Praxisinformationen
Zuchtwertschätzung für Exterieurmerkmale
Tierbeurteilung spielt schon seit dem Beginn der Tierzucht eine wichtige Rolle. Aus dem anfänglichen Formalismus, bei dem versucht wurde, Leistungseigenschaften aus Form- und Farbmerkmalen abzuleiten, entwickelte sich über die Jahrzehnte eine systematische Tierbeurteilung. Aus der Erkenntnis heraus, dass hohe Leistungen nur von gesunden und widerstandsfähigen Tieren erbracht werden können, wurden zahlreiche Exterieurmerkmale abgeleitet, die eine planmäßige Zucht auf einen gesunden Körperbau ermöglichen.
Wie bei allen züchterisch interessanten Merkmalen steht aber auch bei der Tierbeurteilung nicht die phänotypische Leistung, d.h. das äußere Erscheinungsbild der Tiere, im Vordergrund. Für die züchterische Verbesserung von Eigenschaften ist der genetische Anteil an der Leistung, ausgedrückt als Zuchtwert, entscheidend. Nur so kann das genetische Leistungsvermögen, z. B. eines Besamungsbullen, genau erfasst werden. Bis zum Jahr 1997 erfolgte die Veröffentlichung der Exterieurbewertung als Relativzahl, wobei nur eine Korrektur um den Beurteiler erfolgte. Weitere Umwelteinflüsse, wie z. B. das Herdenniveau konnten hingegen nicht berücksichtigt werden und vermengten sich mehr oder minder mit dem Zuchtwert. Eine exakte Einschätzung des genetischen Leistungsvermögens wurde mit der Einführung der Tiermodell-Zuchtwertschätzung möglich, bei der der Einfluss systematischer Umwelteinflüsse auf die Noten in der Nachzuchtbewertung rechnerisch ausgeschaltet wird.Eine neue Ära der Exterieur-Zuchtwertschätzung begann mit der Einführung der genomischen Zuchtwertschätzung für Exterieurmerkmale bei Fleckvieh und Braunvieh im Jahr 2011. Der letzte große Schritt in der Exterieur-ZWS war die Umstellung auf die Single-STEP-Zuchtwertschätzung beim Fleckvieh und Braunvieh in den Jahren 2019 und 2020. Bei den Zuchtwertschätzungen für die Rassen Gelbvieh, Vorderwälder und Pinzgauer handelt es sich weiterhin um ein klassische konventionelle Zuchtwertschätzung.
Dokumentation "Die Zuchtwertschätzung für Exterieurmerkmale"
Die Ergebnisse der Nachzuchtbewertung als Datengrundlage für die Zuchtwertschätzung Exterieur
Auch oder insbesondere in Zeiten der genomischen Zuchtwertschätzung ist eine objektive Leistungsprüfung die Grundlage für aussagekräftige nicht-verzerrte Zuchtwerte. Eine solche objektive Leistungsprüfung setzt klar definierte Merkmale und eine einheitliche Bewertung dieser Merkmale voraus. Zurzeit werden bei Fleckvieh und Gelbvieh Zuchtwerte für 4 Hauptmerkmale und 20 Einzelmerkmale und beim Braunvieh Zuchtwerte für 4 Hauptmerkmale und 26 Einzelmerkmale sowie ein Zuchtwert für eine Exterieur-Gesamtnote geschätzt (Tab. 1). Allerdings muss sich auch die Exterieur-ZWS an Veränderungen in den Populationen anpassen. So wurde beim Fleckvieh auf einen immer enger werdenden Abstand zwischen den Hinterstrichen (Abb. 1) mit der Einführung des neuen Eutermerkmals "Strichplatzierung hinten" im Frühjahr 2019 reagiert.
