Forschungs- und Innovationsprojekt
Larven der Schwarzen Soldatenfliege als heimisches Eiweißfuttermittel für Geflügel – InseG
Larven der Schwarzen Soldatenfliege Hermetia illucens
Für die Ernährung von landwirtschaftlichen Nutztieren, insbesondere von Nicht-Wiederkäuern wie Schweinen und Geflügel, sind hochwertige Eiweißfuttermittel vonnöten. Eines dieser hochwertigen Eiweißfuttermittel ist Sojaextraktionsschrot, welches nicht in ausreichenden Mengen in Deutschland produziert werden kann und aus Übersee importiert werden muss. Um die Abhängigkeit von Futtermittelimporten zu reduzieren, werden alternative Eiweißfuttermittel benötigt. Eine Möglichkeit zur Erweiterung von heimisch erzeugten Eiweißfuttermitteln stellt die Nutzung von Insekten dar. Im Forschungsvorhaben InseG soll untersucht werden, wie ein hochwertiges Eiweißfuttermittel auf Basis von Larven der Schwarzen Soldatenfliege Hermetia illucens ökonomisch und ökologisch nachhaltig erzeugt werden kann.
Hintergrund und Problemstellung
Um landwirtschaftliche Nutztiere, insbesondere Nicht-Wiederkäuer wie Schweine und Geflügel, ihrem Bedarf entsprechend versorgen zu können, werden hochwertige Eiweißfuttermittel wie beispielsweise Sojaextraktionsschrot in Mengen benötigt, die beim derzeitigen Nutztierbestand in Deutschland nicht in ausreichender Menge produziert werden können. Nicht zuletzt aufgrund der Ukraine-Krise und der damit einhergehenden globalen Verknappung und Verteuerung von Futtermitteln ist die Abhängigkeit von Futtermittelimporten zuletzt jedoch stark in den Fokus gerückt. Darüber hinaus stehen viele dieser Futtermittel in direkter Konkurrenz zur Nahrungsmittelerzeugung für die Humanernährung, und dieser Umstand wird zunehmend kritisch betrachtet (Ertl 2016; Flachowsky et al. 2017).
Eine Möglichkeit zur Erweiterung von heimisch erzeugten Futtermitteln könnte die Nutzung von Insekten darstellen. Die Verfütterung von Insektenprotein an landwirtschaftliche Nutztiere ist grundsätzlich möglich. So wurde bereits nachgewiesen, dass Sojaextraktionsschrot in der Masthähnchenfütterung zu großen Anteilen durch die Larven der Schwarzen Soldatenfliege ersetzt werden kann, ohne das Wachstum beim Masthähnchen negativ zu beeinflussen (Hartinger et al. 2021).
Zudem verspricht man sich von der Futterproduktion aus Insekten gute Chancen für eine erhebliche Verringerung des ökologischen Fußabdrucks der Nutztierhaltung. Solange allerdings die Insektenlarven wiederum mit hochwertigen Substraten (basierend auf Mais, Sojaextraktionsschrot und Mühlennebenprodukten) gemästet werden, welche auch direkt an Nutztiere verfüttert werden könnten, bringt deren Produktion und Verfütterung häufig keinerlei ökologische Vorteile. Dies könnte geändert werden, indem regional anfallende Reststoffe aus der Lebensmittelverarbeitung für die Larvenaufzucht verwendet werden.
Das Wachstum der Insektenlarven wird neben der Substratqualität von genetischen Faktoren beeinflusst. Die Forschung zu den bestmöglichen Kombinationen aus Larvengenetik und Substrat wird hierbei durch den sehr kurzen Reproduktionszyklus der Insektenlarven begünstigt. Aus verfahrenstechnischer Sicht müssen die Insektenlarven zudem auf effektive Weise entfettet werden, damit der hohe Rohfett- und Energiegehalt den Einsatz als Futtermittel nicht limitiert.
Ziele
Im Forschungsvorhaben soll untersucht werden, wie die Gewinnung von hochwertigen Eiweißfuttermitteln aus Larven der Schwarzen Soldatenfliege ökonomisch und ökologisch nachhaltiger gestaltet werden kann. Hierzu sollen ausgewählte Nebenprodukte der Lebensmittelverarbeitung als Futtergrundlage für die Insektenlarven getestet werden. Darüber hinaus soll die Prozessierung und Entfettung der Larven der Schwarzen Soldatenfliege optimiert werden. Außerdem soll überprüft werden, ob Insektenlarven durch gezielte Selektion auf Basis ihrer genetischen Eigenschaften an ausgewählte Substrateigenschaften angepasst werden können und somit eine Effizienzsteigerung in der Produktion erzielt werden kann.
