Tierwohl in der Milchproduktion
Zusätzlicher Kostenaufwand trifft kleinere (bayerische Anbinde-)Betriebe am härtesten

Eine Kuh reibt sich den Kopf an einer Massagebürste.

Foto: Birgit Gleixner, LfL

Nach Fleisch werden im Einzelhandel auch Frischmilchprodukte nach der sogenannten "Haltungsform" der Initiative Tierwohl (ITW) gekennzeichnet.

Auf die Gesamtwirtschaftlichkeit der Milcherzeugung haben vor allem der Milchpreis, die Produktionskosten und die Entwicklungen des Strukturwandels großen Einfluss. Etwaige Zuschläge für die Tierwohlmilch sind dem untergeordnet. Wie der folgende Beitrag zeigt, macht sich aber auf der Kostenseite die Tierwohlmilch sehr wohl bemerkbar.

Die Ergebnisse in Kürze

  • Um die Kriterien für die Haltungsform Stufe 2 zu erfüllen, müssen Anbindebetriebe mit Mehrkosten von rund 10 Cent je kg Milch rechnen. Dem gegenüber stehen aber nur Mehrerlöse von 1,2 Cent je kg Milch und von 4 Cent je kg Schlachtgewicht für die Schlachtkuh. Daher wird ein Umstieg in der Regel nicht in Frage kommen.
  • Etwas besser schaut es bei den Betrieben aus, die bereits einen Laufstall haben. Hier reduziert sich die höhere Kostenbelastung auf rund 5 Cent je kg Milch. Ist bereits eine Abkalbebucht vorhanden, sind Anpassungskosten von rund 1,65 Cent je kg Milch erreichbar. In diesem Fall scheint ein Umstieg auf die Haltungsform Stufe 2 eher lohnend.
  • In den Haltungsformen Stufe 3 und 4 sind in der Regel die beiden Kostenpositionen Laufhof und Weidehaltung entscheidend. Sind hier kostengünstige Lösungen möglich, kann eine Teilnahme interessant sein.
  • Die Biomilchviehhaltung ist immer der Stufe 4 zuzuordnen.
  • Die Frage, ob sich die Teilnahme an einem Tierwohlprogramm lohnt, muss grundsätzlich immer einzelbetrieblich überlegt und kalkuliert werden.
Laut Statistik vom November 2021 gab es in Bayern 25.208 Milchviehhalter mit insgesamt 1,08 Mio. Milchkühen. Der Rückgang im Vergleich zum Vorjahr lag bei den Betrieben damit bei 4,3 %, während 1,7 % weniger Kühe gehalten wurden.

Noch rund ein Drittel der Betriebe hat Anbindeställe

Ein für Bayern wichtiges Thema ist der Ausstieg aus der ganzjährigen Anbindehaltung. Welchen Anteil die Anbindehaltung in Bayern (noch) einnimmt, zeigt Tabelle 1 (Quelle: LKV Jahresauswertung).
Tabelle 1: Entwicklung der Anbindehaltung in den letzten 10 Jahren
 2011: Betriebe in %2021: Betriebe in %2011: Kühe in %2021: Kühe in %
Anbindestall58,434,639,917,6
Laufstall41,665,260,182,3

Wirtschaftliche Situation

Bei der Betrachtung der wirtschaftlichen Situation zeigt sich der Degressionseffekt bei den Kosten sehr deutlich. Die Auswertung der Testbetriebe in Tabelle 2 zeigt, dass erst die beiden Kategorien ab einer verkauften Milchmenge von 420.000 kg Milch ein Ergebnis erreichen, das für die Betriebe zufriedenstellend ist. Nur ab dieser Größenordnung ist die Eigenkapitalbildung positiv, d. h. es können Nettoinvestitionen getätigt werden. Nettoinvestitionen sind die Investitionen, die über die reinen Ersatzinvestitionen hinausgehen. Dies ist wichtig, um Entwicklungsschritte mitgehen und immer weiter steigende Kosten für Investitionen, Flächenpachten und Löhne bezahlen zu können.
Tabelle 2: Testbetriebsnetz Bayern – Erfolgskennzahlen im Vergleich
verkaufte Milch je Jahr nach GrößenklassenTsd. kg60–120240–300420–480> 600
Milchkühe18,539,159,894,4
Gewinn im landwirtschaftlichen Betrieb inkl. Prämien€/Jahr19.54342.12661.70391.258
- Zinsansatz Eigenkapital u. Pachtansatz eigene Fläche€/Jahr-9.132-13.353-18.175-27.250
= Arbeitslohn der Unternehmerfamilie€/Jahr10.41128.77443.52964.007
/ geleistete Familienarbeitsstundenh/Jahr3.0303.6704.3704.985
= Stundenlohn der Unternehmerfamilie€/h3,447,849,96 12,84
Quelle: Spezialisierte Milchviehbetriebe, konventionell, netto, BMEL-Testbetriebsnetz, fünfjähriger Durchschnitt 16/17–20/21
Beim Blick auf die kleinste Gruppe wird deutlich, dass die Marktsituation diesen Betrieben keine ausreichende Faktorentlohnung bieten kann. Ein Gewinn je Familien-Akh von 3,4 Euro bzw. ein vollkostendeckender Milchpreis in Höhe von über einem Euro verdeutlichen die aussichtslose Wettbewerbssituation. Erst mit zunehmender Größe (ab ca. 40–50 Kühe) erzielen die Betriebe Ergebnisse, von denen der Haupterwerb bestritten werden kann.
Druck herrscht also vorwiegend auf die kleineren Betriebe und insbesondere die Anbindebetriebe. Durch das Thema Tierwohl wird diese Situation noch verstärkt.
Detaillierter Bericht zu den Untersuchungen und Berechnungen der Tierwohlanpassungskosten für bayerische Milchviehbetriebe

Ansprechpartner
Bernhard Ippenberger und Guido Hofmann
Institut für Betriebswirtschaft und Agrarstruktur
Menzinger Str. 54, 80638 München
Tel.: 08161 8640-1208 bzw. -1461
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de

Porträtfoto Bernhard Ippenberger.

Bernhard Ippenberger

Porträtfoto Guido Hofmann.

Guido Hofmann