Hornstatusnachprüfung bei den Kühen

Kopf eines Kalbes wird abgetastet

Die Nachprüfung erfolgt durch gründliches Abtasten der Hornlosstellen.

Bei allen Kälbern mit mindestens einem natürlich hornlosen Elternteil registriert das LKV in ihren Mitgliedsbetrieben den Hornstatus hornlos oder gehörnt mit dem zutreffenden Genotyp. Doch während der Entwicklung bis zur Jungkuh und gelegentlich auch noch darüber hinaus, treten bei einem Teil der hornlos geborenen Rinder Veränderungen an den Hornlosstellen auf, welche durch Meldung des Milchviehhalters an den Leistungsoberprüfer zu berichtigen sind.

Als vor über 30 Jahren die ersten natürlich hornlosen Kalbinnen von Fleckvieh-Fleisch-Besamungsbullen, welche aus der gezielten Hornloszüchtung der staatlichen Mutterkuhherden von Schwaiganger hervorgingen, am Staatsgut Grub abkalbten, war dies ein bedeutender Entwicklungsschritt des Bayerischen Zuchtversuches auf Hornlosigkeit bei Fleckvieh.
Ein besonderes Augenmerk wurde in den Folgejahren auf die Aufdeckung der Vererbung der Hornlosigkeit gelegt. Dies war eine schwierige Aufgabe, zumal es historisch verschiedene Vererbungshypothesen gab. Zugleich traten damals wie heute neben der reinen Hornlosigkeit Nebenformen auf wie Wackelhornansätze in verschiedenen Größen von der Kruste bis zu stattlichen Wackelhörnern (WH), welche stark oder nur leicht wackelten, und kleine rundliche Erhebungen, die sogenannten Stirnbeulen. Außerdem war bei den hornlosen Kühen zu beobachten, dass die obere Kopfform von kantig gerade, rundlich bis hin zu spitz und sehr spitz variierte.

Heute können die auftretenden Nebenformen und seltenen Phänomene auf der Grundlage des untersuchten Hornlosgenotyps am P-Locus deutlich differenzierter eingestuft werden, als dies noch vor über einem Jahrzehnt möglich war. Denn über den separaten Gentest für Hornlosigkeit als auch als Zusatzinformation der Genomischen Selektion (GS) ist der exakte Hornstatusgenotyp PP / Pp / pp von immer mehr Zuchttieren bekannt. Die Laborergebnisse werden dabei mit einem Stern hinter dem Genotyp ausgewiesen. Nach wie vor gibt es keinen Gentest für Wackelhörner, so dass die phänotypische Feststellung und anschließende Hornstatusberichtigung im Herdbuch maßgeblich ist.
In der Milchviehversuchsherde der Bayerischen Staatsgüter (BaySG) in Grub werden in einer jährlichen Hornstatusnachprüfung von den natürlich hornlosen Kühen die Beschaffenheit der Hornansatzstellen untersucht und das Auftreten und die Entwicklung von Stirnbeulen und Wackelhörnern verfolgt. Daraus ergeben sich Hinweise für die Praxis zur Deutung der auftretenden Erscheinungen im eigenen Bestand und zur korrekten Meldung von Wackelhornansätzen.

Stand der Verbreitung der natürlichen Hornlosigkeit

Die Hornloszucht hat in den letzten Jahren in der Milchviehhaltung bei den Rassen mit vorhandenen Hornloslinien einen deutlichen bis starken Aufschwung erfahren. Aufgrund dieser positiven Entwicklung im Sinne des Tierwohls können immer mehr herkömmliche Enthornungen reduziert werden, was zunehmend zu einer willkommenen Arbeitseinsparung beiträgt.
BalkendiagrammZoombild vorhanden

Hornlosigkeit in der Milchviehhaltung in Bayern bei Fleckvieh, Holsteins und Braunvieh.