Methode
Das Forschungsvorhaben gliedert sich in die folgenden Arbeitspakete (AP):
Evaluierung von ausgewählten regionalen Nebenprodukten der Lebensmittelverarbeitung als Substrat für die Larvenaufzucht
Die Standardrezeptur der Futterrationen für die Larven der Schwarzen Soldatenfliege werden in prozentualen Abstufungen durch aufgeschlossene Reststoffe aus der Gemüse- und Obstverarbeitung ersetzt. Hierbei sollen folgende Reststoffe getestet werden:
- Kartoffeldampfschalen
- Traubentrester
- Hollundertrester
- Kombinationen aus diesen
Die Standardfuttermischung basierend auf Mühlennebenprodukten wird in steigenden Anteilen durch die oben genannten Reststoffe ersetzt. Die Larven der Schwarzen Soldatenfliege erhalten diese Futtermischungen zu Beginn der Mast und verwerten das angebotene Futter über einen Zeitraum von sieben Tagen. Gegen Ende dieses Zeitraums wird ein Trocknungsprogramm durchgeführt, so dass am Ende der Mast das Substrat gut von den Larven getrennt werden kann. Anschließend werden die adulten Larven abgeerntet und die Mastleistung wird ausgewertet, wobei folgende Paramter ermittelt werden:
- Protein- und Aminosäurengehalt im Futter zum Mastbeginn
- pH-Wert des Substrats zum Mastbeginn und -ende
- Anfangs- und Endgewicht der Larven
- Trockensubstanzgehalt der Larven
- Protein- und Aminosäurengehalt der Larven zum Mastende
- Endgewicht und Feuchtegehalt im Fraß (Ausscheidungen der Larven)
- Größenverteilung/Heterogenität der Larven
- Futterverwertung
Selektion der Larvengenetik zur gesteigerten Futterverwertung von regionalen Nebenprodukten
Durch einfache Selektionsmaßnahmen soll herausgefunden werden, ob und wie schnell sich die Larven an verschiedene Reststoffe anpassen können. Dazu werden zwei möglichst verschiedene Reststoffe ausgewählt und damit die Züchtung über sechs Generationen beobachtet.
Nach jeweils einer Woche Mast auf dem Substrat mit Reststoffen werden die Larven abgesiebt und in drei bis fünf Größenklassen eingeteilt. Die 30 % größten Larven werden anschließend ein zweites Mal gefüttert, um Puppen für die Reproduktion zu erhalten. Nach jeder Generation wird das Larvenendgewicht, die Futterverwertung und Substratmenge gemessen. Bei zwei bis drei Generationen wird auch der Nährstoffgehalt und die Aminosäurezusammensetzung der Larven analysiert.
Jeder Durchgang erfordert die volle Entwicklung der Larve bis zur Fliege und die Gewinnung von neuen Eiern und dauert ca. fünf Wochen: eine Woche für die erste Fütterung der Larven, zwei Wochen bis zur Verpuppung der Larven, ca. eine Woche für die Entpuppung der Fliegen und das Eierlegen sowie ca. eine weitere Woche für die Mast der Junglarven.
Untersuchungen zur optimierten Prozessierung der Larven und der nährstofflichen Charakterisierung der generierten Produkte
Grundsätzlich können Insekten mit dem Nass- oder Trockenverfahren entfettet und zu Eiweißfuttermitteln aufbereitet werden. Im Rahmen dieses Arbeitspaketes sollen die Auswirkungen der gezielt wirkenden Prozessparameter beider Verfahren auf das Proteinfuttermittel untersucht werden. Gefolgt von der Nährstoffanalyse der im AP1 erzeugten Insektenlarven werden die zwei vielversprechendsten Larvenprodukte ausgewählt und mittels Nass- und Trockenverfahren wie unten beschrieben entfettet. Dabei werden ausgewählte Parameter, wie der pH-Wert, die Aufschlusszeit, die Temperatur etc., variiert und die entfetteten Produkte nachfolgend auf deren Nährstoffgehalt untersucht.
Trockenverfahren
Bei der Verarbeitung mittels Seiher-Schneckenpressen stellt die Produktfeuchte einen signifikanten Stellparameter des Verfahrens dar. Für die Verarbeitung von Insekten wurden die entsprechenden Zusammenhänge bisher jedoch nicht in der Literatur beschrieben und basieren auf Erfahrungswerten der Anwender. Um ein Produkt mit konstanter Qualität zu erzeugen, ist die systematische Untersuchung des Effektes der Feuchte auf das Pressverhalten, gemessen am Restfettgehalt des Presskuchens, erforderlich. Darüber hinaus ist die Untersuchung der Produktfeuchte nicht nur aus Gründen der Qualität, sondern auch für die Bewertung der Energieeffizienz des gesamten Aufbereitungsprozesses maßgeblich.
Nassverfahren
Beim Einsatz des Nassverfahrens muss vor dem anschließenden Separationsschritt das zerkleinerte Insektenmaterial eine thermische Vorbehandlung erfahren. Hierbei werden die Fettkörper in den Insektenlarven aufgeschlossen und es wird eine Koagulation des Proteins induziert, so dass eine weitgehende Trennung der drei Phasen Wasser, Fett und Feststoff (Protein) möglich wird. Im Rahmen der durchzuführenden Versuche sollen die Parameter Temperatur, pH-Wert und Aufschlusszeit im Reaktor systematisch untersucht und der Effekt von ionischen Verbindungen auf die Ausfällung von Proteinen ermittelt werden.
