Winterweizen in der Fütterung

grüner Weizen im Feld

In Bayern ist Winterweizen mit etwa 500.000 ha neben Mais die am meisten angebaute Kulturart. Rund 40 % der Weizenernte landet deutschlandweit direkt im Futtertrog. Die Inhaltsstoffe des Weizens, insbesondere dessen Eiweißgehalt, sind mit dafür ausschlaggebend, wieviel Stickstoff (N) von den Nutztieren ausgeschieden wird.

Überhöhte Eiweißgehalte in den Rationen sind immer mit hohen N-Ausscheidungen insbesondere Harnstickstoff verbunden. Je höher die Stickstoffmengen in den Wirtschaftsdüngern sind, desto größere N-Emissionen können auftreten. Der Eiweißgehalt des in den Rationen enthaltenen Futterweizens hat damit direkten Einfluss auf die Umweltverträglichkeit der Nutztierhaltung.

Ziele in der Tierernährung

Ziel der Tierernährung ist es Nutztiere mit Rationen zu versorgen, die auf den Bedarf abgestimmt sind. Oft ist der Rohproteingehalt des zur Fütterung bestimmten Weizens zu hoch. Ist dies der Fall muss der Futterweizen als wichtige Rationskomponente eiweißärmer werden. Solch ein proteinschwacher Weizen ist für Schweine, Pferde und Geflügel sowie für Milchkühe, die in einem Grünlandbetrieb stehen, besser geeignet. Er hilft die Nutztierhaltung effizienter und nachhaltiger zu gestalten und spart N-Dünger im Anbau. Für Nutztierhalter und die Futtermittelindustrie ist ein derartiger Weizen eine sehr interessante Komponente, um N-/P-reduzierte Futtermischungen zu erstellen.
Mastrinder, Mutterkühe, Milchkühe auf Ackerbaustandorten und Milchschafe sowie Milchziegen sind nicht zwingend auf rohproteinarmen Weizen angewiesen, da deren sonstige Futtergrundlage in der Regel rohproteinarm ist. Deshalb sind zwei Verwertungsrichtungen für Futterweizen zu etablieren – rohproteinarmer und rohproteinreicher Futterweizen. Hierzu muss jeweils die ganze Prozesskette, beginnend bei der Sortenwahl, über den Anbau und die Lagerung bis hin zur Fütterung beachtet werden. In der gesamten Futtermittelkette ist der rohproteinarme Futterweizen zu kennzeichnen und einer eigenen Logistik zuzuführen.

Pflanzenzucht – Weizensorten

Traditionell werden die Weizensorten in die Qualitätsgruppen Eliteweizen (E), Qualitätsweizen (A), Backweizen (B) und Futterweizen (C) eingeteilt. Die Einstufung der Sorten beruht auf Merkmalen wie Fallzahl, Mehlausbeute und Sedimentationswert, welche sich alle auf die Backqualität beziehen. Für die Einteilung der Sorten in die verschiedenen Qualitätsgruppen spielt der Rohproteingehalt seit 2019 keine Rolle mehr. Bei der Vermarktung von Weizen werden aber weiterhin Mindestwerte beim Rohprotein gefordert und die Bezahlung erfolgt danach.
In Bayern werden zwar ca. 80 % E- und A-Sorten angebaut, jedoch wird ein hoher Anteil des Weizens in der Nutztierfütterung verwendet und stellt beispielsweise bei Schweinen einen bedeutenden Anteil der Futterrationen dar. In der Nutztierfütterung stehen andere Ansprüche an die Weizensorte im Mittelpunkt als bei der Verwendung als Mahl- oder Backweizen. Das Thema Proteinzusammensetzung von Futterweizen, v.a. die Gehalte an essenziellen Aminosäuren im Rohprotein, wird im Bereich der Pflanzenzucht wenig beachtet, da zwischen den Sorten bisher nur eine geringe Variabilität erwartet wurde. In einem laufenden Forschungsprojekt wird untersucht, ob grundsätzlich nutzbare Unterschiede im Weizengenpool vorhanden sind.

