Mutterkorn in wirtschaftseigenen Futtermitteln

Ähren in Nahaufnahme.

Mit Mutterkorn befallene Ähren

Als Mutterkorn werden die Sklerotien, das Dauermycel des Pilzes claviceps purpurea, bezeichnet. Dieser Pilz gehört zu einer Gruppe mit über 30 Arten, die über 600 Gräser befallen können, einschließlich aller Getreidearten.

Es wird vermutet, dass schon vor mehr als zweitausend Jahren die Menschen Mutterkorn als Medizin kannten. Von den Azteken wird angenommen, dass sie in dieser Zeit Mutterkornalkaloide als Rauschmittel bei religiösen Ritualen einnahmen. In Europa wird über die erste Massenvergiftung in Paris im Jahr 945 berichtet. Hungersnöte im 16. und 17. Jahrhundert führten häufig zu diesen Massenvergiftungen, da in der Not alles verzehrt und zudem das Getreide nicht gereinigt wurde. Massenvergiftungen mit Mutterkorn wurden 1951 in Frankreich registriert, aber auch noch vor rund 20 Jahren in Indien und Afrika. Die Krankheit war unter dem Begriff Antoniusfeuer, Pestfeuer beim Menschen bekannt.

Entstehung

Mutterkorn-Aufnahmen unter dem Mikroskop.Zoombild vorhanden

Mutterkorn in Getreide und Gras

Auf das Feld kommen die Mutterkörner entweder bei der Ernte oder über das Saatgut. Im Frühjahr keimen die Mutterkörner aus und entlassen ihre Ascosporen. Gelangen sie auf die Narbe einer Gramineenblüte, kann es zur Infektion kommen. Besonders frühblühende Gräser wie Acker- und Wiesenfuchsschwanz können Getreidebestände infizieren. Auf den infizierten Gräsern entwickelt sich der Mutterkornpilz und es kommt zur Honigtaubildung, die bis zu zwei Wochen dauern kann. Über Insekten werden die Konidien im Honigtau von Gräsern auf die Getreideblüte übertragen. Die Infektion der Narbe der Getreideblüte (Zeitraum: Öffnen der Blüte bis Befruchtung) kann auch direkt über die Sporen des ausgekeimten Mutterkorns erfolgen. Feuchte Witterung erhöht das Sporenangebot, trockene vermindert es und erhöht aber bei Roggen die erfolgreiche Bestäubung mit geringeren Infektionschancen für die Sporen des Mutterkorns. Bei Regen und kühler Witterung sind Weizen und Gerste anfälliger. Nach einem Jahr mit starkem Mutterkornbefall ist auch der Infektionsdruck in den Folgejahren höher. Andere Faktoren wie Kulturmaßnahmen – Randstreifen, Brachen – und verstärkte Anfälligkeiten, z. B. bei Hybridroggen, scheinen die Infektionen zu begünstigen.

Vorkommen

Das Vorkommen von Mutterkorn unterliegt witterungsbedingt starken regionalen und jährlichen Schwankungen. Konsum- als auch Futtergetreide können gleichermaßen betroffen sein. In der folgenden Tabelle 1 werden Daten über die Häufigkeit des Mutterkornbesatzes in Futtergetreide genannt, wobei zu beachten ist, dass die Ergebnisse aus einem Belastungsgebiet bzw. aus Verdachtsproben stammen.
Tabelle 1: Vorkommen von Mutterkorn (Häufigkeit der belasteten Proben in %)
Getreideart1987
(Richter et al. 1988)
1988
(Richter et al.
1989)
1986 bis 1989
(Kamphues und
Drochner 1991)
1992 bis 1994
(Coenen et. al. 1995)
Weizen5561312
Gerste24232
Hafer29014
Roggen73583368
Triticale75533349
Die genaue Angabe der zitierten Quellen können bei der Arbeitsgruppe 1b Konservierung, Futterhygiene des Instituts für Tierernährung und Futterwirtschaft angefordert werden.
Für Bayern wurde im Jahr 1987 eine relativ häufige Belastung in einer begrenzten Region festgestellt. Das darauffolgende Erntejahr zeigte aber wider Erwarten in diesem Gebiet geringere Belastungen auf. Mutterkorn ist in Weizen, Gerste und häufiger in Roggen, aber auch in Triticale zu finden. Dies zeigen auch die Untersuchungen anderer Autoren. Die mittlere Belastungshöhe der Proben mit Mutterkorn ist bei Weizen 367 mg/kg und bei Gerste 449 mg/kg höher, als bei Roggen mit 212 mg/kg, Triticale 166 mg/kg und Hafer 4 mg/kg. Im Folgejahr mit der geringeren Belastung lag Weizen mit 30 mg/kg, Gerste mit 10 mg/kg deutlich unter Roggen mit 150 mg/kg und Triticale mit 90 mg/kg. Mutterkorn konnte bei Hafer nicht gefunden werden. Das in Bayern in Haferproben gefundene Mutterkorn stammte von Gräsern des Haferbestandes.
Auch für 1999 liegen aus einigen Regionen Hinweise zu einem erhöhten Befall mit Mutterkorn vor. Eindeutige Regelungen für Brotgetreide in Bezug auf tolerable Mutterkorngehalte fehlen (Interventionsrichtlinie 0,05 %, EU-Richtlinie 2002/32 EEC 500 mg/kg). Die Mühlen sortieren aber ihrer Sorgfaltspflicht entsprechend Mutterkorn aus. In der Futtermittelverordnung ist der zulässige Höchstgehalt mit 1000 mg Mutterkorn je kg Getreide geregelt.
Es kann aufgrund der vorliegenden Ergebnisse zwar von einem wiederkehrenden Vorkommen von Mutterkorn ausgegangen werden, nicht aber von einem generellen Problem. Trotzdem sollte der Bestand vor der Ernte bzw. das Druschgut in Befallsgebieten regelmäßig kontrolliert werden.

Mutterkornalkaloide

Alkaloide sind fettlösliche Pflanzeninhaltsstoffe. Zusammen mit Säuren sind wasserlösliche Salze möglich. Die Mutterkornalkaloide sind Derivate der Lysergsäure. In Mutterkorn lassen sich LSD, Ergometrin, Ergosin, Ergotamin, Ergocornin, Ergokryptin und Ergocristin nachweisen.
Tabelle 2: Mutterkornalkaloide (LD 50)
AlkaloidLD 50
mg/kg LG
Kaninchen i.v.1)
Ergometrin3,2
Ergotamin3,0
Ergocornin0,9
Ergokryptin1,0 - 0,8
Ergocristin1,9
LSD0,3

1) LD 50 (letale Dosis) = Konzentration, die bei 50% der Versuchstiere zum Tod führte.

Schweine gelten dabei unter den landwirtschaftlichen Nutztieren als empfindlich. Sauen reagieren aufgrund hormoneller Unregelmäßigkeiten mit dem Rückgang von Säuge- und Wurfleistung. Aufgrund gefäßverengender Wirksamkeiten kann es sogar zu einem Absterben von Gewebe kommen (z. B. Ohrspitzennekrosen).

Maßnahmen

Mutterkorn ist relativ leicht von der Gesamtpartie abzutrennen.
Durch Windsichten, Sieben oder Ausblasen aus dem Gutstrom (Farbscanner) ist eine starke Reduktion des Mutterkornanteils erreichbar.
Betriebe, welche keine eigene Möglichkeit der Reinigung haben, sollten diese Maßnahme im Lohn durchführen lassen.

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