Tierwohl
Spinnengliedrigkeit beim Fleckvieh (Arachnomelie-Syndrom)
Das Arachnomelie-Syndrom ist eine erbliche Knochenbildungsstörung beim Rind. Betroffene Kälber werden tot geboren oder sterben kurz nach der Geburt. Auffällig sind die dünnen Röhrenknochen und steife, oft verdrehte Fesselgelenke ("Spinnenglieder"). Der Rücken ist verkrümmt und der Unterkiefer häufig verkürzt. Daneben können weitere Veränderungen wie z.B. am Herzen oder Gehirn auftreten. Durch die versteiften und brüchigen Gliedmaßen kommt es neben dem Verlust des Kalbes oft auch zu Verletzungen des Geburtswegs. Zu den wirtschaftlichen Verlusten verursacht das Arachnomelie-Syndrom Leiden beim Tier. Daher sind, wie in § 11b TierSchG geregelt, Zuchtmaßnahmen gegen Träger der Mutation notwendig (1).
Das Arachnomelie-Syndrom wurde beim Fleckvieh in den 70er-Jahren erstmals beschrieben und konnte auf wenige Träger zurückgeführt und durch Zuchtausschluss eliminiert werden. Im Rahmen der regelmäßigen (2) Erfassung von Missbildungen bei Fleckvieh und Braunvieh durch das Institut für Tierzucht der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (ITZ) in Zusammenarbeit mit dem LKV, wurden dann 2005 durch die pathologischen Untersuchungen von verdächtigen Kälbern beim Tiergesundheitsdienst Bayern e.V. (TGD) bei 13 Kälbern die Symptome des Arachnomelie-Syndroms festgestellt.
Die Analyse der Stammbäume legte das Vorliegen eines rezessiven Erbgangs (Ursache ist ein einziger Genort, nur wenn die Mutation von beiden Eltern geerbt wurde, sind die Tiere betroffen) nahe (1). Daher waren trotz einer relativ starken Verbreitung der Mutation in der Population nur wenige Fälle aufgetreten. Unter den festgestellten Vererbern der Erkrankung waren jedoch stark eingesetzte Bullen, u. a. ROMEL und REXON. Allein ROMEL hat in Bayern rund 150.000 Besamungen durchgeführt. Im Laufe des Jahres 2006 standen bis zu 130 ROMEL-Söhne zur Besamungserlaubnis an. Daher war sofortiges Handeln erforderlich.
Nach Bekanntwerden der ersten Fälle führte das ITZ am 14.12.2005 eine Besprechung am mit den betroffenen KB-Organisationen, der Arbeitsgemeinschaft Süddeutscher Rinderzuchtverbände und einem Vertreter des Landwirtschaftsministeriums durch. Dabei wurden Maßnahmen beschlossen, die den Einsatz von möglichen Trägern für die Besamung einschränken, die Aufmerksamkeit der Landwirte auf das Krankheitsbild fördern und möglichst schnell die Entwicklung eines Gentests erlauben sollten. Die damalige Situation war äußerst unbefriedigend, da unter den möglichen Trägern Bullen mit sehr wertvoller Genetik waren. Der Einsatz der Prüfbullen mit Trägerrisiko war nur nach gezielten Anpaarungen an Töchter von bekannten Trägern möglich. Dabei lässt sich zwar schon mit 35 Anpaarungen eine Sicherheit von 99% erreichen, das Verfahren ist jedoch aufwändig und nur sehr begrenzt einsetzbar.
Ende 2010 gelang dann durch weitergehende Forschungsarbeiten am ITZ die Aufklärung der Mutation, die dem Auftreten des Arachnomelie-Syndroms zugrunde liegt. Eine 2-Basen Deletion auf Chromosom 23 führt zu einem Syntheseabbruch beim Molybdän Kofaktor (4). Dieser ist u.a. für die Funktion der Sulfit-Oxydase essentiell. Inzwischen ist bekannt, dass eine Mutation im Gen der Sulfit-Oxidase auf Chromosom 5 zum Arachnomelie-Syndrom beim Braunvieh führt (5).
Damit konnten wir erstmals eine oligogene (gleiches Krankheitsbild durch Mutationen an unterschiedlichen Genen) Erbkrankheit beim Rind beschreiben und zeigen, dass der Sulfit-Stoffwechsel an Störungen der Knochenbildung beteiligt sein kann. Außerdem wurde ein Gentest entwickelt, mit dem die Mutation diagnostiziert werden kann. Der direkte Gentest erlaubt jetzt die preisgünstige, sichere und breite Diagnose von Trägern des Arachnomelie-Syndroms beim Fleckvieh.
Indirekter Gentest
Daher war es oberstes Ziel, einen zuverlässigen Gentest zu entwickeln. Am ITZ wurde der Genort in Kooperation mit dem Leibniz-Institut für Nutztierbiologie, Dummerstorf (FBN, Frau Dr. Kühn) und der Tierzuchtforschung e.V. mittels eines zweistufigen Ansatzes kartiert. Auf Basis dieser Kartierungsarbeiten konnte dann sehr schnell ein indirekter Gentest entwickelt werden. Dieser Test erlaubt es, bei Nachkommen bekannter Anlageträger mit sehr hoher Sicherheit festzustellen, ob sie das Defektgen geerbt haben. Voraussetzung ist allerdings die Mituntersuchung von verwandten Tieren mit bekanntem Trägerstatus. Der anwendungsreife Test wurde im Sommer 2007 an die GeneControl GmbH übergeben (3).
Ansprechpartner
Dr. Johannes Buitkamp
Institut für Tierzucht
Prof.-Dürrwaechter-Platz 1
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Tel.: 08161 8640-7130
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