Stallgebäude erfolgreich errichten - Ein Leitfaden für die Landwirtschaft

Stallneubau im Außenbereich
Der Bau und die Erweiterung von Tierhaltungsanlagen werden in der Öffentlichkeit zunehmend kritisch betrachtet. Die Angst vor „Massentierhaltungsanlagen“, noch dazu vor der eigenen Haustüre, nimmt zu. Der Widerstand formiert sich häufig zeitig und führt nicht selten zur Gründung von Bürgerinitiativen. Eine Unterscheidung zwischen bäuerlicher Landwirtschaft und Intensivtierhaltung wird hierbei nicht immer vorgenommen, auch verlaufen die Grenzen hier teils fließend.
Der Landwirt ist heute nicht mehr nur als Tierhalter und Unternehmer gefragt, sondern wird zunehmend auch in seinen kommunikativen Fähigkeiten herausgefordert. Ein Stallneubau muss sich finanziell lohnen, so dass dieser i.d.R. mit einer Bestandsaufstockung einhergeht. Mit Widerständen aus der Nachbarschaft, nicht nur aus landwirtschaftsfernen Bevölkerungsschichten, ist daher häufig zu rechnen. Damit ein Stall(neu)bau gelingt, sind einige Vorüberlegungen und wohl überlegte Planungen notwendig, die über den eigentlichen Bau und Betrieb des Stalles hinaus gehen.
Der hier vorgestellte Leitfaden soll eine erste Hilfestellung geben, wie in Zeiten einer kritischen Öffentlichkeit die Planung eines neuen Stallgebäudes erfolgreich vorbereitet und durchgeführt werden kann.

Landwirtschaftliche Tierhaltung in Bayern

Bundesweit geht der Trend in der Landwirtschaft hin zu einer Intensivierung in der Tierhaltung, die mit einem Rückgang der Anzahl der Tiere haltenden Betriebe bei zugleich steigenden Bestandszahlen im Einzelbetrieb einhergeht. Einen Schwerpunkt bilden hierbei die nordwestlichen Bundesländer. In Bayern ist die Landwirtschaft im bundesdeutschen Vergleich eher klein strukturiert, jedoch folgen auch die bayerischen Tierhalter dem Trend sinkender Anzahl landwirtschaftlicher Betriebe und teils sinkender Anzahl der Nutztiere (Rind und Schwein) bei zugleich steigenden Bestandsgrößen pro Betrieb.

Häufige Bedenken der Anwohner

Nutztierställe sind in vielen bayerischen Gemeinden der Auslöser von Konflikten zwischen Landwirten und Anwohnern. Konfliktgegenstand sind entweder der Neubau bzw. die Erweiterung eines Stalles oder Immissionen aus einem bestehenden Stall.
Anwohner befürchten Geruchs- und Lärmemissionen sowie gesundheitliche Beeinträchtigungen durch Feinstaub und Keime. Angesichts der (erwarteten) Immissionen beklagen Grundstücks- und Wohneigentümer die Verminderung der Wohn- und Lebensqualität und damit den Verfall von Immobilien- und Mietpreisen. Vielerorts entdecken sich Kritiker plötzlich als Verfechter einer artgerechten Tierhaltung und werfen dem Landwirt Massentierhaltung vor. Andere kritisieren die Verschmutzung des Trinkwassers durch übermäßige Gülle- oder Festmistausbringung oder sehen das Stallbauvorhaben als unzumutbaren Eingriff in das Landschaftsbild an.

Stallbau und -erweiterung richtig planen

Standortfaktoren

Grafik: Standortfaktoren beim StallbauZoombild vorhanden

Kurzübersicht Standortfaktoren

Grundsätzlich ist die Standortwahl einer der entscheidendsten Punkte der Planung. Der Standort sollte stets sorgfältig ausgewählt werden. Neben den rein unternehmerischen Überlegungen (Zufahrtswege, vorhandene Grundstücke, etc.) sind auch gesetzlich geregelte Vorgaben zu Mindestabständen (Stichwort: Immissionsschutz) zu beachten. Dies sind z.B. Abstände zu Wohnbebauung, empfindlichen Ökosystemen oder anderen Tierhaltungsanlagen. Gegebenenfalls bringen hier Ausbreitungsrechnungen (Beauftragung eines Gutachterbüros) Klarheit. Auch der Aspekt der guten dörflichen Nachbarschaft sollte bei der Wahl des Standorts eine gewisse Rolle spielen. Oftmals ist es hilfreich, sich nicht gleich auf einen einzigen Standort zu konzentrieren, sondern auch Alternativstandorte ins Auge zu fassen und zu prüfen. So kann der eine oder andere Konflikt innerhalb der Gemeinde vermieden werden.

Genehmigungsverfahren

Bei der Genehmigung von Stallbauten entscheidet die geplante Bestandsgröße über die Art des Genehmigungsverfahrens. Die Festlegung des Genehmigungsverfahrens obliegt der jeweiligen Genehmigungsbehörde. Berücksichtigt werden hierbei die Tierplätze der gesamten Anlage am Standort, also nicht nur der zu genehmigende Stallneubau oder Stallumbau. Kleinere Vorhaben werden nach Baurecht, größere nach Bundes-Immissionsschutzgesetz genehmigt. Bei den größeren Vorhaben unterscheidet man wiederum ein sog. förmliches Genehmigungsverfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung und ein sog. vereinfachtes Verfahren ohne Öffentlichkeitsbeteiligung.