Tabelle 1: Exterieurmerkmale und deren Heritabilitäten bei Braunvieh, Fleckvieh, Gelbvieh und Pinzgauer 152 KB
Exterieurzuchtwertschätzung eine internationale Zuchtwertschätzung
Die Exterieurzuchtwertschätzung ist heute eine internationale Zuchtwertschätzung. Beim Braunvieh sind die deutschen Bundesländer Baden-Württemberg und Bayern sowie Österreich beteiligt, beim Fleckvieh nehmen zusätzlich Hessen, Tschechien, Italien und seit Dezember 2023 die Slowakei an der Zuchtwertschätzung teil. Tabelle 2 zeigt die der Zuchtwertschätzung zu Grunde liegenden Daten und deren Verteilung auf die an der Zuchtwertschätzung beteiligten Länder sowie den Anteil typisierter Kühe.
Tabelle 2: Datenumfang der Zuchtwertschätzung Dezember 2023 bei den Rassen Fleckvieh, Gelbvieh, Pinzgauer, Vorderwälder und Braunvieh 183 KB
Internationale Harmonisierung durch FleckScore und BrownScore
Die Datenerfassung erfolgt in allen an der Zuchtwertschätzung beteiligten Ländern für die Einzelmerkmale verbindlich nach dem System der linearen Beschreibung. Dieses System der Bewertung von Kühen auf einer Skala von 1-9 Punkten wurde sowohl beim Fleckvieh als auch beim Braunvieh auf europäischer Ebene harmonisiert. Für die Hauptnoten Rahmen, Bemuskelung, Fundament und Euter sowie Becken beim Braunvieh wird aufgrund der Beschreibung der Einzelmerkmale eine Vorschlagsnote auf Basis eines 100-Punktesystems berechnet. Die eigens hierfür entwickelten Programme BrownScore und FleckScore werden in allen an der ZWS beteiligten Ländern eingesetzt.
Programm FleckScore
In beiden Programmen werden zur Berechnung der Vorschlagsnoten die Beiträge aus den Einzelmerkmalen gemäß ihrer Auswirkungen auf die Nutzungsdauer gewichtet.
Programm BrownScore
Zoombild vorhanden
Abb. 2: Zusammenhang zwischen der Nutzungsdauer und den Hauptnoten beim Fleckvieh
Innerhalb der Einzelmerkmale, ist dabei das Optimum, d.h. der größte Beitrag des entsprechenden Merkmals, ebenfalls an der Bedeutung für die Nutzungsdauer, ausgerichtet (Abb. 2). Der ausgewiesene Vorschlag für die Komplexe Fundament und Euter sowie für die Beckennote beim Braunvieh kann vom Beurteiler um +/- 3 Punkte abgeändert werden. Somit ist das Auge der Experten weiterhin gefragt, um den Vorschlag tierspezifisch adaptieren zu können. Das Populationsmittel liegt laktationsunabhängig bei Fleckvieh und Braunvieh bei 80 Punkten. Dabei reicht die Skala von 68-93 Punkten beim Fleckvieh und von 65-95 Punkten beim Braunvieh. Heute hat die Harmonisierung der Bewertungen ein sehr hohes Niveau erreicht. Dieses wird durch regelmäßige nationale und internationale Bewerterschulungen auf Basis von BrownScore und FleckScore sowie durch ein intensives Monitoring aller Beschreibungen gewährleistet. FleckScore wird aber nicht nur in den Ländern, die an der ZWS beteiligt sind, eingesetzt, sondern es bildet die Basis der Exterieurbeurteilung in allen wichtigen europäischen Fleckviehländern. Einige dieser Länder bekunden bereits Interesse, an der gemeinsamen Zuchtwertschätzung teilzunehmen, was durch die vergleichbare Datenbasis erleichtert wird.
Von den Töchtern aus dem klassischen Prüfeinsatz zu typisierten Töchtern aus Kuhlernstichproben
Die exakte Leistungsprüfung im Bereich der Exterieurmerkmale basiert auf der Bewertung von zufällig ausgewählten Töchtern eines Bullen in der ersten Laktation. In der Vergangenheit waren dies Töchter aus dem klassischen Prüfeinsatz. Mit Einführung der genomischen Selektion ersetzen zufällig ausgewählte Töchter aus den ersten Besamungen die bisherigen Prüfbullentöchter. Auch hier ist eine Anpaarung genomischer Jungvererber an eine zufällige Stichprobe der Population anzustreben. Die Beschreibung von Töchtern geprüfter Bullen (Vergleichstiere) bewirkt eine bessere Verwandtschaftsstruktur auf der mütterlichen Seite (verbesserte Abschätzung des Anpaarungsniveaus), verbessert die Verknüpfungen zwischen den an der Zuchtwertschätzung beteiligten Ländern und ermöglicht die direkte Berücksichtigung des Betriebes im Zuchtwertschätzmodell.