Potenzialermittlung und Ökobilanzierung
Um das Potenzial der Verwendung von Insektenprotein in Bayern für unterschiedliche Nährsubstrate zu schätzen, bedarf es einer Ex-ante-Simulation mehrerer Szenarien mithilfe ökonomischer Marktmodelle auf Basis der technischen und wirtschaftlichen Bewertung auf Einzelbetriebsebene. Für eine vergleichende ökonomische und ökologische Bewertung der Herstellung von Eiweißfuttermitteln für die Hähnchenmast auf Basis von Insekten ist eine Betrachtung des gesamten Lebenszyklus (hier "cradle to gate") von der Bereitstellung des Nährsubstrats bis zur Mast und Aufbereitung (Prozessierung) der Larven erforderlich.
Für die Aufstellung der Sachbilanz der Lebenszyklusanalyse/Ökobilanz werden soweit möglich die in den oben beschriebenen Versuchen gewonnenen Ergebnisse ("Primärdaten") genutzt. Die Bewertung der Nährsubstrate stellt eine besondere Herausforderung dar, da es sich bei diesen um sogenannte Koppelprodukte handelt, die neben dem entsprechenden Hauptprodukt anfallen. Um diese bewerten zu können, bedarf es eines geeigneten Allokationsverfahrens, mit dem festgelegt wird, wie die Stoffströme und die damit verbundenen Umweltwirkungen zwischen Hauptprodukt und Koppelprodukt aufgeteilt werden. Für die Untersuchung alternativer Futtermittel sind vor allem die Wirkungen auf die globale Erwärmung/den Klimawandel, der Bedarf an Wasser, die Emissionen an versauernd und eutrophierend wirkenden Stoffen und die Inanspruchnahme landwirtschaftlicher Flächen relevant.
Neben den Umweltwirkungen werden auch ökonomische Kennzahlen berechnet. Die ökologischen und ökonomischen Berechnungen sind Grundlage für eine Szenarioanalyse zum möglichen Beitrag von Insektenprotein auf dem Proteinfuttermittelmarkt in Bayern und zu den damit verbundenen ökologischen Effekten. Die Szenarien berücksichtigen dabei auch die Verfügbarkeit der untersuchten Nährsubstrate.
Schematische Darstellung des Produktionssystems für Hähnchenfleisch auf Basis von Proteinfutter aus Insektenlarven
Ergebnisse
Die ersten Ergebnisse zeigen, dass die Mühlennebenprodukte Weizenkleie und Grießkleie zu 15% gegen Traubentrester, zu 30% gegen Kartoffeldampfschalen und zu 50% gegen eine Mischung aus Kartoffeldampfschalen und Traubentrester ersetzt werden konnten ohne das Larvenendgewicht und den Futteraufwand negativ zu beeinflussen. Aktuell werden die Futtermischungen und die geernteten Larven nährstofflich analysiert und die Larven werden in verschiedenen Prozessschritten entfettet. Mit weiteren Ergebnissen ist im Verlauf des Jahres zu rechnen.
Literaturquellen
- Ertl, P. (2016). The net contribution of dairy cows to human food supply and feeding industrial by-products as a potential strategy for improvement. Doctoral Thesis - University of Natural Resources and Life Sciences, Vienna.
- Flachowsky G., Meyer U., Südekum K. H. (2017). Land use for edible protein of animal origin – A review. Animals, 7(3), 25.
- Hartinger, K., Greinix, J., Thaler, N., Ebbing, M. A., Yacoubi, N., Schedle, K., & Gierus, M. (2021). Effect of Graded Substitution of Soybean Meal by Hermetia illucens Larvae Meal on Animal Performance, Apparent Ileal Digestibility, Gut Histology and Microbial Metabolites of Broilers. Animals, 11(6), 1628.
Projektinformationen
Projektleitung: Dr. Philipp Hofmann, Institut für Landtechnik und Tierhaltung, Arbeitsgruppe Geflügelhaltung
Laufzeit: 01.02.2023 bis 31.01.2024
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Projektpartner: Dr. Reinhard Puntigam, Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft, Arbeitsgruppe Schweinefütterung und Verbundberatung; Dr. Thomas Venus und Dr. Mathias Effenberger, Institut für Landtechnik und Tierhaltung, Arbeitsgruppe Technikfolgenabschätzung
Förderkennzeichen: E/22/02
Klimakammer zur Mast der Larven der Schwarzen Soldatenfliege
Kisten mit Larven der Schwarzen Soldatenfliege und Futtersubstrat in der Klimakammer
Futtermischanlage zum Mischen der Rationen
Trennung von Fraß und Larven der Schwarzen Soldatenfliege am Ende der Mast
Adulte Schwarze Soldatenfliegen
Larven der Schwarzen Soldatenfliege am Ende der Mast
Larven der Schwarzen Soldatenfliege mit Fraß
Larven der Schwarzen Soldatenfliege nach der Trennung von Fraß