In der Grafik ist der Anteil der lebenden natürlich hornlos registrierten Tiere bei Fleckvieh, Holsteins und Braunvieh in den Mitgliedsbetrieben des LKV Bayern zum Stand Mai 2022 dargestellt. Das Jungvieh umfasst dabei alle hornlosen weiblichen Tiere von Geburt bis vor dem ersten Abkalben. Bei Fleckvieh spiegelt ein deutlicher jährlicher Anstieg bei den Kühen und beim Jungvieh seit 2016 zeitlich verzögert die enorme Ausweitung des hornlosen Bullenangebotes an den bayerischen Stationen und die beträchtlichen Einsatzzuwächse in den Milchviehbetrieben wider. Erstmals ist mit 77010 hornlos registrierten Kühen mehr als jede 10. MLP-Kuh und gut jedes 5. weibliches Jungtier natürlich hornlos. Die Entwicklung bei den Holsteins zeigt mit der Ausweitung auf 8,2 Prozent hornlose Kühe (n= 8218) und 15,5 Prozent hornlosem Jungvieh ebenfalls einen deutlich positiven Trend. Bei Brown Swiss konnte mit einem hornlosen Kuhanteil von 3,8 Prozent das bisher höchste Ergebnis erzielt werden (n= 3783).
In der Milchviehversuchsherde der BaySG in Grub sind derzeit 80 FV-Milchkühe natürlich hornlos gezüchtet. Von den hornlosen Kühen sind 21 Prozent homozygot PP / PP* und 79 Prozent heterozygot hornlos. Es werden die hornlosen und auch die gehörnten Bullen in ihrer Linienvielfalt und von allen Stationen eingesetzt, so dass die nachfolgend dargestellten Ergebnisse auf die vorhandene FV- Hornlospopulation annähernd übertragen werden können. In der Hornstatusprüfung werden alle hornlosen Kälber und Kühe in Grub mit einem speziellen Einstufungsschema, das die linke und rechte Hornlosstelle getrennt erfasst, einheitlich codiert.

Sauber hornlos

Kuhkopf mit sauberen glatten HornlosstellenZoombild vorhanden

Kuh mit sauberen glatten Hornlosstellen, Hornstatus PP*

Findet man in der Hornstatusnachprüfung bei den Kühen bei gründlichem Abtasten der Hornlosstellen keinerlei Wackelhornansätze in Form von Krusten oder Wackelhörnern sowie keine rundlichen Erhebungen (Stirnbeulen) vor, so ist das Tier „sauber hornlos“. Ein Teil dieser Kühe zeigt darüber hinaus eine besonders glatte reine Oberfläche ohne jegliche knöcherne Erhebung, so dass man mit dem Finger in einer gefühlten Rille in Richtung Kopfspitze gleiten kann.
Es liegt auf der Hand, dass alle sauber hornlosen Kühe auch bei der Überprüfung als Kalb in der Einstufung eindeutig hornlos waren.
Über viele Jahre haben wir in den Hornstatusprüfungen festgestellt, dass entgegen früherer Vererbungsmodelle homozygot (reinerbig) hornlose FV-Rinder keine Krusten oder WH ausbilden. Dies bestätigen auch wieder die Auswertungen bei den Kühen der Gruber Herde mit Hornlosstatus PP und PP*, selbst wenn der Vater und die Mutter WH besitzen. Homozygot hornlose Kühe haben nicht nur sehr reine Hornlosstellen, sondern bringen darüber hinaus bei Anpaarung an gehörnte Bullen fast ausschließlich hornlose Nachkommen zur Welt. Nur in einer äußerst seltenen Konstellation ist ein gehörnter Nachkomme möglich.
Von den heterozygot (mischerbig) hornlosen Kühen war mit 53,5 Prozent etwas mehr als jede 2. Kuh sauber hornlos.