Tierschutz

Tierschutzaspekte genießen eine erhöhte Aufmerksamkeit in Kreisen der engagierten Bevölkerung. In der aktuellen Diskussion um größere Stallbaumaßnahmen wird von den Gegnern der Stallbauten häufig das Argument des Tierschutzes angeführt. Gerade für größere Anlagen erscheint es in den Kreisen der außerlandwirtschaftlichen Bevölkerung wenig nachvollziehbar, dass dem Tierwohl (noch) Rechnung getragen werden kann. Dem gilt es, frühzeitig mit sachlichen Argumenten entgegen zu treten.
Der Tierschutz ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankert. Im Tierschutzgesetz bzw. der Tierschutz-Nutztierhaltungsverordnung (TierSchNutztV) werden die Anforderungen konkretisiert.
Auch die TA Luft räumt durch ihr Abwägungsgebot zu Gunsten einer artgerechten Tierhaltung dem Tierschutz eine besondere Rolle ein (Nummer 5.4.7.1): Ein Haltungsverfahren kann aus Gründen des Tierwohls gewählt werden, auch wenn dadurch mit höheren Emissionen zu rechnen ist (Beispiel aus dem Bereich Milchviehhaltung: Umstellung der Anbindehaltung auf einen Laufstall).

Beteiligung von Anwohnern und Bürgerinitiativen

Anwohner und Verbände erhalten an verschiedenen Stellen des Genehmigungsverfahrens direkt und indirekt die Möglichkeit zur Beteiligung.
Neben der Nachbarbeteiligung der unmittelbaren Grundstücksnachbarn besteht auch die Möglichkeit der öffentlichen Bekanntmachung des Vorhabens, sofern es geeignet ist, „die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft zu gefährden, zu benachteiligen oder zu belästigen“. Genehmigungsverfahren ab einer gewissen Größenordnung erfordern eine Öffentlichkeitsbeteiligung. Im Genehmigungsverfahren nach §10 Bundes-Immissionsschutzgesetz „hat die zuständige Behörde das Vorhaben [...] öffentlich bekannt zu machen“, wenn „die Unterlagen des Antragstellers vollständig“ vorgelegt wurden. Gleiches gilt im Wesentlichen für Genehmigungen mit der Pflicht zur Durchführung einer UVP.
Auch nach erteilter Genehmigung kann es weiterhin Spannungen zwischen dem Betreiber der Anlage und einzelnen Nachbarn geben. Sind die Genehmigungsvoraussetzungen für den Stallbau erfüllt und wurde die Baugenehmigung erteilt, gibt es für Anwohner nur noch beschränkte Möglichkeiten, sich gegen die Genehmigung einer Anlage (gerichtlich) zur Wehr zu setzen. Zudem besteht nach erteilter Genehmigung zu Bau und Betrieb eines Stalles für anerkannte Umwelt- und Naturschutzverbände die Möglichkeit der Verbandsklage.
Beim modernen Stallbau ist zudem nicht selten mit der Bildung einer Bürgerinitiative (BI) zu rechnen. Bürgerinitiativen sind ein Zusammenschluss von direkt oder indirekt betroffenen Anwohnern, die gemeinsam in der Öffentlichkeit gegen ein konkretes Vorhaben bzw. für ein konkretes Anliegen auftreten. Bürgerinitiativen sind als Solche i.d.R. nicht rechtsfähig, jedoch können Mitglieder der BI als Einzelpersonen Einwendungen im Genehmigungsverfahren vorbringen und die Meinung der Öffentlichkeit wesentlich beeinflussen. Die Auseinandersetzung mit Bürgerinitiativen sollte in jedem Fall ernst genommen werden, sowohl auf der sachlichen als auch auf der emotionalen Ebene.

Empfehlungen

Beim modernen Stallbau sind bereits im Vorfeld der Baumaßnahme viele Aspekte zu berücksichtigen, die über die rein baulichen Überlegungen hinaus reichen:

  • In Zeiten einer zunehmend kritischer werdenden Öffentlichkeit empfiehlt es sich, auch im Hinblick auf künftige Entwicklungsschritte des Betriebes, im Vorfeld der konkreten Planung mehrere Standortmöglichkeiten zu prüfen. Bei der Wahl des Standortes sollte dem Aspekt der Akzeptanz durch die Nachbarschaft eine wichtige Rolle zukommen.
  • Ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis und eine rechtzeitige Information der Anrainer können einen guten Weg zum erfolgreichen Bauvorhaben bereiten. Im Interesse eines guten nachbarschaftlichen Miteinanders ist darauf zu achten, dass nicht nur beim Bau sondern auch beim künftigen Betrieb der Anlage möglichst wenige Konflikte auftreten. Der einzelne engagierte und offene Landwirt kann dazu beitragen, das Bild der Landwirtschaft und besonders der landwirtschaftlichen Tierhaltung insgesamt positiv zu prägen.
  • An kritischen Standorten kann in Einzelfällen auch eine Abluftreinigung in Betracht gezogen werden, auch wenn diese bislang nicht zum Stand der Technik erklärt worden ist.
  • Bei Hinzuziehen von externen Fachleuten ist angeraten darauf zu achten, dass diese bereits Erfahrungen im landwirtschaftlichen Stallbau vorweisen können.
Projektinformation
Projektleitung: Dr. Stefan Neser
Projektbearbeitung: Karin Pöhlmann
Bearbeitungszeitraum: 2013 - 2014
Beauftragt durch das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten