Praxisinformationen
Zuchtwertschätzung für Zellzahl und Melkbarkeit – August 2024
Wie für alle anderen Merkmale, so gibt es auch für die Merkmale Zellzahl und Melkbarkeit eine länderübergreifende Zuchtwertschätzung mit einem Mehrmerkmalsmodell für die Rassen Fleckvieh, Braunvieh, Gelbvieh, Pinzgauer, Grauvieh und Wäldervieh in Österreich und Deutschland.
Sie wurde im August 2002 eingeführt. Mit der Zuchtwertschätzung vom Dezember 2014 wurden erstmalig Beobachtungen für Zellzahl und Melkbarkeit von Fleckviehkühen aus Tschechien in die Zuchtwertschätzung aufgenommen. Durch die gemeinsame Zuchtwertschätzung ist eine volle Vergleichbarkeit der Zuchtwerte über Länder und Regionen hinweg gewährleistet.
Datengrundlage
In der Zuchtwertschätzung werden die seit 1990 angefallenen Zellzahlergebnisse vom 8. bis zum 312. Laktationstag der Laktationen 1 bis 3 berücksichtigt. Die Verteilung der Zellzahlen in der Praxis – mit den meisten Werten im niedrigen bis mittleren Bereich und relativ wenigen extrem hohen Werten – entspricht nicht einer Normalverteilung, wie sie bei der Zuchtwertschätzung angenommen wird. Um die gewünschte Form der Verteilung zumindest näherungsweise zu erreichen, erfolgt vor der Zuchtwertschätzung eine logarithmische Transformation der Zellzahlen zum Linear Somatic Cell Score (SCS): SCS = log2 (Zellzahl/100.000) + 3. Eine Zellzahl von 25.000 entspricht einem SCS von 1, eine Zellzahl von 50.000 einem SCS von 2, eine Zellzahl von 100.000 einem SCS von 3 usw.
Die Datenaufbereitung erfolgt in Anlehnung an die Zuchtwertschätzung für Milchleistungsmerkmale (siehe Dokumentation Testtagsmodell), das heißt es gehen nur Zellzahlergebnisse von solchen Tieren ein, die auch Milchleistungsergebnisse aufweisen. Die Tabelle 1 gibt einen Überblick über den Umfang der Zellzahlergebnisse in der aktuellen Zuchtwertschätzung.
Rasse | Anzahl Kühe | Laktation 1 | Laktation 2 | Laktation 3 |
---|---|---|---|---|
Fleckvieh | 13.900.068 | 107.990.531 | 80.933.781 | 58.277.773 |
Braunvieh | 2.229.586 | 18.348.767 | 14.098.254 | 10.548.118 |
Gelbvieh | 94.428 | 750.902 | 511.136 | 332.830 |
Pinzgauer | 93.974 | 598.883 | 441.844 | 326.032 |
Grauvieh | 28.948 | 192.817 | 154.732 | 126.159 |
Wäldervieh | 64.295 | 520.997 | 402.572 | 315.661 |
Die Melkbarkeitsergebnisse stammen aus verschiedenen Formen der Leistungsprüfung. In Österreich, Baden-Württemberg, Hessen und Tschechien wird die Melkbarkeitsprüfung nach der Stoppuhr-Methode (Einfachprüfung) durchgeführt. Es wird das durchschnittliche Minutengemelk (DMG) erhoben. In Bayern gibt es keine gesonderte Melkbarkeitsprüfung, sondern es werden die im Rahmen der Milchleistungsprüfung mit dem LactoCorder (LC) erhobenen Ergebnisse verwendet. Hier wird das DMG aus den Parametern Milchmenge aus Haupt- und Nachgemelk und Dauer des Haupt- und Nachgemelks berechnet. Die Blindmelkzeit geht also nicht in die Berechnung des LactoCorder-DMG ein, da auch bei der DMG-Prüfung mit der Stoppuhr kaum Blindmelken auftreten dürfte. Auch aus Österreich (Fleckvieh Nieder-Österreich) liegen in begrenztem Umfang LactoCorder-Ergebnisse vor. Wie Untersuchungen gezeigt haben, handelt es sich bei den DMGs aus den verschiedenen Ländern trotz vergleichbarer Definition um genetisch unterschiedliche Merkmale, so dass sie in der Zuchtwertschätzung als zwei verschiedene Merkmale berücksichtigt werden müssen (DMG AUT/BW bzw. DMG BY). Um eine Normalverteilung zu erreichen, werden beide Merkmale durch das Ziehen der Quadratwurzel transformiert.
