Bayerns Soziale Landwirtschaft im Aufwind – Entwicklungslinien einer "jungen" Einkommenskombination

Gruppenfoto der Teilnehmer des Infotags Soziale Landwirtschaft

Foto: Sieglinde Bittl, StMELF

Seit 2010 unterstützt die bayerische Landwirtschaftsverwaltung durch verschiedenste Aktivitäten den Aufbau eines Nebenerwerbs in der Sozialen Landwirtschaft.

Das Institut für Betriebswirtschaft und Agrarökonomie (IBA) der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) war bzw. ist dabei umfassend in die konzeptionelle Arbeit, durch Projektarbeit, bei der Ausarbeitung fachlicher Unterlagen und Durchführung von Seminaren eingebunden.
Die Entwicklungen der letzten Jahre und künftige Vorhaben werden im Überblick vorgestellt.

Wie alles anfing

Die ersten Bestrebungen die Soziale Landwirtschaft in Bayern als Einkommensalternative und Vernetzungsinitiative zu etablieren ist engagierten Vertretern/Vertreterinnen der Landwirtschaftsverwaltung und der grünen Sozialarbeit zu verdanken.
Impulsgeber waren zweitägige Veranstaltungen und die anschließende Bildung von drei regionalen Netzwerken im Zeitraum von 2010 bis 2013 (derzeit: sieben). In den Netzwerken treffen sich seither zweimal im Jahr alle an der Sozialen Landwirtschaft Interessierten: (potenzielle) Anbieter/innen, Vertreter/innen von Sozialorganisationen und -behörden sowie Multiplikatoren unter Leitung der Berater/innen an den Ämtern für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (ÄELF).
Das große Interesse an den Netzwerktreffen veranlasste das Bayerische Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten (StMELF) 2014 eine erste praxisorientierte Bestandsaufnahme zur Ist-Situation der Sozialen Landwirtschaft in Bayern in Auftrag zu geben.

Soziale Landwirtschaft in Bayern – eine praxisorientierte Bestandsaufnahme (StMELF) Externer Link

Projekt "Forum Diversifizierung" (2014-2016)

In diesem Projekt wurden von 2014 bis 2016 unter Leitung des IBA im Auftrag des StMELF in interdisziplinär zusammengesetzten Arbeitsgruppen die Grundlagen zum Aufbau der Sozialen Landwirtschaft als Einkommensalternative für Landwirte/Landwirtinnen erarbeitet.

Forum Diversifizierung

Beratung stellt sich immer breiter auf

Seit 2017 werden die Landwirte/Landwirtinnen von jeweils einer Ansprechpartnerin/einem Ansprechpartner an einem AELF pro Regierungsbezirk beraten. Darüber hinaus sind drei Vertreter/innen des Berufsstands beratend tätig.
Im Rahmen des Programms EIP-agri (Europäische Innovationspartnerschaften) fördert das StMELF seit November 2018 die Kooperation (e.V.) von elf ausgewählten Landwirten/Landwirtinnen mit betriebsspezifischen Beratungsleistungen (Betriebsbesuche, Meetings, Ergebnisbericht). Eingebunden in diese operationelle Gruppe ist die xit GmbH forschen.planen.beraten und die LfL.

Mit einem Betriebszweigentwicklungsseminar zum professionellen Angebot

Logo Akademie Diversifizierung
Seit 2019 findet überregional einmal pro Jahr ein modulares Zertifikatsseminar zur Betriebszweigentwicklung mit dem Ziel statt, dass jede(r) Landwirt/in ein eigenes individuelles Unternehmenskonzept erstellt. Im Seminar können die Teilnehmer/innen ihre Potenziale erkennen, individuelle Lösungen für ein Angebot in der Sozialen Landwirtschaft finden und mit fachlicher Unterstützung ein betriebsindividuelles Unternehmenskonzept entwickeln.
Das Konzept für die zehntägige Qualifizierung sowie ein Handbuch (= Formularsatz mit Anleitung) zum Erstellen des individuellen Betriebszweigkonzeptes wurde vom IBA in Zusammenarbeit mit ausgewählten Kollegen/Kolleginnen erarbeitet, wobei das Handbuch begleitend in der Qualifizierung eingesetzt wird.

Akademie Diversifizierung – Qualifizierungsmaßnahmen für landwirtschaftliche Unternehmer/-innen (StMELF) Externer Link

Die Beratungs- und Qualifizierungstätigkeit zeigt, dass die Landwirte/Landwirtinnen sich selber besonders interessieren für die

  • Bereitstellung von Arbeitsplätzen für Menschen mit Beeinträchtigungen um sich von Routinearbeiten zu entlasten,
  • Finanzierungsmöglichkeiten der Angebote, insbesondere durch das neue Bundesteilhabegesetz,
  • die Nutzung leer stehender Bausubstanz am Hof; letztere ist jedoch meist sehr kostenaufwendig.
Durch Beratung, Fachbeiträge und Best-Practice-Reportagen in verschiedenen Medien wird die Soziale Landwirtschaft zunehmend bekannter. Ein erhebliches Interesse von Seiten der Nutzer, Medien und Politik besteht am Seniorenwohnen auf dem Bauernhof. Hier ist die Nachfrage um ein vielfaches höher als das bestehende Angebot.

