FUNGAS – Nutzung anaerober Pilze für die Vergärung lignocellulosereicher Biomasse
In der INTERREG-Region Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein (ABH) sind die Bedingungen für eine stärkere Etablierung von Biogasanlagen besonders schwierig. Die Landwirtschaft als Quelle für Einsatzstoffe und als möglicher Anlagenstandort ist besonders klein strukturiert. Regional verfügbar ist vor allem solche Biomasse, die reich an Lignocellulose (LC) ist und daher in Biogasanlagen typischerweise langsam abgebaut wird. Hinzu kommt ein saisonal stark variierendes Aufkommen solcher Biomasse in Verbindung mit der Alm-/Alpwirtschaft. Im Pansen von Wiederkäuern sorgen anaerobe Pilze für einen im Vergleich zu Biogasanlagen um ein Vielfaches schnelleren Aufschluss von LC. Ob man sich diese Eigenschaft der anaeroben Pilze zunutze machen kann, um die Biogaserzeugung aus LC-reicher Biomasse (LCB) deutlich kosteneffizienter zu gestalten, wird im Projekt FUNGAS von einem multidisziplinären Forschungsteam in Verbindung mit Partnern aus der Praxis untersucht.
Problemstellung
Die Vergärung von Gülle und Mist in landwirtschaftlichen Biogasanlagen vermeidet effektiv die Freisetzung von Treibhausgasen, erzeugt Biogas als vielseitig nutzbaren Energieträger und bringt zudem Vorteile für die organische Düngung. Der wirtschaftliche Erfolg solcher Anlagen ist jedoch stark von der vorherrschenden Agrarstruktur abhängig: Beispielsweise werden von den anfallenden Wirtschaftsdüngern in der Milchviehhaltung im Mittel für Bayern lediglich rund elf Prozent vergoren, während die entsprechende Vergärungsquote für Thüringen bei über 80 % und für Gesamtdeutschland bei 23 % liegt.
Die INTERREG-Region Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein (ABH) ist von besonders klein strukturierter Landwirtschaft geprägt und hier sind die Vergärungsquoten für Gülle und Mist nach wie vor marginal. Die weitere Verbreitung von Hof-Biogasanlagen für kleinere Tierbestände scheitert an wirtschaftlichen Hemmnissen, vor allem an den hohen Investitionskosten im Verhältnis zur Erzeugungskapazität. Tierische Exkremente – und andere an LC-reiche Reststoffe aus der Landwirtschaft – weisen ein geringes Biogaspotenzial in Bezug auf die Frischmasse auf und die Vergärung erfordert vergleichsweise lange Verweilzeiten. Daher ist die Produktivität des Gärvolumens mit diesen Substraten limitiert. Es gibt zwar vereinzelte Konzepte, in denen eine Güllekleinanlage so günstig errichtet wurde, dass sich die Investition lohnen kann. Aufgrund der hohen Anforderungen an die Anlagensicherheit und den Umweltschutz bleiben diese jedoch Ausnahmen.
Ein alternativer Ansatz soll im vorliegenden Projekt erforscht werden: dieser richtet sich darauf, die Produktivität des Gärvolumens beim Einsatz von LCB signifikant zu steigern. Der Abbau von LCB im Gärbehälter wird vor allem durch die Tatsache limitiert, dass die enzymatische Hydrolyse von Cellulose und Hemicellulose aufgrund der Inkrustierung mit Lignin erschwert ist. Durch thermische, mechanische oder chemische Vorbehandlung kann die Inkrustierung mehr oder weniger effektiv aufgebrochen und so der anschließende Abbau im Gärbehälter beschleunigt werden. Eine energieaufwändige Vorbehandlung stellt jedoch für Klein-Biogasanlagen aus Kostengründen wiederum keine realistische Option dar.
Hier kommen anaerobe Pilze (AP) ins Spiel, die durch ihre Hyphen und ihr reichhaltiges und komplexes Enzym-Repertoire LCB sehr effektiv aufschließen können und z. B. im Pansen von Wiederkäuern vorkommen. In Gärbehältern von Biogasanlagen konnten AP zwar nachgewiesen werden, schienen aber eher vorübergehend vorhanden und nicht dauerhaft aktiv zu sein. Als vielversprechend wird daher der Einsatz von AP zur hydrolytischen Behandlung von LCB vor der Eingabe in den Gärbehälter angesehen. Eine solche Anwendung von AP könnte die Biogaserzeugung aus Reststoffen wirtschaftlich deutlich attraktiver machen und hierdurch einen wichtigen Beitrag zur nachhaltigen Entwicklung der Zielregion leisten.
Pilzwachstum an Strohfasern
Ziele
Im Förderprojekt FUNGAS wird untersucht, ob die Geschwindigkeit und der Grad des Abbaus von LCB in Biogasanlagen mithilfe von AP signifikant gesteigert werden können. Durch eine effektivere Hydrolyse von LCB mittels des direkten Einsatzes von lebenden AP oder mit gewonnenen Enzymen bzw. Enzymcocktails könnte die Vergärung LCB-reicher tierischer Wirtschaftsdünger und Reststoffe deutlich kosteneffizienter dargestellt werden. Der Betrieb von Biogasanlagen, welche an die Struktur der Zielregion angepasst sind, könnte hierdurch wirtschaftlich attraktiv werden und eine zusätzliche Wertschöpfung in der Landwirtschaft ermöglichen. Gleichzeitig könnte mit solchen Anlagen ein Beitrag zu einer ökologisch nachhaltigen Entwicklung geleistet werden, indem regional anfallende erneuerbare Ressourcen zur Energieerzeugung genutzt und Treibhausgasemissionen vermieden werden.