Pflanzenbau - Rahmenbedingungen und Düngung

Den Rahmen für die Düngung des Weizens gibt die Düngeverordnung (DüV) vor. Entsprechend der Qualitätseinstufung der Weizensorten haben die E-Sorten den höchsten Stickstoffbedarfs-wert mit 260 kg N/ha, gefolgt vom A, B-Weizen mit 230 kg N/ha und dem C-Weizen mit 210 kg N/ha. Alle Werte gelten bei einem Ertrag von 80 dt/ha, bei höheren Erträgen kann ein Zuschlag von 1 kg N/dt erfolgen, bei niedrigeren Erträgen sind je dt 1,5 kg N abzuziehen. In der Düngebedarfsermittlung (DBE) müssen zahlreiche Abschläge (z. B. für Nmin-Wert, bestimmte Vorfrüchte, Nachlieferung aus der organischen Düngung der Vorjahre) berücksichtigt werden. Der sich daraus ergebende Düngebedarf darf nicht überschritten werden.
Die Aufteilung der N-Gaben erfolgt nach Bestandsentwicklung und Verwertungsrichtung. Eine Herbstdüngung zu Winterweizen ist nicht erlaubt (Ausnahme Festmist von Huf- und Klauentieren). Die erste N-Gabe richtet sich nach der Bestandsentwicklung, Nmin-Wert und DBE. Es steht ein weites Zeitfenster von Anfang Februar bis März zur Verfügung. Den Stickstoff von in diesem Zeitraum ausgebrachter Gülle und von Biogasgärresten verwertet Weizen gut. Verlustarme Ausbringtechnik, insbesondere Schlitzen vermindert Ausbringverluste und führt zu hohen Ausnutzungsgraden der organischen Düngung. Diese sind notwendig, um die nach der DüV anzurechnenden N-Mindestwirksamkeiten von Gärresten und Gülle zu erreichen. Die Höhe der zweiten N-Gabe beeinflusst besonders die Bestandesdichte und damit die Anzahl der ährentragenden Halme. Mit dem Zeitpunkt und der Höhe der dritten N-Gabe wird der Rohproteingehalt im Winterweizen gesteuert. Diese N-Gabe erfolgt entweder als Ertragsdüngung und/oder als Qualitätsdüngung zur Erzielung eines hohen Rohproteingehalts. Den Rahmen für die Höhe der jeweiligen N-Düngegaben steckt aber grundsätzlich die Düngebedarfsermittlung ab. Durch die schlagbezogenen Obergrenzen für die Stickstoffdüngung sowie durch die Erhöhung der Mindestwirksamkeiten von Wirtschaftsdüngern verringert sich die maximal mögliche Stickstoffmenge pro Hektar, die mit Gülle, Mineraldünger, Gärresten etc. ausgebracht werden kann. Die damit verbundenen Einschränkungen stellen vor allem viehstarke Betriebe vor Probleme.

Verwertung – als Nutztierfutter

Probenahme von Weizen
Grundsätzlich nimmt der Gesamt-Aminosäuregehalt bei steigendem Rohproteingehalt zu. Weizen mit z.B. 135 g Rohprotein je kg Trockenfutter (bezogen auf 88 % Trockenmasse) hat absolut einen höheren Gehalt der essenziellen Aminosäure Lysin als ein Weizen mit 100 g Rohprotein/kg Trockenfutter (Tab.1). Der Lysin-Gehalt im Rohprotein (Lysin, g/100 g Rohprotein) nimmt jedoch mit steigendem Rohproteingehalt ab (Tab.1 und Abb. 1).
Tab. 1: Vergleich der Lysingehalte von zwei Winterweizenproben (88 % Trockenmasse) mit un-terschiedlichen Rohproteingehalten
RohproteingehaltLysingehalt Lysingehalt
g/kgg/kgg/100 g Rohprotein
1353,32,5
1002,92,9
Hohe Rohproteingehalte sind deshalb bei allen Getreidearten mit einer schlechteren Proteinzusammensetzung, d.h. einem niedrigeren Gehalt essenzieller Aminosäuren im Rohprotein, verbunden. Das Ziel der Tierernährung ist die Versorgung mit verfügbaren Aminosäuren nach Bedarfsnormen bei möglichst geringen N-Gehalten in der Futterration. Weizen mit niedrigen Rohproteingehalten, also niedrigen N-Gehalten helfen dabei dieses Ziel zu erreichen.
Es ist zu beachten, dass sich der Rohproteingehalt bei Weizen von Seiten der Tierernährung und der Pflanzenzucht/Vermarktung unterschiedlich errechnet. Bei beiden Verfahren wird bei der Rohproteinuntersuchung der N-Gehalt bestimmt, mit einem Faktor multipliziert und daraus der Rohproteingehalt berechnet. In der Tierernährung wird der N-Gehalt mit dem Faktor 6,25 multipliziert und vor allem in der Monogastrierfütterung auf Trockenfutter mit 88 % Trockenmasse (TM) bezogen. Bei Backweizen und der Weizenvermarktung wird der N-Gehalt mit dem Faktor 5,7 multipliziert und immer auf die Trockenmasse (100 % TM) bezogen. Eine Vereinheitlichung wäre wünschenswert.