Vereinsgründung Soziale Landwirtschaft in Bayern e. V.

Um der Sozialen Landwirtschaft auch auf der (sozial-)politischen Ebene Gewicht zu verschaffen und die Interessen der Akteure in der Sozialen Landwirtschaft zu vertreten, gründete sich im April 2018 der Verein „Soziale Landwirtschaft Bayern e.V.“ (derzeit: 40 Mitglieder).

Soziale Landwirtschaft Bayern e.V. Externer Link

Auf dem Weg in die Zukunft - Befragung der landwirtschaftlichen Betriebe mit der Einkommenskombination "Soziale Landwirtschaft"

Im Auftrag des StMELF hat das IBA in Zusammenarbeit mit den Projektmitarbeiterinnen „Dialog mit der Gesellschaft“ an den ÄELF im Jahr 2018/2019 alle bayerischen Betriebe mit der Sozialen Landwirtschaft als Einkommenskombination zu ihren Kontakt- und Kenndaten (Angebotsformen, Zielgruppen, Arbeits- und Geldwirtschaft, Betriebsstruktur) mittels Interview befragt. Insgesamt waren 77 landwirtschaftliche Betriebe bereit sich befragen zu lassen. Davon sind knapp zwei Drittel landwirtschaftliche Familienbetriebe und ein gutes Drittel Sozialeinrichtungen mit einem landwirtschaftlichen Nebenbetrieb. Während viele Sozialeinrichtungen schon immer landwirtschaftliche Nebenbetriebe besaßen, gibt es seit 1990 vereinzelt und ab 2010 verstärkt landwirtschaftliche Familienbetriebe mit Angeboten in der Sozialen Landwirtschaft. Diese Steigerungen können u.a. auch auf die Netzwerk- und Beratungsmaßnahmen der bayerischen Landwirtschaftsverwaltung zurückgeführt werden.

Wohn- und Betreuungsangebote am häufigsten

Im Vergleich zur ersten Bestandsaufnahme 2014 durch die xit GmbH wurden bei der zweiten Erhebung 2018/19 nur Betriebe mit erlebnisorientierten Angeboten erfasst, wenn sich diese überwiegend an Menschen mit Beeinträchtigungen richten. Die neue Bestandsaufnahme belegt, dass die Leistungsspektren breit gefächert sind in der Sozialen Landwirtschaft (siehe Abbildung zum Vergrößern). In landwirtschaftlichen Betrieben ohne die Betriebe von Sozialeinrichtungen werden mit 42 Prozent am häufigsten Wohn- und Betreuungsangebote einschließlich der Möglichkeit zur freiwilligen Mitarbeit bereitgestellt, gefolgt von Arbeitsplatzangeboten mit 22 Prozent. Inklusive erlebnisorientierte Angebote sowie Angebote der tiergestützten Intervention bieten 20 Prozent der befragten landwirtschaftlichen Betriebe an. Urlaub auf dem Bauernhof-Angebote und Camping-Angebote mit Inklusionscharakter offerieren 8 Prozent dieser Befragten. Angebote im Bereich Erziehung bieten insgesamt 8 Prozent der Landwirte/Landwirtinnen an.

Öko-Betriebe überdurchschnittlich stark engagiert

Auffällig ist mit 58 Prozent der sehr hohe Anteil von ökologisch bewirtschafteten Betrieben. Dies mag zum einen bei der Angebotskategorie „Arbeit“ begründet sein im vermehrten Vorhandensein von einfachen Hand-/Routinearbeiten und zum anderen vielleicht auch in der Lebenseinstellung der Betriebsinhaber/innen.
Bemerkenswert ist, dass die Befragten die Zukunft ihres landwirtschaftlichen Betriebs durchwegs positiv sehen. Mit 58 Prozent beabsichtigen die Befragten mehrheitlich in ihrem Betrieb weiterhin Wachstumsinvestitionen zu tätigen, weitere 41 Prozent sehen eine Möglichkeit den landwirtschaftlichen Betrieb zumindest erhalten zu können und nur 1 Prozent will den Betrieb aufgeben. Diese Zahlen sprechen dafür, dass die Befragten mit dem Betriebszweig Soziale Landwirtschaft als weiteres Standbein eine durchaus realistische Möglichkeit sehen, ihre Einkommens- und/oder Arbeitssituation zu verbessern.
Der Gesamtbericht wird im ersten Quartal 2021 als LfL-Information veröffentlicht.
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Kopfbild, Foto: Freudenstein