Grünland ist nicht gleich Grünland
In Bayern gibt es 1,06 Millionen Hektar Dauergrünland, das macht rund 34 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus. Allerdings sind die Unterschiede zwischen extensiv und intensiv genutzten Flächen groß: Während auf nicht oder nur wenig gedüngten und eher selten gemähten Wiesen 40 und mehr Pflanzenarten vorkommen können, wachsen auf intensiv bewirtschaftetem Grünland nur zehn bis 20 Arten. Wenn Wiesen also immer stärker gedüngt und immer früher und öfter gemäht werden, hat das nicht nur auf unser Landschaftsbild und das Trinkwasser enorme Auswirkungen, sondern auch auf die Artenvielfalt.
Leider nimmt die Intensivierung der Grünlandnutzung weiter zu, zusätzlich wird Grünland umgebrochen und zum Beispiel für den Maisanbau genutzt. Sowohl der hohe Flächenanteil als auch der Artenreichtum machen extensiv genutztes Grünland zu einem Schlüsselbiotop, wenn es um die Erhaltung der Biodiversität geht. Der entscheidende Faktor für den Schutz der Biodiversität im Grünland sind die Landwirte selbst. Sie müssen für den Erhalt ihrer artenreichen Grünlandflächen oder sogar für eine Artenanreicherung gewonnen werden. Das funktioniert nur, wenn die Landwirte von einer angepassten Nutzung ihrer Grünlandbestände überzeugt werden können.
Wissen was wächst – Grünlandmonitoring Bayern
Um Entwicklungen und Veränderungen unter anderem durch den Klimawandel oder Förderprogramme im Grünland zu erkennen, musste zuerst der Zustand von Bayerns Wiesen und Weiden erfasst werden. Seit dem Start des Grünlandmonitoring Bayern 2002 liegen mittlerweile grundlegende Daten zur Vegetation des bayerischen Grünlandes vor. Auf über 6.000 verschiedenen Grünlandflächen wurde die Vegetation auf jeweils 25 Quadratmetern genau betrachtet und eine Liste aller Arten und ihres geschätzten Ertragsanteils erstellt. Untersucht wurden intensiv und wenig intensiv genutzte Wiesen und Weiden von den Alpen bis zum Frankenwald.
Ergebnisse
So wissen wir jetzt, dass im bayerischen Grünland über 800 verschiedene Pflanzenarten vorkommen, durchschnittlich sind es jedoch nur 20 Arten auf 25 Quadratmeter. Das häufigste Gras ist nicht wie vermutet das Weidelgras, sondern der Wiesenfuchsschwanz. Dazu gesellt sich als häufigstes Kraut der Löwenzahn, der auf oft geschnittenen Wiesen im Frühjahr noch zum Blühen kommt.
Grünlandfläche ist grün
Die Ergebnisse bestätigen auch für Bayern: Der größte Teil der Grünlandfläche ist in erster Linie grün, da die meisten Kräuter die häufigen Schnitte und die intensive Düngung nicht vertragen. Auch der Zusammenhang zwischen steigender Nutzungsintensität und sinkender Artenzahl konnte bestätigt werden: Auf 20 Prozent des Dauergrünlandes in Bayern gibt es noch artenreiche Bestände mit mindestens 25 Arten auf 25 Quadratmetern. Hier ist der Kräuteranteil höher und die Flächen zeigen einen bunten Blühaspekt. Die Blütenfarben können tatsächlich ein Hinweis für Artenreichtum sein.
2. Durchgang
Die Daten des Grünlandmonitoring Bayern bilden inzwischen die Grundlage für zahlreiche Auswertungen und für die Weiterentwicklung der Agrarumweltprogramme. Die Ergebnisse eines zweiten Durchganges des Grünlandmonitorings zeigen die Erfolge der Maßnahmen. So sind Flächen, die in Agrarumweltprogrammen gefördert wurden, artenreicher als nicht geförderte, und die langfristige Teilnahme an den Programmen führte zu einer zusätzlichen Zunahme der Artenzahl.
