100 % Bio-Futter - eine Eiweißfrage
Durch die Anpassung der Vorgaben für den Futterzukauf auf 100 % Bio-Futter wird die Bandbreite der Futtermittel zur Abdeckung der Eiweißversorgung am Darm (nXP) eingeschränkt und die Fütterung gegebenenfalls verteuert. Als bewährte Futtermittel betrifft dies insbesondere Biertreber sowie Raps- und Leinkuchen, die über vergleichsweise hohe Anteile an unabbaubarem Protein (UDP) verfügen. Eine Fütterung auf Basis 100 % Bio-Futter rückt die eigenerzeugten Futtermittel und die Optimierung der mikrobiellen Proteinsynthese wieder stärker in den Vordergrund. Der nachstehende Beitrag zeigt die Möglichkeiten und Grenzen zur Anhebung der Proteinversorgung am Darm auf.
Erhöhung der mikrobiellen Proteinsynthese
Aus dem Bereich der Proteinforschung ist bekannt, dass die Höhe der mikrobiellen Proteinsynthese in erster Linie von der im Vormagen freigesetzten Energie abhängig ist. Alle Maßnahmen zur Erhöhung der Energieaufnahme sind damit auch positiv im Hinblick auf die mikrobielle Proteinsynthese. Zum Zweiten gilt es stabile Fermentationsbedingungen im Pansen zu schaffen. Dies heißt geringe pH-Wert-Schwankungen und eine möglichst gleichmäßige und zeitlich abgestimmte Freisetzung von Energie und Stickstoff im Vormagen.
Um die Möglichkeiten der mikrobiellen Proteinsynthese auszuschöpfen, gilt es daher in erster Linie die klassischen Empfehlungen zu Futterqualität, Rationsgestaltung und Rationskontrolle möglichst perfekt umzusetzen. Im Hinblick auf Futteraufnahme und der Reduktion des Körperfettabbaus kommt der Optimierung des Laktationsstarts eine hohe Relevanz zu. Der verstärkte Abbau von Körperfett erhöht das Proteindefizit am Darm, da aus Körperfett zwar Energie für die Milchbildung aber kein Protein bereitgestellt wird.
Aus Fütterungssicht ist die Weide besonders schwierig, da die Freisetzung von Stickstoff im Vormagen sehr schnell erfolgt und die zeitgleiche Beifütterung schwierig ist. Kurze Weideperioden mit abgestimmter Beifütterung verbessern die Situation. Ferner ist auf eine ausreichende Versorgung mit pansenverfügbaren Kohlenhydraten zu achten. Neben Zucker und Stärke ist dies Pektin. Neben der Optimierung der mikrobiellen Proteinsynthese ist auf eine ausreichende Bereitstellung von Vorstufen für die Milchzuckerbildung zu achten, um die Nutzung von Protein für die Bildung von Lactose gering zu halten.
Anhebung UDP
Neben der mikrobiellen Proteinsynthese ist das unabbaubare Futterprotein (UDP) Quelle für die Proteinversorgung der Milchkuh. Die Menge an UDP hängt von der Rohproteinmenge und dem Abbau der Futterproteine im Vormagen ab. Da die mikrobielle Proteinsynthese beschränkt ist und der relative nXP-Bedarf je MJ NEL mit steigender Milchleistung ebenfalls erhöht ist, erhöht sich der Bedarf an UDP überproportional mit steigender Milchleistung. Um den Bedarf zu decken bedarf es daher Futtermittel mit höheren Anteilen an UDP.
In Grünfutter und deren Silagen, Getreide und Leguminosen liegen die Anteile an UDP jedoch mit 10 bis 25% relativ niedrig. Höhere Anteile an UDP sind in erster Linie durch thermische oder hydrothermische Behandlung zu erzielen. Ein klassisches Beispiel ist Trocknung von Gras zu Heu bei möglichst intensiver Einstrahlung. Eine weitere Möglichkeit ist die Grünfuttertrocknung. Bei Grascobs wird ein UDP-Anteil von 40% unterstellt. Der Rohproteingehalt ist allerdings gering, so dass die Erhöhung der UDP-Menge ebenfalls eher gering ist. Ferner ist der energetische Aufwand in Relation zum Effekt vergleichsweise hoch.
Neben der Trocknung haben sich inzwischen technische Verfahren zur Aufarbeitung von Leguminosen entwickelt und etabliert. Mit den Verfahren können die UDP-Anteile in Erbsen und Lupinen merklich angehoben werden. Inzwischen wurden eine Reihe von Versuchen angestellt. Im Ergebnis zeigt sich, dass mit behandelten Lupinen eher Effekte zu erzielen sind als mit Erbsen. Dies ist auch zu erwarten, da bei den Lupinen der Rohproteingehalt erheblich höher liegt als bei den Erbsen. Eine abschließende Bewertung steht noch aus, da ein Gesamtschema der Ergebnisse erst nach Einbeziehung der noch in Auswertung befindlichen Versuche möglich ist. Dies betrifft auch die ökonomische Bewertung. Die Verfahren zur Proteinstabilisierung und der damit verbundene finanzielle Mehraufwand rechnen sich nur bei einer entsprechenden Mehrleistung der Kühe.
Für die sachgerechte Einstellung der UDP-Anteile ist die Analyse der Futter zu erweitern. Vorgeschlagen sind die chemische Fraktionierung und der um die Ammoniak-Freisetzung erweiterte Hohenheimer Futterwerttest (HFT). Die Etablierung dieser Methoden schreitet voran. Im ersten Schritt gilt es mit Hilfe der Methoden die Einschätzung der Futter zu verbessern. Zu berücksichtigen ist hierbei auch das Ernährungsniveau. In diesem Zusammenhang gibt es veränderte Rangierungen zwischen Gräser und Leguminosen. Der Rückgang der Verdaulichkeit mit steigendem Ernährungsniveau ist bei Klee und Luzerne geringer als bei den Gräsern.
Fazit
Auch mit 100 % Bio-Futter lässt sich die Eiweißversorgung der Kuh sichern. Die Anforderungen an das Futter, die Fütterung und die Rationskontrolle steigen jedoch. Im Vordergrund steht zunächst die Optimierung der mikrobiellen Synthese und die effektive Nutzung des nXP für die Bildung von Milcheiweiß. Eine gezielte Anhebung der UDP-Anteile durch Trocknung und hydrothermische Behandlung kann die Eiweißversorgung weiter verbessern. Der erforderliche energetische Aufwand und die Mehrkosten für die Behandlung der Futtermittel sind jedoch nicht unerheblich und für die Beurteilung zu berücksichtigen.