Der Westliche Maiswurzelbohrer - Ein gefährlicher Schädling im Maisanbau
Der Westliche Maiswurzelbohrer, Diabrotica virgifera virgifera LeConte, gehört zur Familie der Blattkäfer (Chrysomelidae). Dieser Käfer ist etwa 5-7 mm lang. Er hat einen dunklen Kopf, Halsschild und Abdomen sind gelb bis rot. Die Beine können gelb oder dunkel sein. Die Deckflügel tragen drei dunkle Längsstreifen (Abb. 1a, Weibchen) oder sind nahezu vollständig dunkel gefärbt (Abb. 1b, Männchen). Die Männchen sind in der Regel etwas kleiner als die Weibchen, haben längere Fühler und sind generell dunkler.
Entwicklung
Erstes Auftreten und Eierlegen
Zwischen Juni und Oktober treten die Käfer im Feld auf (Abb. 1c-j). Mit dem Abfallen der Temperaturen im Herbst stirbt der Schädling ab. Die Weibchen können im Schnitt 300-400 Eier legen (Abb. 2a-b). Die ovalen, beigefarbenen Eier sind nur etwa 0,6 mm groß und werden in einer Tiefe von 5-20 cm im Boden von Maisfeldern platziert, wobei 80 % der Eier in den oberen 10 cm zu finden sind. Die für die weitere Entwicklung notwendige Winterruhe verbringt der Maiswurzelbohrer im Eistadium im Boden, bevor im nächsten Jahr die Larven schlüpfen. Davon abweichend durchlaufen etwa 0,2 % der Eier eine zweijährige Diapause, d. h. die Larven schlüpfen erst im Frühjahr des übernächsten Jahres.
Abb. 1a: weiblicher Käfer
Abb. 1b: männlicher Käfer
Abb. 1c: Käfer an Maisstängel
Abb. 1e: Käfer an Maiskolben
Abb. 1f Diabrotica-Käfer Pollen fressend
Abb. 1g: Käfer an Nabenfäden
Abb. 1i: Käfer bei der Kopulation
Abb. 1j: Weibchen kurz vor der Eiablage
Abb. 2a: Weibchen mit Eiern
Larven
Die ersten Larven schlüpfen unter deutschen Klimabedingungen in der zweiten Maihälfte, der Höhepunkt des Larvenauftretens liegt in den Monaten Juni und Juli. In wärmeren Ländern (Italien) findet der Schlupf zu einem deutlich früheren Zeitpunkt statt. Die Larvalentwicklung besteht aus drei Stadien und ist in etwa drei bis vier Wochen abgeschlossen. Die Größe variiert je nach Stadium zwischen 3 und 15 mm (Abb. 3a-c).
Abb. 3a: Larven verschiedener Stadien
Abb. 3c: Diabrotica-Larve
Larvenstadien
Frisch geschlüpfte Junglarven im ersten Stadium können maximal einen Meter weit im Boden wandern, um geeignete Nahrung (Maiswurzeln) zu finden. Zum Ende des dritten Larvenstadiums verpuppen sich die Larven im Boden in ovalen, mit Sekret ausgekleideten Erdhöhlen (Erdkokon, Abb. 4a-d).
Abb. 4a: Maiswurzelbohrer-Erdkokon
Abb. 4b: Erdkokon auf dem Boden
Abb. 4c: Puppe des Maiswurzelbohrers im Erdkokon
Abb. 4d: Puppe des Wurzelbohrers im Erdkokon
Puppe
Die Puppe des Wurzelbohrers ist 3–4 mm lang (Abb. 5a und b). Nach einer etwa einwöchigen Puppenruhe arbeitet sich der Wurzelbohrer zur Bodenoberfläche vor, wobei die Männchen normalerweise vor den Weibchen schlüpfen.
Abb. 5a: Puppe des Maiswurzelbohrers
Abb. 5b: v.l.n.r.: Erdkokon, Puppe, L3 und L2 Stadium
Reifungsfrass nach Befruchtung
Nach der Befruchtung bedarf es bei den Weibchen zunächst eines zweiwöchigen Reifungsfrasses an den Maispflanzen, bevor sie ihre Eier ablegen. Es finden bis zu drei Eiablageperioden pro Weibchen statt, je Eiablageperiode erfolgen auch der Reifungsfraß und die Kopulation. Der Maiswurzelbohrer bildet eine Generation pro Jahr aus (Abb. 6).