In die Zuchtwertschätzung gehen Melkbarkeitsergebnisse vom 8. bis zum 275. Tag der ersten Laktation ein. Für DMG AUT/BW liegen seit 1990 Ergebnisse vor, für DMG BY seit 1998. Voraussetzung ist wie bei der Zellzahl, dass die Tiere auch Milchleistungsergebnisse aufweisen. Die Tabelle 2 gibt einen Überblick über den Umfang der Melkbarkeitsergebnisse in der aktuellen Zuchtwertschätzung. In Österreich gibt es beim Braunvieh seit November 2006 eine weitere Form der Leistungsprüfung. Hier beurteilen die Besitzer der Tiere (Befragung) die Melkbarkeit auf einer Skala von 1 (sehr langsam) bis 6 (sehr schnell).
Österreich | Baden-Württemberg | Hessen | Tschechien | Bayern | Bayern | Österreich | |
---|---|---|---|---|---|---|---|
Methode | Stoppuhr | Stoppuhr | Stoppuhr | Stoppuhr | LC Kühe | LC Beobachtung | Befragung |
Fleckvieh | 1.875.063 | 411.233 | 4.151 | 158.285 | 4.516.626 | 43.863.117 | – |
Braunvieh | 227.107 | 133.605 | – | – | 649.985 | 5.427.555 | 70.390 |
Gelbvieh | – | – | – | – | 24.602 | 258.517 | – |
Pinzgauer | 42.917 | – | – | – | 6.375 | 47.297 | – |
Grauvieh | 16.397 | – | – | – | – | – | – |
Wäldervieh | – | 22.072 | – | – | – | – | – |
Für die Zuchtwertschätzung Zellzahl und Melkbarkeit werden keine gesonderten Pedigreebestände aufgebaut, sondern es werden die Pedigreebestände aus der Zuchtwertschätzung Milch verwendet. Auf diese Weise ist sichergestellt, dass alle Tiere mit einem Zuchtwert für Milchleistung auch Zuchtwerte für Zellzahl und Melkbarkeit bekommen. Der Aufbau dieser Pedigreebestände ist in der Dokumentation zum Testtagsmodell beschrieben. In Tabelle 3 ist die Anzahl der Tiere in den Pedigreebeständen dargestellt.
Rasse | Tiere insgesamt | Bullen | Bullen mit Töchtern Zellzahl | Bullen mit Töchtern DMG AUT/BW/CZE | Bullen mit Töchtern DMG BY | Bullen mit Töchtern Befragung |
---|---|---|---|---|---|---|
Fleckvieh | 17.842.685 | 186.047 | 122.597 | 40.418 | 44.866 | – |
Braunvieh | 2.972.907 | 76.426 | 49.391 | 11.902 | 20.048 | - |
Gelbvieh | 147.550 | 3.658 | 2.241 | – | 1.052 | – |
Pinzgauer | 149.660 | 7.669 | 4.156 | 2.430 | 803 | – |
Grauvieh | 39.621 | 1.319 | 613 | 604 | – | – |
Wäldervieh | 87.712 | 6.350 | 4.348 | 2.416 | – | – |
Schätzverfahren
Die Zuchtwertschätzung wird für die einzelnen Rassen getrennt mit einem Mehrmerkmals-Testtags-Tiermodell (Fixed Regression) durchgeführt. Bei den Merkmalen handelt es sich um den SCS aus den drei Laktationen sowie um die beiden Melkbarkeitsmerkmale DMG AUT/BW und DMG BY. Es werden zwei verschiedene statistische Modelle angewendet, da für DMG AUT/BW keine wiederholten Beobachtungen vorliegen. Die in diesen Modellen berücksichtigten Effekte sind in Tabelle 4 dargestellt. Die Region*Kalbejahr*Kalbesaison*Kalbealter-Klassen sind so definiert wie in der Zuchtwertschätzung Milch. Die Regressionskoeffizienten für den Abstand zum Kalben werden innerhalb dieser Region*Kalbejahr*Kalbesaison*Kalbealter-Klassen geschätzt. Für SCS erfolgt die Schätzung des Herdentesttags-Effektes über Laktationen hinweg. Für DMG BY werden jeweils zwei Herdentesttage zusammengefasst. Für DMG AUT/BW variiert die Bildung der Betrieb*Kalbejahr-Klassen zwischen den Rassen in Abhängigkeit von der Anzahl der vorliegenden Beobachtungen. Der Effekt der Melkzeit im Modell für DMG BY bezieht sich darauf, ob es sich bei der Beobachtung um ein Morgen- oder ein Abendgemelk handelt (in Abhängigkeit von der Prüfmethode können zwei Beobachtungen pro Herdentesttag vorliegen). Die in der Zuchtwertschätzung verwendeten Parameter sind in den Tabellen 5 und 6 dargestellt. Die Schätzung der Zuchtwerte wie auch die Approximation der Sicherheiten der geschätzten Zuchtwerte erfolgt mit dem Programmpaket MiX99.