Stirnbeulen erschweren die Ersteinstufung

Stirnbeule einer hornlosen Kuh mit deutlicher KrusteZoombild vorhanden

Hornlose Kuh mit deutlicher Kruste auf einer großen Stirnbeule, Hornstatus PS.

Eine Stirnbeule ist eine halbkugelförmige Erhebung auf den Kopfstellen des Hornaustritts bzw. auf den Hornlosstellen bei hornlosen Rindern. Da sie gelegentlich bereits bei den jungen Kälbern auftritt und dabei meist als winzige Erhebung fühlbar ist, kann die Abgrenzung zu einem noch sehr kleinen Hornansatz bei der Enthornungsentscheidung Probleme bereiten. Denn eine kleine Stirnbeule (Stb1) ist nicht zu enthornen. Hilfreich ist hierbei: Die Stirnbeule ist im Gegensatz zu Hornansätzen mit Haut und Haaren überzogen, während Hörner, wenn man die Haare bei Seite schiebt, rosa durchscheinen. Ist man sich dennoch nicht sicher, sollte das Kalb notiert und der fragliche Ansatz in 2 bis 4 Wochen innerhalb des Enthornungszeitraums von 6 Wochen nachkontrolliert werden: Während ein Hornansatz in dieser Zeit im Regelfall merklich herauswächst, bleibt die kleine Stirnbeule annähernd gleich groß.
Stirnbeulen zählen nicht zu den Wackelhornansätzen und verändern bei alleinigem Auftreten den bestehenden Hornstatus nicht. Sie sind eine nicht störende Nebenerscheinung der Rinder, welche keinen Einfluss auf den züchterischen Wert des Tieres ausüben. Deshalb wurden sie in der Vergangenheit wenig thematisiert.
In äußerst seltenen Fällen besitzt ein hornloses Kalb nach der Geburt bereits große Stirnbeulen (Stb2) von ca.1 cm Höhe, welches sich von einem gewöhnlichen Hornansatz nur aufgrund des Hautüberzuges und einer Behaarung darauf unterscheidet. Ein solches Tier mit Gentestergebnis Pp* steht derzeit in Beobachtung zur Überprüfung, ob die bereits vom Kalb weg sehr großen Stirnbeulen in reiner Form bestehen bleiben, oder ein Herauswachsen eines WH erfolgt oder sogar die Ausbildung eines festen Ansatzes möglich ist.
Bei ausgewachsenen Rindern reicht die kleine Stirnbeule (Stb1) von 0,5 cm bis weniger als 2 cm und die große (Stb2) ab 2 cm bis zu 4,5 cm. Sie wird auch als Vorstufe zur Wackelhornausbildung angesehen, da sich im Laufe des Aufwachsens und gelegentlich noch darüber hinaus darauf eine Kruste als auch ein WH bilden kann.
In der Herde der BaySG Grub konnte bei den homozygot hornlosen Kühen keine klassischen Stirnbeulen festgestellt werden, obwohl diese auch bei PP-Tieren möglich sind. Ein anderes Bild zeigt sich bei den heterozygot hornlosen Kühen (Status Pp / Pp*): 21 Prozent besaßen einseitig oder beidseitig eine kleine und in selteneren Fällen eine große Stirnbeule ohne weitere Nebenformen, so dass der ursprüngliche Status seine Gültigkeit behielt. Bei 8 Prozent war eine Kruste auf der Stirnbeule und zu 11 Prozent einseitig oder beidseitig ein kleines WH darauf feststellbar. In den beiden letztgenannten Gruppen wurde der Status auf PS / P*S abgeändert.

Krusten und Wackelhörner

Kuhkopf mit einem gut beweglichen WackelhornZoombild vorhanden

Kuh mit einem gut beweglichen Wackelhorn von 5 cm Länge und einer abgescheuerten flachen Wackelhornplatte, Hornstatus P*S.