Linear beschriebene und typisierte Töchter aus verschiedenen Projekten zu Kuhlernstichproben sind heute ein wichtiger Bestandteil der Single-Step-Zuchtwertschätzung und ergänzen das klassische System der Töchterauswahl. Zusätzlich werden auf zahlreichen Betrieben ein Großteil der Erstkalbskühe typisiert. Tabelle 3 zeigt, dass heute bereits ca. 40% aller linear beschriebenen Kühe typisiert sind. Hierbei gibt es deutliche Unterschiede zwischen den Rassen und Ländern.
Tabelle 3: Anteil typisierter Kühe an den aktuell linear beschriebenen Kühen (Beginn Bewerterjahr 2023 bis Datenschnitt Dezember 2023) bei Fleckvieh und Braunviehraunvieh 160 KB
Ziel einer jeden Zuchtwertschätzung ist es, das genetische Potential eines Besamungsbullen möglichst genau zu schätzen. Dies erfolgt zum einen durch die Ausschaltung wichtiger Umwelteinflüsse, zum anderen durch die Berücksichtigung sämtlicher verwandtschaftlicher Beziehungen zwischen den Tieren und durch die Nutzung genomischer Informationen. Untersuchungen zeigten, dass eine Reihe von Umwelteffekten einen Einfluss auf die Noten in der Nachzuchtbewertung haben. Insbesondere beim Euter beeinflusst der Herdendurchschnitt des Betriebes einzelne Eutermerkmale um bis zu eine Note. Die Untersuchungen zeigten ebenfalls deutliche Auswirkungen durch den "Abstand vom Melken bis zur Beurteilung" auf die Bewertungen der Eutermerkmale. Bedeutung haben ebenfalls die systematischen Umweltfaktoren "Abstand zur Kalbung" und "Erstkalbealter", wobei letzteres insbesondere Körpermerkmale wie Rahmen, Breite, Länge und Tiefe eines Tieres, beeinflusst. Als Beispiel für den Einfluss systematischer Umwelteinflüsse auf die Noten in der Nachzuchtbewertung zeigt Abb. 3 den Einfluss der "Abstandes vom Melken" auf die Euternote.
Das Modell der Zuchtwertschätzung zeigt Abb. 4. Als Umwelteinflüsse werden das Beurteilerjahr, Jahr und Saison, das Kalbealter, das Laktationsstadium bei der Beurteilung, die Kalbenummer der Mutter und bei Eutermerkmalen der "Abstand vom Melken bis zur Beurteilung" berücksichtigt. Die Korrektur des Betriebsmanagements erfolgt direkt über den fixen Effekt Betrieb oder über den sogenannten Herdenjahreseffekt sowie über einen zufälligen Effekt Betriebsjahr.
