Entlohnung der Arbeit in der bayerischen Landwirtschaft
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Der allgemeine gesetzliche Mindestlohn stieg seit dem 1. Oktober 2022 auf zwölf Euro brutto je Arbeitsstunde. In Deutschland ist dies die Lohnuntergrenze, die nicht unterschritten werden darf.
Seit seiner Einführung im Jahr 2015 mit 8,50 Euro/Stunde wurde der Mindestlohn pro Jahr um rund null bis vier Prozent erhöht. Die Steigerung im Jahr 2022 erfolgte in drei Schritten und ergab – ausgehend vom Niveau ab Juli 2021 von 9,60 Euro/Stunde – einen Anstieg um 25 Prozent.
Anstieg um 25 Prozent
Zoombild vorhanden
Grafik 1: Entwicklung des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland (Euro/Stunde brutto)
Die Tarifparteien in der Landwirtschaft – die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt und der Arbeitgeberverband für die Land- und Forstwirtschaft in Bayern e.V. – mussten auf diese Erhöhung reagieren. So war in dem Mitte Juni 2021 ausgehandelten Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft für die unteren Entgeltgruppen (= Arbeitskräfte für einfache und angelernte Arbeiten unter Anleitung) eine Entlohnung unterhalb des derzeit aktuellen Mindestlohns vereinbart worden. Auch der Abstand der Vergütung von ausgebildeten Fachkräften oder Personen mit Meisterprüfung zum gesetzlichen Mindestlohn ab Oktober 2022 war zu gering.
In dem neuen, seit 1. Oktober 2022 gültigen Entgelttarifvertrag wurden daher neben einer einmaligen steuer- und sozialabgabenfreien Inflationsausgleichsprämie von 350 Euro für ständige vollbeschäftigte Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen neue Bruttovergütungen vereinbart: So erhalten beispielsweise die unteren Entgeltgruppen 1 bis 2 zwischen 12,00 und 13,00 Euro/Stunde. Die ausgebildeten Arbeitnehmer mit Abschlussprüfung (Entgeltgruppe 4, Ecklohn) verdienen mindestens 15,00 Euro/Stunde brutto, die Meister, Techniker oder Betriebswirte (Entgeltgruppe 6 bis 8) erhalten, gestaffelt nach dem Grad der Verantwortung in ihrer Tätigkeit, 17,25 bis 22,50 Euro/Stunde Bruttolohn.
Sicht der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer
Für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in einem landwirtschaftlichen Unternehmen war die Erhöhung auch angesichts der steigenden Inflation notwendig. Nur mit einer angemessenen Bezahlung lassen sich die notwendigen Fachkräfte für die Landwirtschaft gewinnen und halten.
Sicht der Unternehmer und Unternehmerinnen
Für das landwirtschaftliche Unternehmen bedeutet die Erhöhung allerdings, dass die Personalkosten steigen und damit den Gewinn schmälern. Immerhin wurden laut Agrarstrukturerhebung 2020 von 123.000 AK-Einheiten (Arbeitskraft-Einheiten), die in Bayerns landwirtschaftlichen Betrieben betriebliche Arbeiten ausführen, rund 24 Prozent durch familienfremde Arbeitskräfte erledigt, die von den Unternehmern und Unternehmerinnen in der Landwirtschaft entlohnt werden müssen.
Die Höhe der Kosten hängt von der Ausgestaltung des Arbeitsvertrages ab. Ein Tarifvertrag berücksichtigt bei der Entlohnung die Ausbildung der Arbeitskraft sowie die Art und Verantwortung der Tätigkeit. Wichtig ist für die Unternehmerinnen und Unternehmer auch, wie hoch die effektiv gearbeiteten Jahresstunden (= bezahlte Jahresarbeit abzüglich Urlaubstage, Feiertage, Krankheitstage) der Arbeitskraft sind.
In Tabelle 1 sind beispielhaft die Kosten für das Unternehmen für fünf Entgeltgruppen bei einer effektiven Jahresarbeit von 1750 Akh (Arbeitskraft-Einheiten in der Stunde) für das Jahr 2023 kalkuliert. Nicht einbezogen in die Personalkosten sind außerordentliche Sonderzahlungen (zum Beispiel Inflationsausgleich¡prämie) oder Zuschläge (zum Beispiel für Nachtarbeit).
