Tierzüchtung
Zuchtwertschätzung für Anomalien

Die heute durchgeführte Zuchtwertschätzung für Anomalien löste im Jahr 2013 das alte System der Anomalienprüfung ab. Basierend auf Daten aus den LKV-Sauenplanern wird ein Anomalienwert geschätzt.

Dabei werden Umwelteinflüsse und auch die Verwandtschaft zwischen Ebern berücksichtig. Mithilfe des Anomalienwerts kann die Anomalienvererbung der Eber sehr gut eingeschätzt werden.

Piétrain: Alle Prüfeberwürfe werden berücksichtigt

Die Erfassung der Anomalien wird durch das LKV Bayern dadurch unterstützt, dass Prüfeber durch den Namenszusatz ‚PE‘ gekennzeichnet werden. Die Ringberater der Fleischerzeugerringe erfassen die in solchen Würfen beobachteten Anomalien. Sie dokumentieren auch, wenn Würfe frei von Anomalien sind. Die Prüfeber werden gekennzeichnet, bis beim LKV mindestens 40 Würfe mit Erfassung vorliegen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass für jeden Eber 45 bis 50 Würfe mit Anomalienerfassung vorliegen.
KreisdiagrammZoombild vorhanden

Abbildung 1: Verteilung der Anomalien bei den betroffenen Ferkeln

Eine aktuelle Auswertung zeigt, dass im Jahr 2019 etwa 25.000 Würfe als Prüfeberwürfe gekennzeichnet waren. Bei fast 35 Prozent der Würfe wurde eine Anomalienerfassung durchgeführt. Leider ist die Bereitschaft zur Mitarbeit an dieser Leistungsprüfung nicht in allen Fleischerzeugerringen gleich hoch. Ringen mit Anteilen von 80 Prozent und mehr erfassten Würfen stehen Ringe gegenüber, in denen nur das nötigste getan wird, d.h. es wird nur vermerkt, wenn in einem Wurf tatsächlich Anomalien beobachtet wurden. Der Anteil der Würfe mit Erfassung wird aber auch dadurch etwas abgesenkt, dass die Ringberater eine Vorselektion der Daten (Angaben zum Vater des Wurf, beobachtete Anomalien) vornehmen. Das ist ein wichtiger Beitrag zur Verbesserung der Datenqualität. Im Durchschnitt wurden in 13,6 Prozent der Würfe Anomalien beobachtet. Der Wert dürfte aufgrund der oben genannten regionalen Schwächen in der Erfassung etwas überschätzt sein. Gleiches gilt für den Anteil der von einer Anomalie betroffenen Ferkel, der bei 1,5 lag. Abb. 1 zeigt, dass Hodenbruch mit 36,4 Prozent die am häufigsten auftretende Anomalie war. Dann folgten nicht auffindbare Hoden (32,9 Prozent) und Grätschen (22,0 Prozent). Besonders selten waren Nabelbruch, Afterlosigkeit und Zwitter.

Wirtschaftliche Bedeutung der Anomalien

Um Anomalien auf züchterischem Wege erfolgreich bekämpfen zu können, muss der wirtschaftliche Schaden möglichst genau beziffert werden. Basierend auf Durchschnittspreisen wurde z.B. für Afterlosigkeit ein Schaden von 50 € ermittelt: Afterlosigkeit führt zu einem Totalverlust des Ferkels, so dass der Wert des Ferkels (Preis für ein Systemferkel: 35 €) sowie die Kosten für die Einschläferung (15 €) angesetzt werden müssen.
Im nächsten Schritt wurden wirtschaftliche Gewichte für die Anomalien abgeleitet. Dabei wurden die Häufigkeiten der einzelnen Anomalien sowie deren wirtschaftlicher Schaden berücksichtigt. Die Berechnungen ergaben, dass man den wirtschaftlichen Schaden durch Anomalien am effektivsten reduziert, wenn man das Gewicht vor allem auf Hodenbruch und Nicht auffindbare Hoden legt.

Zuchtwertschätzung für Anomalien

Es wird angenommen, dass Anomalien einem Erbgang unterliegen, an dem viele Gene beteiligt sind. Anomalien sind demnach, wie z.B. auch die Merkmale der Mast- und Schlachtleistung, als polygene Merkmale zu betrachten. Umwelteinflüsse können somit eine große Rolle spielen. Untersuchungen des ITZ zeigten, dass Anomalien nur zu einem geringen Teil erblich sind. Das bedeutet, dass auch andere Faktoren wie z.B. die Anzahl der Ferkel im Wurf, die Wurfnummer, die Haltungsumwelt und die Jahreszeit das Auftreten von Anomalien beeinflussen. Der Anomalienwert wird so standardisiert, dass der mittlere Anomalienwert der Basistiere (zwei- und dreijährige Eber) 0 beträgt. In seiner Definition ähnelt der Anomalienwert dem Produktionswert, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass er sich auf einen Wurf und nicht auf ein Mastschwein bezieht:
Der Anomalienwert eines Ebers entspricht dem zusätzlichen Gewinn pro Wurf, der bei Verwendung dieses Ebers gegenüber einem durchschnittlichen Eber erzielt wird.

Mutterrassen

Bei Deutschem Edelschwein und Deutscher Landrasse gehen Daten sowohl aus den EGZH-Betrieben als auch den LKV-Betrieben mit Eigenremontierung ein. Es sind deutlich weniger Würfe von Anomalien betroffen als bei Piétrain. Während der Anteil bei Piétrain jedoch überschätzt sein dürfte, liegt bei den Mutterrassen die Vermutung nahe, dass die Erfassung der Anomalien noch unvollständig ist.
Die Zuchtwertschätzung für Anomalien sowie die anschließende Berechnung des Anomalienwerts wird wie bei der Rasse Piétrain durchgeführt. Der Anomalienwert wird getrennt für Landrasse- und Edelschwein-Eber standardisiert. Damit sind die Anomalienwerte von DE-Ebern und DL-Ebern nicht miteinander vergleichbar!

Veröffentlichung und ‚Bewertung‘ des Anomalienwerts

Logo Qualitätssiegel geprüfte Eber LfL

Abbildung 2: Qualitätssiegel für geprüfte Eber

Die Zuchtwertschätzung für Anomalien wird monatlich durchgeführt. Der Anomalienwert eines Ebers wird ab einer Sicherheit von 35 Prozent veröffentlicht. Sobald eine Sicherheit von 55 Prozent erreicht ist, wird der Anomalienwert zusätzlich zum Gesamtzuchtwert als Kriterium für die Vergabe des Labels herangezogen. Vom Institut für Tierzucht wird für Eber, die in der Mast-und Schlachtleistung überdurchschnittlich sind und in der Anomalienvererbung zu den besten 66 Prozent gehören, ein Qualitätssiegel vergeben (Abb. 2).
Stand: Mai 2020