y ijklmnopqr = m + BJi + JSj + Knk + Akl + Abmm + Ekan + Betro + BJp + Tierp + eijklmnopqr
wobei:
Abbildung 4: Statistisches Modell für die Zuchtwertschätzung Exterieury ijklmnopqr | Beobachtungswerte für das Merkmal Y |
M | Gesamtmittel |
BJi | fixer Effekt des Beurteilers * Jahr |
JSj | fixer Effekt der Jahr-Saisonklasse |
Knk | fixer Effekt der Kalbenummer der Mutter |
Akl | fixer Effekt für den Abstand zur Kalbung |
Abmm | fixer Effekt für den Abstand vom Melken |
Ekan | fixer Effekt des Erstkalbealters |
Betro | fixer Effekt für den Betrieb oder Region * Herdenjahreseffekt * Jahr |
BJp | zufälliger Effekt Betrieb * Jahr |
Tierp | zufälliger Effekt für das Tier |
eijklmnopqr | zufälliger Restfehler |
Im Rahmen der Single-STEP-ZWS wird dabei die angenommene Kovarianz im zufälligen Effekt für das Tier (Tierq) nicht mit der herkömmlichen Verwandtschaftsmatrix aus dem Tiermodell (A-Matrix), sondern mit der sogenannten H-Matrix beschrieben. Diese kombiniert die Informationen aus allen genotypisierten und nicht-genotypisierten Tieren. Die Abschätzung des Managementeffekts erfolgt bei den meisten Beobachtungen über die direkte Berücksichtigung des Betriebes im Modell. Um den Betriebseffekt mit ausreichender Genauigkeit schätzen zu können, müssen insgesamt mindestens 10 Kühe auf einem Betrieb beschrieben worden sein. Bei Kühen, die auf Betrieben mit weniger Beobachtungen bewertet werden, wird ein sogenannter Herdenjahreseffekt (Herdenniveau für die Summe aus Fett- und Eiweiß-kg aus der Testtagsmodell-Zuchtwertschätzung für Milch) als Kenngröße für das Management berücksichtigt. Bei den aktuellen Bewertungen wird das Management bereits fast ausschließlich über den Betriebseffekt korrigiert. Da sich das Management auch innerhalb eines Betriebes verändert, wurde neben dem Betriebseffekt außerdem der zufällige Effekt "Betriebsjahr" in das Modell der ZWS eingeführt. Dieser gleicht Unterschiede zwischen verschiedenen Jahren innerhalb eines Betriebes aus. Hierdurch können Veränderungen, z.B. ein Wechsel von Anbindestall auf Laufstall, korrigiert werden.
Genetische Gruppen bei Tieren mit unbekannten Vorfahren
Zur genaueren Berücksichtigung der Abstammung von Tieren mit unbekannten Vorfahren, werden in der Zuchtwertschätzung Zuchtwerte für genetische Gruppen geschätzt. Beim Berechnen dieser Zuchtwerte werden das Herkunftsland und das durchschnittliche Geburtsjahr (abhängig vom Geburtsjahr des Tieres) des unbekannten Ahnen berücksichtigt.
Korrektur um unterschiedliche Bewerterstreuungen
Neben dem absoluten Niveau einzelner Bewerter, das in der Zuchtwertschätzung durch den Effekt Beurteiler*Jahr berücksichtigt wird, gibt es aber auch Unterschiede in den Streuungen einzelner Bewerter, die in Extremfällen den Zuchtwert eines Bullen direkt beeinflussen können. Um den Einfluss solcher "heterogenen Varianzen" über die Bewerter zu minimieren, wird vor der eigentlichen Zuchtwertschätzung eine Korrektur der Bewerterstreuung vorgenommen, d.h. es wird eine einheitliche Streuung über alle Bewerter erzeugt. Diese Korrektur erfolgt nach einem komplexen Verfahren (MEUWISSEN et al., 1996), wodurch erreicht wird, dass nur die Streuung, die direkt auf einen Nachzuchtbewerter zurückzuführen ist, korrigiert wird. Bekanntlich gibt es natürlich auch Bullen deren Töchter eher einheitlich sind und andere Bullen deren Töchter stärker streuen. Diese Streuung bleibt bei der Korrektur erhalten, d. h. geringe bzw. hohe Streuungen, die auf einen bestimmten Bullen zurückzuführen sind, bleiben erhalten.
Single-Step als Verfahren der Wahl
Der letzte große Schritt in der Exterieur-ZWS war die Umstellung auf die Single-STEP-Zuchtwertschätzung (SST-ZWS) bei Brown Swiss und Fleckvieh. Die SST-ZWS ermöglicht es, Typisierungsergebnisse von Kühen in die Lernstichprobe zu integrieren. Während sich die genomische Selektion in den Anfangsjahren auf die Nutzung der genomischen Informationen männlicher Tiere beschränkte, typisieren heute immer mehr Betriebe ihre weiblichen Tiere. Diese Anzahl erhöhte sich durch die Kuhlernstichprobenprojekte Braunvieh-Vision, sowie beim Fleckvieh durch FLEQS in Bayern, FoKUHs in Österreich und FLECKfficient in Baden-Württemberg rasant. Aktuelle Nachfolgeprojekte sind "Gesundheit und Robustheit (GuR)" in Bayern, KlimaFit in Baden-Württemberg und "FoKUHs Herde" in Österreich.