Tabelle 1: Kalkulationen für Personalkosten 2023 in der LandwirtschaftEntgeltgruppe | | "Hilfsarbeiten, max. 4 Monate im Betrieb" | "Facharbeiter" (Abschlussprüfung) | "Facharbeiter selbstständig mit Verantwortung" | "Meister" | "Meister in verantwortlicher Tätigkeit" |
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Stundenlohn | € | 12,00 | 15,00 | 15,75 | 17,25 | 18,75 |
Monatslohn | € | 2.088 | 2.610 | 2.741 | 3.002 | 3.263 |
Tarifliches Urlaubs-/Weihnachtsgeld, anteilig je Monat | € | 40 | 40 | 40 | 40 | 40 |
Monatslohn inkl. anteil. Urlaubs-/Weihnachtsgeld | € | 2.128 | 2.650 | 2.780 | 3.041 | 3.302 |
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Kosten Arbeitgeber (€) | | | | | | |
Monatslohn inkl. anteil. Urlaubs-/Weihnachtsgeld | € | 2.128 | 2.650 | 2.780 | 3.041 | 3.302 |
Rentenversicherung (9,3 %) | € | 198 | 246 | 259 | 283 | 307 |
Arbeitslosenversicherung (1,3 %) | € | 28 | 34 | 36 | 40 | 43 |
Krankenversicherung (7,3 % + 0,8 %) | € | 172 | 215 | 225 | 246 | 267 |
Pflegeversicherung (1,525 %) | € | 32 | 40 | 42 | 46 | 50 |
Umlage Lohnfortzahlung (2,6 %)/Mutterschutz(0,58 %)**** | € | 68 | 84 | 88 | 97 | 105 |
Insolvenzumlage (0,06 %) | € | 1 | 2 | 2 | 2 | 2 |
Summe je Monat | € | 2.627 | 3.271 | 3.432 | 3.755 | 4.077 |
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Gesamtkosten je Jahr | € | 10.507 | 39.256 | 41.189 | 45.056 | 48.923 |
bezahlte Jahresarbeitsstunden | € | 696 | 2088 | 2088 | 2088 | 2088 |
Gesamtkosten je bezahlter Stunde | € | 15,10 | 18,80 | 19,73 | 21,58 | 23,43 |
gearbeitete Jahresarbeitsstunden | € | 583 | 1750 | 1750 | 1750 | 1750 |
Gesamtkosten je gearbeiteter Stunde | € | 18,01 | 22,43 | 23,54 | 25,75 | 27,96 |
Quellen: Rahmentarifvertrag für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft, gültig ab 01.05.2018
Entgelttarifvertrag für Arbeitnehmer in der Land- und Forstwirtschaft Bayern vom 12.10.2022, gültig 01.10.2022
eigene Berechnungen
Betriebsinhaber und ihre Familienangehörige leisten überwiegenden Teil der betrieblichen Arbeit
Den überwiegenden Teil – über 76 Prozent – der betrieblichen Arbeit in der Landwirtschaft in Bayern erledigen laut Agrarstrukturerhebung allerdings noch die Betriebsinhaber und ihre Familienangehörige, die sich aus dem betrieblichen Gewinn entlohnen müssen. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen, dass der Gewinn nicht allein für die Arbeitsentlohnung der Familie zur Verfügung steht. Zumindest das Eigenkapital, das in das Unternehmen investiert wurde, sollte aus dem Gewinn verzinst werden.
Aus dem bayerischen Testbetriebsnetz, das von der Arbeitsgruppe "Landwirtschaftliches Rechnungswesen, Testbetriebsbuchführung, Buchführungsauswertung" am Institut für Agrarökonomie verwaltet und ausgewertet wird, wurden für verschiedene Betriebsschwerpunkte das ordentliche Ergebnis (zeitraumechter Gewinn), die nicht-entlohnten Familienarbeitskräfte und das Eigenkapital der landwirtschaftlichen Betriebe ermittelt.
Bei einer unterstellten Verzinsung des Bodenvermögens im Eigentum von einem Prozent und des sonstigem Eigenkapitals im Betrieb von 3,5 Prozent sowie angenommenen Jahresarbeitsstunden von 2300 Akh je Familienarbeitskraft lässt sich die Arbeitsentlohnung der "Familienarbeit" je Stunde im landwirtschaftlichen Betrieb darstellen.
Grafik 2: Entlohnung der Familien-Akh (Arbeitskraft-Einheit in der Stunde) nach Betriebsschwerpunkten – Durchschnitt der Betriebe
Aus der Grafik 2 ist zu entnehmen, dass im Durchschnitt der letzten vier Jahre, außer bei den Schweinemast- und Milchviehbetrieben, nicht einmal der gesetzliche Mindestlohn für die Familien-Akh zu erzielen war. Lediglich im abgelaufenen Wirtschaftsjahr konnte, mit Ausnahme bei den Ferkelerzeugern, eine Arbeitsentlohnung zwischen 11,60 und 14,70 Euro/Akh erreicht werden. Da der Mindestlohn im Tarifvertrag nur für Entgeltgruppen vorgesehen ist, die Arbeiten ausführen, die weder eine Berufsausbildung noch eine Anlernzeit erfordern und nach kurzer Einarbeitungszeit ausgeübt werden können, sind die Ergebnisse der Betriebe unbefriedigend.
Lediglich das obere Viertel der Betriebe konnte im Vier-Jahres-Durchschnitt und im abgelaufenen Wirtschaftsjahr, wieder mit Ausnahme der Ferkelerzeugerbetriebe, einigermaßen akzeptable Arbeitsentlohnungen vorweisen (siehe Grafik 3).
Grafik 3: Entlohnung der Familien-Akh nach Betriebsschwerpunkten – oberes Viertel der Betriebe
Ansprechpartnerin
Irene Faulhaber
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Agrarökonomie
Menzinger Straße 54
80638 München
Tel.: +49 8161 8640-1207
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de