Schweine, Geflügel (Monogastrier)

Schwein_Vorderansicht
Monogastrier wie z.B. Schweine haben keinen allgemeinen Rohproteinbedarf, sondern einen Bedarf an essenziellen Aminosäuren (Lysin, Methionin, Threonin und Tryptophan). Ziel in der Tierernährung ist das sogenannte „ideale Protein“, dessen Aminosäurezusammensetzung exakt dem Aminosäuremuster des Zuwachses der Tiere entspricht. Weizen mit niedrigem Rohproteingehalt hat einen höheren Gehalt essenzieller Aminosäuren und senkt zusätzlich den Rohproteingehalt in Futterrationen. Für eine N-/P-reduzierte Fütterung von Schwein und Geflügel kann der Gehalt an Rohprotein im Getreide somit kaum niedrig genug sein, da das Aminosäuremuster des Weizens erheblich ungünstiger ist als in den üblichen Eiweißfuttermitteln. Zudem muss überschüssiges Rohprotein im Tier unter Energieaufwand verstoffwechselt werden (niedrigere Leistungen, gesundheitliche Belastung). Aus Sicht der Schweine- und Geflügelfütterung würden daher beim Winterweizen Rohproteingehalte von 90 bis 110 g je kg Trockenfutter (88 % TM) genügen. Berechnet man den Rohproteingehalt wie beim Landhandel und im Pflanzenbau (N-Gehalt mal 5,7; bezogen auf 100 % TM) entspricht dies einem Rohproteingehalt von 9,3 – 11,4 %.
Die geringe Gesamt-Aminosäurelieferung von rohproteinreduziertem Getreide kann über den Zukauf an kristallinen Aminosäuren über das Mineralfutter ausgeglichen werden. Diese weisen darüber hinaus eine bessere Umweltbilanz/Gesamtumweltwirkung als klassische Eiweißfuttermittel, inklusive der heimischen Eiweißfuttermittel, auf.

Pferde

Pferde
Auch für Pferde sind Getreide mit geringem Rohproteingehalt passend, da der Eiweißbedarf der Pferde nicht sehr hoch ist und nicht über hohe Rohproteingehalte im Getreide gedeckt werden muss. Viele praxisübliche Rationen zeigen eine erheblich über den Versorgungsempfehlungen liegende Proteinversorgung. Der Bedarf wird hier in der Regel über Grasprodukte abgedeckt.

Rinder und andere Wiederkäuer (Polygastrier)

Milchkühe beim Fressen im Stall
Im Gegensatz zum Monogastrier können Wiederkäuer hohe Rohproteingehalte im Getreide verwerten. Die Pansenbakterien spalten den überwiegenden Anteil des Rohproteins bzw. der Aminosäuren im Pansen bis zum Stickstoff und bauen neues sehr hochwertiges Protein auf (Mikrobenprotein). Ein Teil des Rohproteins passiert den Pansen ohne mikrobiellen Abbau und dieser steht im Dünndarm in unveränderter Form als pansenstabiles Rohprotein zur Verfügung. Mikrobenprotein und pansenstabiles Protein werden im Dünndarm verdaut. Wiederkäuer können nicht nur Aminosäuren, sondern auch andere Stickstoffquellen verwerten.
In der Rindermast, bei Milchkühen im Ackerfutterbaubetrieb und bei Milchschafen sowie Milch-ziegen sind niedrige Rohproteingehalte im Getreide nicht zwingend anzustreben. Um den Bedarf an nutzbarem Protein (nXP) und an Stickstoff (RNB, Ruminale Stickstoffbilanz sollte gegen „0“ gehen) zu decken, müssen ansonsten Eiweißfuttermittel zugekauft werden, die häufig hohe Phosphorgehalte aufweisen und den Phosphorsaldo verschlechtern. Die Zufütterung von Futterharnstoff (Stickstoffquelle) erlaubt den Einsatz von Getreide mit geringerem Rohproteingehalt und ist in der Regel wirtschaftlich. Beim Einsatz von Futterharnstoff und Mischfuttermitteln mit Harnstoffzusatz sind die futtermittelrechtlichen Vorschriften einzuhalten.
Bei Milchkühen im Grünlandbetrieb sind Getreide mit hohen Rohproteingehalten nicht sinnvoll, da durch die Grobfuttersituation schon ein Rohproteinüberschuss vorliegt. Hier ist der Einsatz von Getreide mit geringerem Rohproteingehalt zu empfehlen, um eine höhere Ausgleichswirkung (Minderung der Ruminalen-Stickstoffbilanz, RNB) zu erzielen. Insgesamt ist für die Nutztierfütterung eine Aufteilung des Winterweizens nach dessen Rohproteingehalt in zwei Kategorien anzustreben (Tab. 2):
Tab.2: Anzustrebende Rohproteingehalte bei Futterweizen in Abhängigkeit von der Tierart und der Hauptfutterquelle, Rohproteingehalte bezogen auf Trockenfutter mit 88 %TM
NutztierartWinterweizen mit geringerem Rohproteingehalt (ca. < 11%*)Winterweizen mit höherem Rohproteingehalt (ca. > 11%*)
GeflügelX
PferdeX
SchweineX
RindermastX
Milchkuh, AckerfutterbaubetriebX
Milchkuh, GrünlandbetriebX
MutterkuhbetriebX
Milchschafe, -ziegenX
* 11,0 % Rohprotein (N-Gehalt x 6,25, bezogen auf 88 % TM) entspricht 11,4 % (Berechnung im Pflanzenbau: N-Gehalt x 5,7; bezogen auf 100 % TM)