Abb. 6: Entwicklungszyklus westlicher Maiswurzelbohrer
Der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) ist ursprünglich in Mexiko beheimatet. In den 50er Jahren erfolgte die Einwanderung in die USA. Dort konnte er sich vor allem in den großen Maisanbaugebieten ausbreiten (Abb. 7a). Er verursacht dort für die Landwirtschaft jedes Jahr Kosten von mehr als einer Milliarde US-Dollar aufgrund von Ernteausfällen und Aufwendungen für Pflanzenschutzmittel.
Abb. 7a: Ausbreitung von Diabrotica v. v. in Nordamerika (2012) (Quelle: http://extension.entm.purdue.edu/wcr/)
Auf dem amerikanischen Kontinent sind hunderte Arten der Gattung Diabrotica bekannt. Nennenswerte Schäden im Mais verursachen jedoch nur der Nördliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica barberi), der Südliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica undecimpunctata howardi) und der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera; (Abb. 7b-d).
Abb. 7b: Nördlicher Maiswurzelbohrer
Abb. 7c: Südlicher Maiswurzelbohrer
Abb. 7d: Westlicher Maiswurzelbohrer
In Europa ist der Westliche Maiswurzelbohrer die einzige vorkommende Art. Er wurde aus den USA nach Serbien verschleppt, wo er 1992 in der Nähe des Belgrader Flughafens zum ersten Mal entdeckt wurde. Seitdem breitet er sich kontinuierlich in Europa aus. Die ersten Fänge des Schädlings in Deutschland gab es 2007, in Baden-Württemberg und Bayern. Im Jahr 2010 wurden auch in Nordrhein-Westfalen Käfer gefangen und seit 2011 sind auch Hessen und Rheinland-Pfalz betroffen. In den südöstlichen Nachbarländern Deutschlands tritt der Schädling in Populationsdichten von bis zu 50 Käfern/Maispflanze auf. Das aktuelle Kern-Ausbreitungsgebiet reicht im Norden bis Tschechien und Süd-Polen, im Osten umfasst es die Ukraine, Rumänien und Bulgarien, im Süden Serbien und Bosnien-Herzegowina und im Westen hat es Slowenien, Österreich und Italien erreicht (Abb. 8).
Bei der Verbreitung lassen sich zwei Wege unterscheiden: die natürliche Ausbreitung durch den aktiven Flug des Käfers und die passive Verschleppung durch Transportmittel.
Die Käfer können in Einzelflügen bis zu 20 km zurücklegen. In Gebieten mit intensivem Maisanbau sind Ausbreitungsraten bis zu 100 km pro Jahr möglich. Die natürliche Ausbreitung lässt sich in Europa durch entsprechende Eingrenzungsmaßnahmen deutlich verzögern.
Die Verschleppung, z.T. Kontinent übergreifend, kann über verschiedene Transportmittel erfolgen: Flugzeug, Bahn, Binnenschifffahrt, LKW-Verkehr und Tourismus. Sehr häufig traten erste Funde des Maiswurzelbohrers in der Nähe von Flughäfen auf. Das bedeutet auch, dass der Käfer nicht nur auf natürlichem Wege aus den Befallsgebieten Südosteuropas nach Deutschland drängt, sondern jederzeit auch erneut aus Nordamerika eingeschleppt werden kann.
Abb. 8: Ausbreitung von Diabrotica v. v. in Europa (2012) (Quelle: http://extension.entm.purdue.edu/wcr/)
Biologische Fakten
Der Westliche Maiswurzelbohrer entwickelt pro Jahr nur eine Generation. Bis zu 500 Eier werden von den Weibchen Ende Juli bis September im Boden abgelegt und überwintern dort. Die Larven erscheinen im Folgejahr ab Anfang Juni und beginnen sofort mit dem Fraß an den Maiswurzeln. Während das erste Larvenstadium noch außen an den Feinwurzeln frisst, bohren sich das zweite und dritte Stadium auch in die Wurzel ein. Die Wasser- und Nährstoffaufnahme sowie die Standfestigkeit der Maispflanze wird dadurch erheblich beeinträchtigt. Auch kommt es nicht selten zu sekundären Pilz-Infektionen im Wurzelbereich (Wurzelfäule). Darüber hinaus versucht die Pflanze, den stetigen Verlust an Wurzelmasse durch Neubildung zu kompensieren. Dies kostet die Pflanze viel Energie, was wiederum zu Lasten des Aufbaus und der Ausbildung der oberirdischen, ertragsbildenden Pflanzenteile geht. Ist es in dieser Zeit feucht, bleibt der Ertragsausfall aufgrund von Larvenfraß meist unter 30 Prozent. In Jahren mit Frühsommertrockenheit sind unter Starkbefallsbedingungen bis zu 90 Prozent Ertragsverlust durchaus möglich.
