Sensorik am Rind – Die Fitness-Uhr für die Kuh

Sensoren am Rind machen es dem Landwirt möglich, viel näher am Tier zu sein als dies in früheren Zeiten möglich war. Die Sensoren dienen als ergänzende Komponente, wenn es für den Tierhalter darum geht, das Wohl seiner Tiere sicherzustellen. Wir gehen der Sache auf den Grund, welchen Beitrag die marktverfügbare Sensorik für die Gesundheitsüberwachung, die Früherkennung von Kalbungen und das Fruchtbarkeitsmanagement leisten kann.

Hintergrund

Schon frühzeitig Bescheid wissen, wann die Kuh kalbt; alarmiert werden, wenn eine Kuh krank wird; die Brunst der Kuh auf dem Smartphone erkennen - Vieles davon ist in der Milchviehhaltung bereits Wirklichkeit. Sensoren machen es möglich.

Wie funktioniert’s?

Das Erfassen verschiedenster Werte am Tier ermöglicht es, Aussagen über den Gesundheitszustand, das Vorliegen einer Brunst oder eine bevorstehende Kalbung zu treffen. Der Markt für Sensorik am Rind ist mittlerweile groß und dynamisch. Gängige Sensorsysteme werden am Hals, am Fuß, im Ohr, oder am Schwanz des Rindes befestigt. Auch Boli zur Eingabe in den Pansen sind mittlerweile erhältlich. Diese Vielfältigkeit macht es möglich, je nach Sensorsystem, kontinuierlich unter anderem die Aktivität (z. B. Schrittzahl), Zeit des Wiederkauens, Fresszeit, Körpertemperatur, Anzahl an Trinkzyklen, pH-Wert im Vormagen und Pansenmotilität zu messen. Gibt es auffällige Abweichungen vom „Normalverhalten“ eines Tieres, so erhält der Landwirt eine Meldung. Doch wie gut funktioniert das wirklich? Wir gehen der Sache näher auf den Grund.

Schaubild

Funktionalität von Sensorik am Rind

Erste Ergebnisse

Brunsterkennung

Anfangs fokussierte sich der Einsatz der Aktivitätssensoren auf die Brunsterkennung. Im Zuge von mittlerweile vielen Jahren Einsatz in der Praxis und Optimierung kann bei der Mehrheit aller Systeme davon ausgegangen werden, dass die Funktion der Brunsterkennung als gut bis sehr gut einzustufen ist. Studien haben gezeigt, dass mit den Sensoren durchaus Brunsterkennungsraten von bis zu 95 % erreicht werden können. Neben der Erkennung der Brunst an sich vermitteln einige der Sensoren zusätzlich Empfehlungen zum optimalen Besamungszeitpunkt oder Hinweise auf das Vorliegen von Zysten.
Die Kosten klassischer Aktivitätssensoren liegen im Bereich von ca. 60 bis 160 € (netto) je Sensor, wozu je nach Betrieb und Ausstattung Kosten für die Basisausstattung (u. a. Antenne) von bis zu mehreren Tausend Euro kommen. Teils arbeiten Hersteller auch mit monatlichen Servicegebühren je Tier bzw. Sensor. Unsere Studien haben gezeigt, dass die Investition in Aktivitätssensoren allein durch die Funktion der Brunsterkennung bereits für die Mehrheit bayerischer Betriebe rentabel ist. Am Beispiel von Betrieben mit 70 und 210 Kühen der Rassen Fleckvieh (Milchleistungen 7000 und 9000 kg) und Holstein (Milchleistungen 9000 und 11000 kg) wurde klar, dass eine Investition in automatische Brunsterkennung für 74 bis 99 % der bayerischen Betriebe rentabel ist.
Kuh

