Phosphor raus aus dem Mineralfutter in der Rinderfütterung?

2 Jungrinder auf Weide beim Belecken eines Minerallecksteins

Phosphor (P) hat mehrere „Gesichter“: in der Umweltdiskussion ist er in Form von Phosphat als Verursacher für übermäßiges Algenwachstum in Gewässern negativ behaftet. Als Rohstoff ist er knapp und stellt eine teure Komponente im Mineralfutter dar. Beides sind triftige Gründe, den Einsatz von Phosphor als Dünge- oder Futtermittel zu hinterfragen und ihn nicht gedankenlos zu „konsumieren“.

In der Fütterung ist Phosphor ein wichtiger Bestandteil, der zusammen mit Kalzium für die Knochenbildung und als Bestandteil von Enzymen und Erbmaterial wichtig ist. Darüber hinaus spielt es eine wichtige Rolle beim Energiestoffwechsel. Pro Liter Milch scheidet eine Milchkuh 0,9 g P aus. Den höchsten Bedarf an Phosphor haben wachsende Tiere und Milchkühe. Phosphor kann im Skelett gespeichert und hieraus auch wieder freigesetzt werden. Er wird über den Dünndarm aufgenommen. Dabei beträgt die mittlere Verwertung 70 %, d.h. 70% des gefütterten Phosphors wird vom Tier aufgenommen. Überschüsse werden vorwiegend über den Kot ausgeschieden, wobei dies von der Zufuhr abhängt: ist sie hoch, so steigt die Ausscheidung, ist die Zufuhr niedrig so fällt sie. Eine zu reichliche Versorgung mit Phosphor führt daher zu einer Verringerung der Absorption und einem Anstieg der Ausscheidung.

Was ist in Futtermitteln enthalten?

eine Handvoll Grassilage
Phosphor ist ein essentieller Bestandteil der täglichen Futterration. Vor einer Ergänzung muss man wissen, welche Menge zur Bedarfsdeckung fehlt. Die Kenntnis um die natürlichen Gehalte in den Einzelfuttermitteln ist daher unbedingte Voraussetzung. In der Tabelle 1 sind die aktuellen Phosphor-Gehalte in Grobfutter dargestellt. In Klee-/Grassilagen beträgt der Mittelwert ca. 3,5 g Phosphor/kg TM, bei Heu und Maissilagen ca. 2,5 g/kg TM.
Tab.1: Mittlere Phosphorgehalte und Spannweiten in Grobfuttermitteln der Ernte 2016 (LKV-Labor Grub)
g pro kg TMAnzahl AnalysenMittelwertMinimumMaximum
Grassilage 1. Schnitt4573,61,85,7
Grassilage Folgeschnitte4333,42,05,7
Kleegrassil. 1. Schnitt313,72,75,3
Kleegrassil. Folgeschnitte213,82,84,8
Heu 1.Schnitt262,60,75,1
Heu Folgeschnitte133,21,44,9
Maissilage2292,40,94,0

Spannweite kann erheblich sein!

Bedeutsam sind aber die Spannweiten, was am Beispiel Grassilage verdeutlicht werden soll: zwar erscheint eine Spannweite bei Grassilagen vom ersten Schnitt zwischen 1,8 und 5,7 g/kg TM auf den ersten Blick nicht viel. In der praktischen Fütterung stellt sich dies jedoch anders dar (Tab. 3): bei einer Grassilage-Menge von 20 kg FM (ca. 7 kg TM) pro Tier und Tag ergeben sich daraus 12,6 g – bzw. 39,9 g P-Aufnahme rein aus der Grassilage. Im ersten Fall werden 17 %, im anderen Fall 55 % des Bedarfs einer Kuh mit 30 kg Milch gedeckt! Die Kraftfutter sind zwar bezüglich des Mittelwerts relativ konstant, jedoch mit kräftigeren Unterschieden zwischen den einzelnen Futtermitteln (Tab. 2). Bei den Energiefuttermitteln liefern Getreide ungefähr dreimal so viel Phosphor wie Nebenprodukte aus der Zuckerherstellung (Melasse-, Trockenschnitzel). In den Eiweißfuttermitteln liegen jedoch z.T. deutlich höhere Gehalte vor und auch die Unterschiede zwischen den Futtermitteln sind größer!
Tab. 2: Mittlere Phosphorgehalte und Spannweiten in Kraftfuttermitteln der Ernte 2016
g pro kg TMAnzahl AnalysenMittelwertMinimumMaximum
Weizen*533,72,25,6
Gerste*423,72,74,4
Maiskornsilage*83,22,23,9
Körnermais*73,62,44,3
Trockenschnitzel*61,10,71,9
Sojaextraktionsschrot, 44 % XP*337,86,79,2
Rapsextraktionsschrot*1811,89,812,8
Biertreber siliert*286,14,66,7
MLF 18 % XP / ≥ 6,7 MJ NEL**147,85,711,4
* Quelle: LKV-Labor Grub 2016
** Quelle: VFT-Tests 2016

Wieviel Phosphor ist in einer praktischen Ration?