In der Single-Step-ZWS werden genomische Zuchtwerte direkt, d.h. in einem Schritt, für alle männlichen und weiblichen Tiere geschätzt. Dadurch brauchen nicht mehr wie bisher in einem ersten Schritt konventionelle Zuchtwerte geschätzt und diese anschließend in einem komplexen zweiten Schritt mit den Typisierungsergebnissen (Genotypen) kombiniert werden. Es werden für alle Tiere genomisch optimierte Zuchtwerte berechnet und es gibt keine konventionellen und genomisch direkten Zuchtwerte mehr. Da die Informationen von genotypisierten Kühen, vor allem derjenigen mit einer Exterieur-Beschreibung, direkt ins Schätzsystem einfließen, werden alle vorhandenen Informationen optimal genutzt, und die Schätzung genomischer Zuchtwerte wird zuverlässiger. Genotypisierte und linear beschriebene Kühe werden dabei in Zukunft in großer Zahl in den Kuhlernstichproben-Projekten generiert. Aber nicht nur die genotypisierten Kühe werden Teil der Lernstichprobe, sondern auch Tiere mit eigener Leistung ohne Typisierungsergebnisse tragen ihre Informationen zum Schätzsystem bei. Hierdurch werden auch Verzerrungen der Zuchtwerte durch das Problem der sogenannten "genomischen Vorselektion" verhindert und das Zuchtwertschätzsystem langfristig stabilisiert.
Durchführung an der LfL Grub
Die Durchführung der Exterieur-Zuchtwertschätzung obliegt dem Institut für Tierzucht der LfL in Grub für die gesamte Schätzpopulation. Die Schätzung erfolgt dreimal pro Jahr in den Monaten April, August und Dezember mit dem Programm-Paket Mix99 von Lidauer et al. (Version XIII/2015).
Exterieurzuchtwerte als Hilfsmerkmale für die Zuchtwerte Nutzungsdauer und Klauengesundheit
Die Exterieurzuchtwerte sind nicht Bestandteil des Gesamtzuchtwerts, dienen aber als Hilfsmerkmale für die Zuchtwertschätzung Nutzungsdauer und die Zuchtwertschätzung Klauengesundheit. Hierdurch wird der Gesamtzuchtwert indirekt durch das Exterieur beeinflusst.
Ergebnisdarstellung
Die geschätzten Zuchtwerte der einzelnen Merkmale werden standardisiert und als Relativzuchtwerte ausgewiesen. Gleitende Basis bilden gegenwärtig im Dezember 2023 bei Fleckvieh die 4-6 Jahre alten Kühe (geboren zwischen Dezember 2016 bis November 2019) und bei Brown Swiss die 6-8 Jahre alten Kühe (geboren zwischen Dezember 2014 bis November 2017). Die Basisgruppen für die kleinen Rassen sind beim Gelbvieh die 8-10 Jahre alten Kühe (geb. zw. Dezember 2012 bis November 2015 und für Pinzgauer und Vorderwälder, wie bei Brown Swiss, die 6-8 Jahre alten Kühe. Das Mittel der Basis beträgt 100 und die Streuung der wahren Relativzuchtwerte 12 Punkte. Neben der Sicherheit für das Euter wird, wenn vorhanden, zusätzlich die Anzahl der Töchter eines Bullen angegeben.
Die Relativzuchtwerte Exterieur werden in Form eines Balkendiagramms veröffentlicht. Zur leichteren Orientierung wird bei Merkmalen mit intermediärem Optimum der erwünschte Bereich (Tab. 4) mit einem Rechteck gekennzeichnet. Abb. 5 zeigt das Balkendiagramm für einen Fleckviehbullen, Abb. 6 das Balkendiagramm für einen Braunviehbullen.