Artenreiches Grünland erkennen, erhalten, nutzen und wiederherstellen – nur gemeinsam mit den Landwirten
Die Daten des Grünlandmonitorings dienten auch der Entwicklung einer Kennartenliste für artenreiches Grünland, nach der seit 2015 die Erhaltung artenreicher Grünlandflächen im Rahmen des Kulturlandschaftsprogramms gefördert wird. Die Kennarten dienen als Indikatoren für Artenvielfalt. Als Kennarten wurden typische Grünlandarten wie Margerite, Hornklee, Wiesenpippau und Flockenblume ausgewählt. Sie deuten naturschutzfachlich auf artenreiche und besonders wertvolle Pflanzengesellschaften hin.
Neben der Eigenschaft, auf artenreichem Grünland vorzukommen, sollten die Kennarten auch während der Blütezeit auffällig und leicht erkennbar sein, sodass auch ein Laie die in der Fläche vorkommenden Arten in einem farbigen Katalog finden kann. Hauptakteur und wichtigster Faktor bei allen Maßnahmen zu Erhalt und Wiederherstellung artenreicher Grünlandflächen und damit einer Erhöhung der Biodiversität in der Fläche ist der Landwirt. Er muss überzeugt und für das Thema Biodiversität gewonnen werden.
Erfolgsprämie für die Artenvielfalt
Um die Landwirte besser einzubinden, wurde beim Kulturlandschaftsprogramm (KULAP), anders als bei den bisherigen Programmen, eine ergebnisorientierte Vergütung festgelegt. Es werden keine Maßnahmen wie Düngeverzicht oder Mahdtermine vorgegeben. Ausschließlich das Ergebnis zählt und wird entsprechend honoriert. Auf der Fläche müssen lediglich vorgegebene Kennarten nachgewiesen werden, um die Förderung zu erhalten. Vorteil ist, dass der Landwirt selbstständig und ohne Einschränkungen oder starre Termine eine für den Schlag angepasste Bewirtschaftung durchführen kann. Es liegt damit in der Verantwortung des Landwirtes, dass das Ergebnis in Form des Artenreichtums erreicht und erhalten wird.
Biodiversität selbst gemacht – Artenanreicherung durch Mahdgutübertragung
Da viele Wiesenarten ihre Samen nur über geringe Distanzen verbreiten, funktioniert die Wiederherstellung des Artenreichtums alleine durch die Verringerung der Nutzungsintensität oft nicht. Kommen zusätzliche Arten nicht in der direkten Nachbarschaft vor und sind keine Samen der Arten mehr im Boden, entstehen extensiv genutzte Wiesen, die trotzdem artenarm sind. In Bayern gibt es ungefähr 100.000 Hektar solcher Flächen. Sie können durch das aktive Einbringen von Samen wieder mit Arten angereichert werden. Im Projekt „Transfer“ wurde ein Praxisleitfaden entwickelt, der Landwirte zur Artenanreicherung durch Mahdgutübertragung oder Ansaat auf Wirtschaftsgrünlandflächen mit landwirtschaftlichen Geräten anleitet. Vor allem die Mahdgutübertragung, bereits in vielen Renaturierungsprojekten bestens erprobt, hat sich als kostengünstige und weitgehend vom Landwirt selbständig durchführbare Methode herausgestellt.
Schlaue Bauern füttern artenreich – die Wiesenmeisterschaft
Bei den Landwirten beliebt und außerdem sehr öffentlichkeitswirksam ist die jährlich ausgetragene bayerische Wiesenmeisterschaft. Sie wird gemeinsam von der LfL und dem BUND Naturschutz in Bayern veranstaltet und findet seit 2009 jedes Jahr in einer anderen Region Bayerns statt. Bei dem Wettbewerb werden die schönsten, artenreichen und zugleich landwirtschaftlich genutzten Wiesen gesucht. Für die besten Flächen gibt es wertvolle Preise, die Preisverleihung findet öffentlich und in einem feierlichen Rahmen statt. Die Initiative macht die Leistungen der Bäuerinnen und Bauern für den Erhalt der Kulturlandschaft bewusst und zeigt auch, dass nur eine standortangepasste Nutzung artenreiche Wiesen als Lebensraum für Pflanzen und Tiere bewahren kann. Wiesenmeister nutzen den Aufwuchs artenreicher Wiesen und Weiden sinnvoll und erbringen damit gleichzeitig wichtige Leistungen für die Gesellschaft. Dies ist auch ein Beleg dafür, dass sich in vielen Fällen landwirtschaftliche Erzeugung und Artenvielfalt verbinden lassen.