70806 Kornwestheim
Tel.: 07154 9598-736
E-Mail: henning.hamann@lgl.bwl.de
Internet: www.lgl-bw.de Externer Link