Nach einer Verpuppungsphase von etwa einer Woche erscheinen ab Mitte Juli die ersten Käfer in den Maisfeldern. Die Tiere ernähren sich zunächst vor allem von Narbenfäden. Wenn dieser Fraß starke Ausmaße annimmt, ist die Befruchtung beeinträchtigt und es werden keine oder nur wenige Körner im Kolben gebildet. Aber auch der sogenannte Fensterfraß (vergleichbar dem Getreidehähnchen) ist typisch für den Käfer des Maiswurzelbohrers. Später decken die Tiere ihren Nahrungsbedarf an milchreifen Körnern oder an anderen blühenden Pflanzen, insbesondere an Unkräutern. Gegen Ende September wird die Eiablage eingestellt und mit Einsetzen der ersten Fröste sterben die Käfer ab. Weil sowohl die Larven als auch die Käfer schädigen, ist die Maispflanze den Angriffen des Westlichen Maiswurzelbohrers vom Auflauf bis zur Ernte, also über die gesamte Vegetationsperiode ausgesetzt. Zum einen erklärt dies das hohe Schadpotential, das von diesem Insekt ausgeht. Zum anderen wird aber auch ersichtlich, dass unter hohem Schädlingsdruck, wie er etwa fünf Jahre nach Erstauftreten zu erwarten ist, mit chemischen Maßnahmen alleine der Schädling kaum zu kontrollieren ist. Darüber hinaus muss der Insektizideinsatz in Maismonokulturen alle Jahre erfolgen. Erschwerend kommt noch hinzu, dass der Maiswurzelbohrer in den USA bisher sehr schnell Resistenzen gegen die eingesetzten insektiziden Wirkstoffe entwickeln konnte. Es gibt keinen Grund, warum dies in Europa nicht ebenso schnell geschehen könnte.
Die einfachste und effizienteste Bekämpfungsmethode, um den Schaden durch den Maiswurzelbohrer gering zu halten, ist der Fruchtwechsel. Grund: Die Eiablage der Weibchen erfolgt im wesentlichen in Maisfeldern und die zu über 99 Prozent im Folgejahr schlüpfenden Larven sind für ihre weitere Entwicklung bis hin zum Käfer auf Maiswurzeln angewiesen. Weil der Rest der Eier eine zweijährige Winterruhe durchläuft ist der zweijährige Verzicht auf den Anbau von Mais anzustreben.
Keine Schäden durch Wurzelbohrer bei Anbau auf derselben Fläche alle zwei bis drei Jahre
Nach den Erfahrungen in anderen Ländern lässt sich sagen: Landwirte, die auf derselben Fläche nur alle zwei bis drei Jahre Mais anbauen, haben durch den Wurzelbohrer keine nennenswerten Schäden zu befürchten und es sind auch bei etabliertem Befall keine anderen Abwehrmaßnahmen erforderlich. Übertragen auf die bayerische Maisanbausituation bedeutet dies, dass von den 420.000 ha Maisanbaufläche etwa 30.000 ha als stark gefährdet anzusehen sind. Betroffen ist fast ausschließlich das südbayerische Gebiet. Unter diesem Aspekt lassen die Fangzahlen im Donautal bei Passau sowie im Inntal, ebenfalls in der Nähe von Passau, nichts Gutes erwarten. In beiden Gebieten wird häufig Mais nach Mais angebaut. Werden unter diesen Bedingungen nicht von Beginn an wirkungsvolle Gegenmaßnahmen ergriffen, ist nach den Erfahrungen aus Südosteuropa bereits nach vier bis fünf Jahren (in Körnermais sogar früher) mit durchschnittlich 10 bis 30 Prozent Ernteausfällen zu rechnen. Ausgehend von diesen Befallsorten kann sich der Schädling nach Berechnungen des Julius-Kühn-Institutes ohne Eingrenzungsmaßnahmen darüber hinaus innerhalb von zehn Jahren über ganz Süddeutschland verbreiten. Andererseits ist aber auch unbestritten, dass eine Etablierung des Westlichen Maiswurzelbohrers in Bayern und Deutschland auf Dauer nicht zu verhindern ist. Dies liegt zum einen daran, dass die für das Überleben und die Vermehrung notwendigen klimatischen Voraussetzungen bei uns sehr günstig sind und zum anderen die aktuelle Ausbreitungszone in Österreich nur rund 85 km vom Raum Passau entfernt ist. Auch das nächstgelegene Tschechische Gebiet mit Käfer-Funden liegt nur rund 90 km von der bayerischen Grenze entfernt. Diese Strecke kann der Schädling nach Beobachtungen auf dem Balkan in ein bis drei Jahren zurücklegen.