Ob überhaupt ein Bedarf zur Phosphor-Ergänzung besteht und – wenn ja – in welcher Dimension wird anhand von drei praktischen Rationen aus der Milchvieh- bzw. Mastbullenfütterung beispielhaft dargestellt. Dabei wurden für die Einzelfuttermittel mittlere Gehalte an Phosphor angenommen. Bei den Milchviehrationen handelt es sich um je ein Praxisbeispiel aus einer Ackerbau- und einer Grünlandregion. Beide sind für ca. 30 kg Milch nach Energie und Protein ausgelegt.
Tab.3: Phosphorgehalte in einer Milchvieh- und einer Bullenmastration (kg bzw. g je Tier und Tag)
 MV-Ackerbau-ration1) MV-Grünland-ration2) Bullen-mast-ration3)
 FM (kg)TM (kg)P (g)FM (kg)TM (kg)P (g)FM (kg)TM (kg)P (g)
Grassilage20,07,126,628,010,337,1---
Maissilage16,05,612,1---206,013,2
Heu1,00,92,54,03,410,90,50,41,5
aus Grobfutter37,013,641,232,013,748,020,56,414,7
WW-WG-KM (1:1:1)6,05,319,92,01,87,01,81,66,0
Raps-ES 2,62,331,7   1,11,013,5
MLF 16/4   6,05,337,1   
aus Kraftfutter8,67,651,68,07,144,12,92,619,4
Viehsalz   0,030,03 0,010,01 
Kalk0,10,1    0,060,06 
Mineralfutter 12 % Ca, 8 % P0,10,18,0 0,060,064,80,070,075,6
aus Min.Futter0,20,28,00,090,094,80,140,145,6
Gesamt45,821,4100,840,120,996,923,59,139,7
Bedarf44,320,672,339,619,871,217,88,927,0
Differenz P-Gehalt zu Bedarf  +28,5  +25,8  +12,7
1) 750 kg LG (Fleckvieh), 30 kg Milch
2) 650 kg LG (Braunvieh), 30 kg Milch
3) 450 kg LM, ca. 1400 g Tageszunahme
Balkendiagramm Phosphorlieferung aus den RationskomponentenZoombild vorhanden

Abb.: Phosphorlieferung aus den Rationskomponenten

In der Ackerbauration decken Grobfutter 57 %, in der Grünlandregion 67 % des Gesamtbedarfs an Phosphor. Bereits ohne Ergänzung durch Mineralfutter beträgt der Überschuss an Phosphor 28 % in der Ackerbau- und 29 % in der Grünlandration. In der Bullenmastration ist der Bedarf an Phosphor zu ca. 54 % allein durch die Maissilage und Heu abgedeckt. Auch hier ergibt sich zusammen mit der Kraftfutterergänzung, ein P-Überschuss von 26 %.

Welche Konsequenzen folgen daraus?

Ein Großteil des Phosphors ist bereits in den auf dem eigenen Betrieb erzeugten Futtermitteln Gras- und Maissilage enthalten. Der Rest wird durch das Kraftfutter abgedeckt. Daher kann auf den Phosphor im Mineralfutter verzichtet werden.
Wird zum Beispiel in einem Ackerbaubetrieb mit 50 Kühen und 40 ha LF (Tab. 3) der im Mineralfutter enthaltene Phosphor komplett weggelassen, so reduziert sich der Phosphor-Überschuss scheinbar nur geringfügig um 8 g pro Kuh und Tag. Bei 50 Kühen sind das aber im Jahr 146 kg Phosphor. Dies entspricht 335 kg Phosphat oder auf 40 ha verteilt, 8,4 kg weniger Phosphat pro ha und Jahr. Im Beispielsbetrieb brächte also allein die Reduktion von Phosphor um ein Prozent im Mineralfutter rund ein Kilogramm weniger Phosphat pro ha und Jahr! Kann also auf eine Mineralfuttergabe gänzlich verzichtet werden, da andere Mengenelemente wie Natrium und Kalzium günstiger über kohlensauren Kalk und Viehsalz abgedeckt werden können? Auf keinen Fall, da der Schwerpunkt bei der Mineralfutterergänzung in der Sicherstellung der Versorgung mit Spurenelementen und Vitaminen liegt! Ein Mineralfutter sollte dabei immer als „Ergänzung“ von Mengen- und Spurenelementen verstanden werden, nicht als alleinige Quelle. Ergänzen kann man aber nur, wenn man weiß, was man ergänzen muss. In der Rinderfütterung heißt das, die Gehalte an Mengen- und Spurenelementen in der Ausgangsration zu kennen. Ohne vorhergehende Untersuchung auf die tatsächlichen Gehalte an Mengen- und Spurenelementen ist eine bedarfsgerechte Ergänzung nicht möglich und fällt meist viel zu hoch aus. Aus Gründen einer bedarfsdeckenden Fütterung, der Futterkosten, aber auch der Umweltrelevanz insbesondere von Phosphor-Ausscheidungen sollte deshalb jeder Betrieb seine Hauptfuttermittel Gras- und Maissilage auch auf Mineralstoffe untersuchen lassen!