Neben den Exterieurzuchtwerten wird ebenfalls auf Mängel (Tab. 5) aufmerksam gemacht, die ebenfalls im Rahmen der Nachzuchtbewertung erfasst werden. Für diese Mängel werden keine Zuchtwerte geschätzt; überschreitet die Anzahl der Töchter, die einen bestimmten Mangel aufweisen, aber eine festgesetzte bewerterkorrigierte Häufigkeit, dann wird dieser Mangel im Prüfbericht veröffentlicht. Im Fleckvieh-Prüfbericht in Abb. 5, findet sich für den Mangel "milchbrüchig" der Vermerk "gelegentlich: milchbrüchig“. Ein solcher Mängelreport setzt linear beschriebene Töchter voraus, findet sich also nicht bei genomischen Jungvererbern. Beim Fleckvieh vervollständigt eine kurze Beschreibung der Farbvererbung den Exterieurbericht.
Abb. 5: Balkendiagramm für einen Fleckviehbullen
Abb. 6: Balkendiagramm für einen Braunviehbullen
Abb.7: Sprunggelenkswinkelung im Optimalbereich
Tabelle 4: Optimalbereiche für die ExterieurmerkmaleMerkmal | Optimalbereich Braunvieh | Optimalbereich Fleckvieh |
---|
Rahmen | --- | 97 - 103 |
Kreuzhöhe | 97 - 103 | --- |
Bemuskelung | 100 - 103 | --- |
Beckenneigung | 97 - 103 | 97 - 103 |
Oberlinie | 105 - 111 | --- |
Umdreher | 105 - 111 | --- |
Sprunggelenkswinkelung | 97 - 103 | 90 - 96 |
Fessel | 105 -111 | --- |
Euterbalance | 97 - 103 | --- |
Strichlänge | 100 - 106 | 97 - 103 |
Strichdicke | 100 - 106 | 97 - 103 |
Strichplatzierung vorn | 94 - 100 | 113 - 119 |
Strichplatzierung hinten | 94 - 100 | 97 - 103 |
Strichstellung | 97 - 103 | 97 - 103 |
Tabelle 5: Übersicht über die Mängel/Besonderheiten bei Braunvieh und Fleckvieh | Braunvieh | Fleckvieh |
---|
Fundament und Becken | Vorderbein verstellt Lockere Schulter Hessig gestellt Rollklaue Spreizklaue Schwellung am Kniegelenk Überhöhter Schwanzansatz Eingefallener Mastdarm | Vorderbein verstellt Lockere Schulter Hessig gestellt Rollklaue Spreizklaue Enges Becken Abgedachtes Becken
|
Euter | Ödemeuter Seitlich enger Strichabstand Striche milchbrüchig Seitlich stark geviertelt Striche nach vorne gestellt | Ödemeuter Gestuftes Euter Striche milchbrüchig Vorderstriche nach außen gespreizt Striche nach vorn gespreizt Striche hinten kurz |
Sonstige Mängel | | Senkrücken Nierendruck |
Zusammenhänge zwischen Heritabilität, Sicherheit und Töchterzahl
Bei der Ergebnisdarstellung im Balkendiagramm wird aus Gründen der Übersichtlichkeit nur die Sicherheit für den Euterzuchtwert dargestellt. Insgesamt unterscheiden sich aber die Sicherheiten der einzelnen Merkmale deutlich. Diese sind von der Anzahl bewerteter Töchter und von der Heritabilität (Erblichkeiten, s. Tab. 1) des Merkmals abhängig. Tabelle 6 verdeutlicht diese Zusammenhänge für das Fleckvieh.
Tabelle 6: Sicherheit der Single-Step-Zuchtwerte in Abhängigkeit von der Töchterzahl und der Heritabilität des Merkmals bei FleckviehSicherheit des Zuchtwerts | | | | |
---|
Anzahl Töchter | Euter h2 = 0,24 | Kreuzhöhe h2 = 0,47 | Fundament h2 = 0,11 | Trachten h2 = 0,08 |
0 (GJV*) | 84 | 80 | 68 | 65 |
| | | | |
30 | 88 | 93 | 75 | 70 |
50 | 91 | 95 | 80 | 76 |
70 | 92 | 96 | 83 | 79 |
100 | 93 | 97 | 87 | 83 |
* genomischer Jungvererber
Bei 50 bewerteten Töchtern eines Bullen beträgt die Sicherheit des Zuchtwerts für die Kreuzhöhe 95 %, für das niedrig heritable Merkmal Trachten aber nur 76 %. Die höhere Sicherheit Euter im Vergleich zur Kreuzhöhe bei den genomischen Jungvererbern ist auf den mit 10 % niedrigeren Polygenanteil im Euter (Kreuzhöhe 25 %) zurückzuführen.