Aktuelle Zahlen und Entwicklungen finden Sie unter Maiswurzelbohrer-Monitoring in Bayern
Weltweit zählt der Westliche Maiswurzelbohrer (Diabrotica virgifera virgifera) zu den wirtschaftlich bedeutendsten Maisschädlingen. Der Käfer ist ein Fruchtfolgeschädling; dabei konzentrieren sich die Schäden vor allem in Regionen mit einem Maisanteil von über 50% in der Fruchtfolge. Bei einem Maisanteil von unter 1/3 auf derselben Fläche sind die Ertragsverluste zu vernachlässigen. Der größte Schaden entsteht durch die Fraßaktivität der im Boden lebenden Larven (Abb. 9a-f). Durch den Fraß an den Maiswurzeln werden die Wasser- und Nährstoffaufnahme, sowie die Standfestigkeit der Pflanzen stark beeinträchtigt.
Abb. 9a: geschädigte Maiswurzeln durch Larvenfraß
Abb. 9b: geschädigte Maiswurzeln durch Larvenfraß
Abb. 9c: geschädigte Maiswurzeln durch Larvenfraß des westlichen Maiswurzelbohrers
Abb. 9d: Larven im Maiswurzelballen
Abb. 9e: geschädigte Maiswurzeln durch Larvenfraß
Abb. 9f: Wurzeln mit unterschiedlichem Schadausmaß
Befallene Maispflanzen lassen sich leicht aus der Erde ziehen und können bei Starkbefall auch Umkippen (10a-d). Bei ausreichender Wasser- und Nährstoffversorgung werden neue Wurzeln gebildet (Abb. 11a und b), wodurch sich die geschädigten Pflanzen wieder aufrichten können. Die Stängel bekommen jedoch eine gekrümmte Form, den sogenannten Gänsehals („goose necking", Abb. 12a-d).
Abb. 10a: Von Diabrotica verursachtes Lager
Abb. 10b: Vom Maiswurzelbohrer verursachtes Lager
Abb. 10c: Von Diabrotica verursachtes Lager
Abb. 10d: Von Diabrotica-Larven verursachtes Lager
Abb. 11a: neugebildete Wurzeln
Abb. 11a: Wurzelneubildung an Mais
Abb. 12a: Gänsehalssymptom an Maispflanzen
Abb. 12b: Gänsehalssymptom an Maispflanzen
Abb.12c: Gänsehalssymptom an Maispflanzen durch Diabroticabefall hervorgerufen
Abb. 12d: Diabroticalarvenbefall verursacht Gänsehaslsymptom an Mais
Pilzliche Sekundärinfektionen können die Funktion des Wurzelwerkes zusätzlich beeinträchtigen. Im Vergleich zu den Larven sind die durch den Käfer verursachten Schäden geringer. Zur Förderung der Fertilität werden für den Reifungsfraß eiweißreiche Bestandteile des Mais benötigt. Deshalb fressen die Käfer des Maiswurzelbohrers bevorzugt Pollen und die Narbenfäden ("silk clipping", Abb. 13a-c) und von den sich entwickelnden Körnern am Kolben (Abb. 14a).
Abb. 13a: Schadfraß an der Rispe
Abb. 13b: Schadfraß an den Narbenfäden
Abb. 13c: Schadfraß an den Narbenfäden
Abb. 14a: Fraßschaden an den jungen Körnern
Das Abfressen der Narbenfäden führt zu einer schlechten Befruchtung und damit zu einer verringerten Anzahl an Körnern, sowie zu einer unterschiedlichen Korngröße (Abb. 15a und b).
Abb. 15a: unregelmäßiger Kornansatz durch schlechte Befruchtung
Abb. 15b: unregelmäßiger Kornansatz durch schlechte Befruchtung
Aber auch junge Maisblätter (Fensterfraß, Abb. 16a-c) sowie andere blühende Pflanzen (Abb. 17a und b) werden als Nahrungsquelle genutzt. Darüber hinaus werden die Tiere auch von leuchtenden Farben angelockt (Abb. 18a und b).
Abb. 16a: Fensterfraß an den Blättern
Abb. 16b: Fensterfraß an den Blättern
Abb. 16c: Fensterfraß an den Blättern
Abb. 17a: Maiswurzelbohrer an Kürbis
Abb. 17b: Maiswurzelbohrer an Amarant
Abb. 18a: Diabrotica an einer Ketchupflasche
Abb. 18b: Diabrotica an einem Aschenbecher