Abruf von Aktivitäts- und Leistungsdaten einer Kuh über das Smartphone

zwei Kühe im Stall

Kuh mit Halsbandsensor zur Erfassung von Aktivität und Wiederkauen

Kuhbein mit Schnalle

Pedometer am Fuß einer Kuh zur Überwachung der Bewegungsaktivität

Früherkennung von Kalbungen

Schon frühzeitig Bescheid wissen, wann die Kuh kalbt – in der Rinderhaltung ist dies bereits möglich. Ermöglicht wird es auf zwei Wegen: Einerseits besitzen manche Sensorsysteme, die auch zur Brunsterkennung verwendet werden (u. a. Pansenbolus, Pedometer, Sensor am Halsband), zusätzlich die Funktion einer Früherkennung von Kalbungen, oder auch Überwachung des kalbenahen Zeitraums. Erkannt werden dabei, je nach Sensorsystem, der Rückgang der Körpertemperatur, eine Verminderung der Wiederkautätigkeit oder Änderungen in der Bewegungsaktivität des Tieres als typische Anzeichen im Vorfeld einer Kalbung. Andererseits wurden Sensoren entwickelt, deren Einsatz sich ausschließlich auf eine Früherkennung von Kalbungen fokussiert. Dabei wird sich beispielsweise zu Nutze gemacht, dass die Kuh das Bewegungsverhalten ihres Schwanzes wenige Stunden vor einer Kalbung ändert. Diese Sensorsysteme werden deshalb einige Tage vor dem errechneten Kalbetermin am Schwanz des Tieres befestigt.
Drei dieser Sensoren haben wir einem Praxistest unterzogen und näher unter die Lupe genommen.

Ein Anruf wenn das Kalb kommt pdf 382 KB

Kuh

Digitale Abkalbemeldesysteme

Gesundheitsüberwachung

Die kontinuierliche Erfassung von Parametern wie Aktivität, Wiederkauen oder Körperkerntemperatur ermöglicht es, Auffälligkeiten im Gesundheitszustand eines Tieres zu erkennen. Sensoren geben beispielsweise Hinweise auf eine Verminderung der Bewegungsaktivität, einen Rückgang des Wiederkauens oder Veränderungen der Körperkerntemperatur. Anhand einer kontinuierlichen Überwachung können Sensoren somit teils sogar auf Änderungen hinweisen, bevor diese für das menschliche Auge sichtbar bzw. erkennbar sind. Die Sensoren weisen den Landwirt darauf hin, auf welche Tiere ein gezieltes Augenmerk gesetzt werden muss, ersetzen aber keineswegs die Diagnose von Krankheiten durch einen Tierarzt. Es liegt nahe, dass das Potential der Sensoren insbesondere dann ausgeschöpft werden kann, wenn sich Krankheitsverläufe in einer Störung des Allgemeinbefindens eines Tieres niederschlagen (z. B. Fieber, Verminderung der Bewegungsaktivität, längere Liegezeiten).
LiniendiagrammZoombild vorhanden

Verlauf der Temperaturkurve und Aktivitätskurve

Potential von Sensoren
Erste Erfahrungen zeigen, dass das Potential von Sensoren zur Unterstützung bei der Gesundheitsüberwachung der Herde mitunter bei Milchfieber und Mastitis zum Tragen kommen kann. Teilweise kann von einer Früherkennung von Krankheiten gesprochen werden: Bei einem Einsatz von Sensoren im Rahmen unserer Versuche kamen Meldungen teils bereits einen Tag bevor die Erkrankung an klinischem Milchfieber visuell erkannt wurde. Bei der Erkrankung einer Kuh an einer klinischen Mastitis ist unter anderem der dafür verantwortliche Erreger entscheidend. Beispielsweise geht eine akute Mastitis oftmals mit Fieber einher, was mit einer kontinuierlichen Erfassung der Körperkerntemperatur durchaus zuverlässig zu erkennen ist (siehe Abbildung 7). Auch hier zeigt unsere Erfahrung, dass die Meldungen eines Sensorsystems teils mehrere Tage vor einer tatsächlichen Diagnose ausgegeben wurden, womit durchaus von einer Früherkennung von Krankheiten gesprochen werden kann.
Sensorsysteme können für Landwirte ein nützliches Hilfsmittel für das Gesundheitsmonitoring der Milchviehherde sein. Krankheitsverläufe sind jedoch tierindividuell und Symptomausprägungen unterschiedlich, weshalb ein zusätzliches visuelles Monitoring der Gesundheit der Herde durch den Landwirt unumgänglich ist.