Seit Februar 2004 beteiligt sich die Rasse Braunvieh offiziell an der Interbull-Zuchwertschätzung für Exterieurmerkmale. Mit Ausnahme von Euterreinheit und Bemuskelung werden heute für alle Merkmale internationale Interbull-Zuchtwerte veröffentlicht.
- Kreuzhöhe (stature)
- Brustbreite (chest width)
- Rumpftiefe (body depth)
- Oberlinie (top line)
- Beckenlänge (rump length)
- Beckenbreite (rump width)
- Beckenneigung (rump angle)
- Umdreher (thurl position)
- Sprg. winkelung (rear leg set)
- Sprg. ausprägung (hock quality)
- Fessel (foot angle)
- Trachtenhöhe (heel depth)
- Voreuterlänge (Fore udder length)
- Hintereuterbreite (rear udder width)
- Hintereuterhöhe (rear udder height)
- Zentralband (udder support)
- Eutertiefe (udder depth)
- Voreuteraufhängung (fore udder attachement)
- Euterbalance (udder balance)
- Strichlänge (teat length)
- Strichdicke (teat thickness)
- Strichplatzierung vorn (front teat placement)
- Strichplatzierung hinten (rear teat placement)
- Strichstellung hinten (teat direction)
- Gesamtnote Rahmen (overall frame)
- Gesamtnote Becken (overall rump)
- Gesamtnote Euter (overall udder)
- Gesamtnote Fundament (overall feet & legs)
- Gesamtnote Exterieur (overall conformation score)
Da bei der Berechnung der Zuchtwerte sämtliche Umwelteinflüsse, die eine Note oder ein Körpermaß beeinflussen, bereinigt werden und die genomische Information berücksichtigt wird, kann natürlich nicht direkt von der durchschnittlichen Bewertung der Töchter eines Bullen auf den entsprechenden genomischen Zuchtwert des Bullen geschlossen werden. Die Ergebnisse aus den Abb. 8 und 9 können deshalb nur als Anhaltspunkte für die Beziehungen dienen. Die Ergebnisse sind Durchschnittswerte von 1861 Fleckvieh-Bullen ab dem Geburtsjahrgang 2013 mit mindestens 40 bayerischen Töchtern.
Abb. 8 verdeutlicht, dass die durchschnittliche Kreuzhöhe der Töchter eines Bullen mit einem genomischen Zuchtwert von 80 bei 142,2 cm und bei einem Bullen mit einem Zuchtwert von 120 bei 146,3 cm liegt. Diese durchschnittlichen Kreuzhöhen können aber aus den oben beschriebenen Gründen bei gleichem Zuchtwert in einigen Bullennachzuchten deutlich voneinander abweichen. So liegt die durchschnittliche Kreuzhöhe in 66 Bullengruppen mit einem Zuchtwert von 100 zwischen 143,3 cm und 146,0 cm.
Den Zusammenhang zwischen der Euterbewertung und dem Euterzuchtwert zeigt Abb. 9. Auffallend ist der geringe Unterschied von 3,6 Punkten zwischen einem Zuchtwert von 80 bzw. 120 Punkten. In der Höhe ähnliche Differenzen ergeben sich auch bei den übrigen Hauptnoten.
Abb. 8: Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Kreuzhöhe einer Bullennachzucht und dem Zuchtwert Kreuzhöhe beim Fleckvieh
Bild in Originalgröße
Abb. 9: Zusammenhang zwischen der durchschnittlichen Euterbewertung einer Bullennachzucht und dem genomischen Zuchtwert Euter beim Fleckvieh
Bild in Originalgröße
Die genetischen Trends für die Rassen Braunvieh und Fleckvieh zeigen die Abb. 10 und 11, das zugrunde liegende Datenmaterial Tab. 7 (Stand Dezember 2023). Bei den Bullen handelt es sich um publizierbare Besamungsbullen aus allen an der gemeinsamen ZWS beteiligten Ländern.