Effekte | SCS 1. bis 3. Laktation | DMG AUT/BW | DMG BY |
---|---|---|---|
Fixe Effekte: | |||
Herdentesttag | X | – | X |
Betrieb * Kalbejahr | – | X | – |
Melkzeit | – | – | X |
Region * Kalbejahr * Kalbesaison * Kalbealter | X | X | X |
Abstand zum Kalben (Regression mit vier linearen und quadratischen Effekten) | X | X | X |
Kalbealter (Regression mit zwei linearen und quadratischen Effekten) | X | X | X |
Zufällige Effekte: | |||
Tier (Zuchtwert) | X | X | X |
Permanenter Umwelteffekt der Kuh | X | – | X |
Resteffekt | X | X | X |
Beim Braunvieh wird die durch Befragung erfasste Melkbarkeit als sechstes Merkmal mit einer Heritabilität von 0.20 und einer genetischen Korrelation zu den anderen Melkbarkeitsmerkmalen von jeweils 80 berücksichtigt. Das Schätzmodell enthält zusätzlich den Effekt des Bewerters. Für die Rassen Gelbvieh, Grauvieh und Wäldervieh werden Modelle mit vier statt fünf Merkmalen verwendet, da nur eines der Melkbarkeitsmerkmale vorliegt.
Merkmale | SCS 1. Laktation | SCS 2. Laktation | SCS 3. Laktation | DMG AUT/BW | DMG BY |
---|---|---|---|---|---|
SCS 1. Laktation | .10 | .88 | .83 | .30 | .30 |
SCS 2. Laktation | – | .12 | .95 | .20 | .20 |
SCS 3. Laktation | – | – | .13 | .20 | .20 |
DMG AUT/BW | – | – | – | .35 | .88 |
DMG BY | – | – | – | – | .28 |
Merkmale | SCS 1. Laktation | SCS 2. Laktation | SCS 3. Laktation | DMG AUT/BW | DMG BY |
---|---|---|---|---|---|
SCS 1. Laktation | .45 | .40 | .35 | – | – |
SCS 2. Laktation | – | .475 | .45 | – | – |
SCS 3. Laktation | – | – | .475 | – | – |
DMG AUT/BW | – | – | – | – | – |
DMG BY | – | – | – | – | .44 |
Sowohl bei Fleckvieh als auch bei Braunvieh stehen für Bullen auch INTERBULL-Zuchtwerte für die Zellzahl zur Verfügung. Damit werden bei diesem Merkmal, wie bei den Milchleistungsmerkmalen schon seit mehreren Jahren üblich, auch Informationen aus anderen Ländern in der Zuchtwertschätzung berücksichtigt. Dies ist vor allem bei solchen Bullen von Vorteil, die einen Prüfeinsatz parallel im mehreren Ländern absolviert haben. Ein weiterer Vorteil ist es, dass jetzt auch Zuchtwerte für Bullen vorliegen, die in Österreich oder Deutschland noch keine Töchter haben, zum Beispiel für aktuelle jüngere Bullen aus Frankreich, Italien oder der Schweiz.
Ergebnisdarstellung
Zellzahl
Bei dem für SCS veröffentlichten Zuchtwert handelt es sich um den Durchschnittswert der für die drei Laktationen geschätzten Einzelzuchtwerte. Formell werden die Einzelzuchtwerte im Verhältnis 1:1:1 gewichtet, aber de facto haben die 2. und 3. Laktation ein höheres Gewicht, da in diesen Laktationen die genetische Streuung höher ist. Der Zuchtwert SCS wird als Relativzuchtwert veröffentlicht. Die Bezugsbasis für alle Zuchtwerte wird bei allen Rassen von den Kühen gebildet (Fleckvieh: 4–6 Jahre alt; Braunvieh, Pinzgauer, Wäldervieh: 6–8 Jahre alt; Gelbvieh, Grauvieh: 8–10 Jahre alt). Die durchschnittlichen Zuchtwerte der Basiskühe betragen 0. Die Bezugsbasis für alle Zuchtwerte wird bei Fleckvieh und Braunvieh von den acht- bis zehnjährigen geprüften Bullen gebildet (andere Rassen: acht- bis zwölfjährige Bullen). Die durchschnittlichen Zuchtwerte der Basisbullen betragen 0. Der Relativzuchtwert ist so standardisiert, dass die Basis einen Mittelwert von 100 Punkten hat. Die Streuung der wahren Relativzuchtwerte wird auf 12 Punkte eingestellt. Wegen der begrenzten Sicherheiten liegt die realisierte Streuung etwas darunter. Die Basis wird zu jedem Schätztermin um drei Monate verschoben (gleitende Basis).
Melkbarkeit
Bei der Melkbarkeit werden die beiden geschätzten Einzelzuchtwerte nicht kombiniert, sondern es wird der Zuchtwert für DMG AUT/BW als Relativzuchtwert veröffentlicht. Auch dieser Relativzuchtwert ist so standardisiert wie oben beschrieben.
Weitere Details zur Definition der Basis sowie die sich aus der Basisverschiebung ergebenden Zuchtwert-Änderungen:
Schätztermine
Genetische Fortschritte
Relativzuchtwerte für SCS und DMG AUT/BW nach Geburtsjahrgang