Methode
Im Hinblick auf den Einsatz von anaeroben Pilzen als mögliche Schlüsseltechnologie für die Biogaserzeugung aus LCB werden Metaanalysen zum vorhandenen Biomassepotential sowie zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und aktuellen Verwertungswegen in der Zielregion Alpenrhein-Bodensee-Hochrhein durchgeführt. Auf Basis von Geoinformationen, ergänzt durch Erhebungen bei landwirtschaftlichen Betrieben wird ermittelt, welche Arten und Mengen an tierischen Wirtschaftsdüngern und Reststoffen in der Zielregion anfallen und welche Verwertungswege diese derzeit nehmen.
Die Wirksamkeit von AP bzw. von daraus abgeleiteten Produkten für die hydrolytische Vorbehandlung von LCB zur anschließenden Vergärung wird für drei verschiedene Verfahrensalternativen untersucht:
- Zugabe aktiver Pilzbiomasse,
- Zugabe zuvor extrahierter Pilzenzyme und
- Zugabe rekombinant exprimierter Pilzenzyme.
Als Basis für die Auswahl der vielversprechendsten Pilzstämme dienen zunächst im Projektkonsortium bereits vorhandene anaerobe Pilzkulturen. Falls notwendig, werden zudem neue anaerobe Pilze isoliert und identifiziert. Die AP werden nach verschiedenen Selektionskriterien ausgewählt, z. B. anhand möglichst effizienter Enzymaktivitäten zum Aufschluss von Lignocellulose bei starkem und zuverlässigem Wachstum, und dann in speziell konfigurierten Bioreaktorsystemen kultiviert.
Mit Hilfe bioinformatischer Analytik und der Recherche in entsprechenden Datenbanken werden mögliche Enzymkandidaten ausgewählt und rekombinant produziert. Dazu werden Laborstudien mit verschiedenen Enzymen oder Enzymmischungen zur Bestimmung der Aktivität beim Abbau von LCB durchgeführt. Durch die Variation verschiedener Prozessbedingungen bei der enzymatischen Vorbehandlung von Biomasse wird eine signifikante Steigerung der Biogasausbeute angestrebt. Diejenigen Enzyme, welche sich als die effizientesten für den LCB-Aufschluss herausstellen, werden anschließend im Labor im Gramm-Maßstab rekombinant produziert und aufgereinigt.
Im nächsten Schritt werden ausgewählte Substrate im Labormaßstab enzymatisch und / oder mit lebenden AP vorbehandelt, und anschließend wird deren Biomethanpotenzial mittels Gärtests bestimmt. Der Nachweis der Enzymaktivitäten beim Einsatz zur Vorbehandlung erfolgt mittels Enzym-Assays und Proteomanalysen. Durch konventionelle und molekularbiologische Analytik werden die Umsatzleistung, das Schicksal der Inokula auch quantitativ und die zeitliche Veränderung des Gärsubstrates untersucht.
Schließlich wird die Praxistauglichkeit des Einsatzes von Enzymen und / oder lebenden AP in kontinuierlichen Biogasversuchen in einer Pilotanlage überprüft. Hierbei werden prozesstypische Parameter wie z.B. Raumbelastung, Verweilzeit und Gärtemperatur variiert. Auch in diesen Versuchen werden mit Hilfe von konventioneller und molekularbiologischer Analytik die Umsatzleistung und das Verbleiben der Inokula beurteilt.
Aufbauend auf den Ergebnissen der Metaanalysen und der experimentellen Arbeiten zum LCB-Aufschluss durch Enzyme und AP wird eine Szenarioanalyse in Verbindung mit Ökobilanzen durchgeführt, um abzuschätzen, wie sich bei der Vergärung von tierischen Wirtschaftsdüngern und Reststoffen die Umweltwirkungen durch den Einsatz von AP bzw. daraus abgeleiteten Präparaten im Vergleich zu aktuellen Verwertungswegen verändern. Zudem wird untersucht, unter welchen Bedingungen die Etablierung von Biogasanlagen wirtschaftlich profitabel sein kann. Bereits für die Konzeption der Szenarioanalyse und im weiteren Verlauf der Forschungsarbeiten wird ein intensiver Austausch mit den relevanten Stakeholdern in der Zielregion gesucht, um sicherzustellen, dass die Projektergebnisse auch bestmöglich umgesetzt werden können. Eine besondere Rolle beim Transfer in die Praxis spielen die Unternehmen und Institutionen, die als assoziierte Partner im Projekt mitwirken.
Ergebnisse
Erste veröffentlichungsreife Ergebnisse aus der Metaanalyse zum vorhandenen Biomassepotential und zur Charakterisierung geeigneter pilzlicher Enzyme sind in der zweiten Hälfte des Jahres 2024 zu erwarten.
Projektinformation
Projektleitung (ILT): Dr. Thomas Venus
Projektbearbeitung: Dr. Thomas Venus, Dr. Mathias Effenberger (ILT); Dr. Veronika Flad, Julia Veitengruber (Abteilung Laboranalytik)
Kooperationspartner: Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (Gesamtleitung); Universität Innsbruck
Assoziierte Partner: Schweizer AG; ENERGIE WENDEN; AAT Abwasser- und Abfalltechnik GmbH; MyPilz GmbH; Genossenschaft Ökostrom Schweiz; Senzyme GmbH
Projekttitel: FUNGAS - Enzyme von anaeroben Pilzen erhöhen die Gasausbeute von Reststoffen und ermöglichen die Biogasproduktion in Kleinanlagen
Laufzeit: 01.07.2023 bis 30.06.2026
Auftrag- und Fördermittelgeber: Interreg Alpen-Bodensee-Hochrhein
Förderkennzeichen: ABH 016 FUNGAS