Treten bei einem natürlich hornlosen Rind fingernagelgroße Krusten an den Hornlosstellen auf, erfolgt die Kennzeichnung anstelle von Pp / Pp* genauso wie beim Vorhandensein von WH mit PS / P*S.
Im Mittel der letzten 4 Jahre hatten 22 Prozent aller heterozygoten Kühe der Herde Wackelhornansätze (Spanne 20 – 25 Prozent) in Form von Krusten oder Wackelhörner. Mit Ausnahme von zwei Kühen mit deutlich längeren WH variierten alle anderen von 0,5 bis 6cm und bereiteten keine Probleme. Bei diesen Kühen wurde der Hornstatus auf PS oder - falls GS-Werte vorlagen - auf P*S berichtigt.
In den Milchviehbetrieben findet die Hornstatusnachprüfung bei den natürlich hornlosen Kühen dagegen noch wenig Bereitschaft. So liegt der Anteil der beim LKV registrierten Kühe mit PS und P*S von allen FV MLP-Betrieben lediglich bei 1 Prozent. Ähnlich verhält es sich bei Braunvieh. Da auf den Zuchtbescheinigungen auch der registrierte Hornlosstatus des Zuchttieres und seiner Vorfahren ausgewiesen wird, sollte die Nachprüfung bei der Jungkuh viel mehr Beachtung erfahren und nachgebildete Wackelhörner inclusive Kruste(n) oder in Ausnahmen normal ausgebildete Hörner dem LOP zur Berichtigung gemeldet werden.
Das Monitoring ergab in einigen Fällen, dass vor allem kleinere Wackelhornansätze sich bis zur Überprüfungswiederholung verkürzten. Es ist anzunehmen, dass Kühe beim Scheuern mit dem Kopf kleinere Wackelhörner abreiben können (siehe Foto 4).

Bestimmte Bullen vererben saubere Hornlosstellen

Aus der breiten Palette der eingesetzten Besamungsbullen fallen Vererber auf, welche als Väter und Mutters-Väter an den Hornlosstellen ihrer wbl. Nachkommen besonders glatte makellose Oberflächen erzeugen.
Aus der Malf-Linie scheint der gehörnte Bulle Manitoba die Ausbildung der beschriebenen Nebenformen zu unterdrücken und die Hornloszucht dadurch zu unterstützen. Seine Söhne Manton (gehörnt) und vor allem Mungo Pp führen in hohem Maße zu „reinen Köpfen“ bei den hornlosen Nachkommen. Obwohl die Ausbildung von Wackelhornansätzen bei den heterozygot hornlosen männlichen Tieren generell deutlich häufiger auftritt als bei den weiblichen, sind von den 8 von KB-Stationen eingestellten heterozygot hornlosen Mungo Pp -Söhnen 7 als Pp registriert. Lediglich ein Sohn wurde wegen einer Kruste mit PS gekennzeichnet. Es ist nicht auszuschließen, dass bei Mungo Pp zusätzlich der hornlose mütterliche Red-Holstein-Einfluss das Auftreten von Wackelhornansätzen unterdrückt.
Sein bedeutendster Sohn Mahango Pp bestätigt die Beobachtung bei seinen eingestellten Söhnen (von 48 heterozygoten sind 44 Pp* / lediglich 4 P*S) genauso wie der Mungo-Sohn Mupfel Pp (von 8 heterozygoten KB-Bullen sind 7 Pp*/ lediglich 1 P*S).
Auf der weiblichen Seite ergab sich das gleiche Bild: Die in der Gruber Herde untersuchten Hornlosstellen von Töchtern und weiteren wbl. Nachkommen obiger Bullen zeigten ein Auftreten von weit überdurchschnittlich vielen sauber hornlosen glatten Stellen.
Darüber hinaus stehen noch einige wenige weitere Bullen in Beobachtung, welche bei ihren Töchtern überdurchschnittlich reine Hornlosstellen verursachten. Diese sind aufgrund der zu geringen Töchter-Zahlen jedoch nicht ausreichend abgesichert.