Sortenempfehlung Winterweizen für Geflügel, Pferde, Schweine und Milchvieh im Grünlandbetrieb

Für Betriebe, die Probleme mit der Höhe des Stickstoffanfalls aus der Nutztierhaltung haben, sind N-limitierte Futterrationen essenziell. Deshalb bietet sich die innerbetriebliche Produktion von Futtergetreide mit geringen Rohproteingehalten an. Folgende von der staatlichen Beratung empfohlene Sorten sind aufgrund ihrer guten Erträge, der ausgewogenen agronomischen Eigenschaften sowie der niedrigen Rohproteingehalte zum Anbau und zur Verfütterung an oben genannte Tierarten geeignet:

Empfehlung zur Aussaat im Herbst 2021:

  • A-Weizen: Apostel, Asory, RGT Reform
  • B-Weizen: Argument, Campesino
  • C-Weizen: Elixer, KWS Keitum (20 kg N geringerer N-Sollwert laut DüV)
Insbesondere für Schweine und Geflügel haltende Betriebe sind zukünftig folgende Anforderungen an Futterweizen zu beachten: Hohe mehrjährige Erträge, hohe Konzentrationen an essenziellen Aminosäuren bei geringen Rohproteingehalten, gute Gesundheit, gute Standfestigkeit sowie eine geringe Anfälligkeit für Ährenfusarium.
Die Erzeugung und der Verkauf von rohproteinreichen E/A-Weizen bei gleichzeitigem Zukauf von proteinarmem Futtergetreide ist keine Alternative für viehstarke Betriebe. Theoretisch könnten höhere N-Entzüge realisiert werden. Für das Erreichen der hohen Rohproteingehalte ist aber eine mineralische Qualitätsspätdüngung notwendig. Diese weist in der Regel einen niedrigeren Wirkungsgrad als die vorherigen Düngergaben auf. Das bedeutet mehr Stickstoff bleibt ungenutzt auf dem Feld zurück.

Ökolandbau

Im Ökolandbau ist die Situation anders, da dort derzeit keine kristallinen Aminosäuren eingesetzt werden können. Aber auch hier gilt, dass beim Monogastrier eine hochwertige Proteinzusammensetzung im Getreide anzustreben ist. Eine besondere Herausforderung ist die gezielte Ergänzung der Futtermittel, um den Bedarf an dünndarmverfügbaren Aminosäuren mit nicht zu stark überschüssigen Mengen an Rohprotein zu decken.

Fazit
Futterrationen mit bedarfsgerechten Rohproteingehalten verringern das Risiko von N-Verlusten in der Nutztierhaltung. Durch den differenzierten Einsatz von rohproteinarmem und rohproteinreichem Winterweizen kann die Nutztierhaltung und die damit verbundene Landnutzung umweltverträglicher und insgesamt nachhaltiger werden. Hierfür sind in allen Bereichen der Prozesskette, von der Auswahl der Weizensorten, über Anbau/Düngung, die Lagerung und den Transport bis hin zur Verwertung neue integrierte Denkansätze notwendig.