In beiden Rassen zeigt sich ein deutlicher positiver genetischer Trend in den Merkmalen Fundament und Euter sowie beim Braunvieh in der Gesamtnote Exterieur. Nach einem erfreulichen über einen längeren Zeitraum stabilen Trend im Rahmen verstärkt sich der positive Trend in den letzten Geburtsjahrgängen wieder. Dies gilt insbesondere für das Braunvieh. Hier gilt es weiterhin auf die negativen Beziehungen zur Nutzungsdauer hinzuweisen und einem weiteren Anstieg in der Körpergröße entgegenzuwirken.
Beim Braunvieh entwickelt sich die Beckennote positiv, was zu einem großen Teil auf die Beckenlänge und die Beckenbreite zurückzuführen ist. Der genetische Trend in der Bemuskelung bei der Zweinutzungsrasse Fleckvieh ist erfreulicherweise seit vielen Jahren stabil.
Tab. 7: Überblick über die offiziellen Besamungsbullen (Anzahl, durchschnittliche Töchterzahl und durchschnittliche Sicherheit im Euterzuchtwert, bzw. beim Braunvieh im Zuchtwert Gesamtnote) in den Geburtsjahrgängen 2000 bis 2022Geburtsjahrgang | Fleckvieh Anzahl | Fleckvieh Ø Tö. | Fleckvieh Si. | Braunvieh Anzahl | Braunvieh Ø Tö. | Braunvieh Si |
2000 | 889 | 91,9 | 82 | 459 | 130,1 | 73,2 |
2001 | 892 | 98,6 | 80,1 | 459 | 153,6 | 71,9 |
2002 | 858 | 126,4 | 81 | 440 | 140,5 | 72,6 |
2003 | 891 | 85,7 | 80,7 | 469 | 149,2 | 77,1 |
2004 | 969 | 86,5 | 81,7 | 550 | 87,4 | 76 |
2005 | 945 | 79,8 | 80,8 | 446 | 91 | 76,6 |
2006 | 959 | 96,3 | 81,8 | 431 | 102,9 | 79,4 |
2007 | 914 | 77,9 | 81,2 | 394 | 132,6 | 81,7 |
2008 | 1056 | 80,7 | 80,7 | 410 | 100,3 | 81,3 |
2009 | 1014 | 91,4 | 81,7 | 435 | 127,2 | 81,8 |
2010 | 893 | 101,3 | 81,4 | 357 | 132,7 | 80,1 |
2011 | 942 | 88,4 | 82,2 | 330 | 81,5 | 79,3 |
2012 | 1320 | 116,1 | 84,6 | 384 | 126,3 | 80,3 |
2013 | 1241 | 99,9 | 84,2 | 369 | 65,2 | 80 |
2014 | 1259 | 72,5 | 84,8 | 411 | 77,8 | 81 |
2015 | 1466 | 63,4 | 84,3 | 436 | 85 | 79,1 |
2016 | 1669 | 70,4 | 85,4 | 391 | 74,8 | 78,6 |
2017 | 1589 | 67,9 | 85,5 | 308 | 52,9 | 78,1 |
2018 | 1315 | 46,5 | 85,9 | 227 | 30,9 | 80,5 |
2019 | 1214 | 14 | 84,9 | 182 | 0,9 | 75,1 |
2020 | 828 | 1 | 84,1 | 161 | 0 | 73,7 |
2021 | 595 | 0 | 82,4 | 148 | 0 | 71,5 |
2022 | 423 | 0 | 80,4 | 117 | 0 | 70,2 |
Abb. 10: Genetische Trends beim Fleckvieh
Abb. 11: Genetische Trends beim Braunvieh
Ansprechpartner:
Dr. Dieter Krogmeier
Institut für Tierzucht
Prof.-Dürrwaechter-Platz 1
85586 Poing-Grub
Tel.: 08161 8640-7142
Fax: 08161 8640-7199
E-Mail: Tierzucht@lfl.bayern.de