Marktanalyse
Der bayerische Getreidemarkt seit dem russischen Angriffskrieg

Verladung eines Frachtschiffes mit Getreide.

Foto: colourbox.de#327120

Der russische Angriff auf die Ukraine hat neben der humanitären Katastrophe auch Auswirkungen auf die globalen Warenströme. Sowohl die Ukraine als auch Russland sind wichtige Getreideexporteure auf dem Weltmarkt.
(Stand Juni 2024)

Nachdem Russland die großen Schwarzmeerhäfen in der Ukraine blockiert hatte, erleichterte die Europäische Union (EU) ab Mai 2022 mit sogenannten Solidaritäts­korridoren und der Aussetzung von Einfuhrzöllen den Handel mit ukrainischen Agrarprodukten. Dies führte zu einem deutlichen Anstieg der EU-Importe von Getreide und Ölfrüchten aus der Ukraine, insbesondere in die Anrainerstaaten der Ukraine. Ausschlaggebend für die bayerischen Erzeugerpreise bleibt dagegen die globale Versorgungslage.

Säulendiagramm: Getreideimporte Bayern steigen im Jahr 2023 deutlich stärker als in den Vorjahren.Zoombild vorhanden

Abbildung 1: Getreideimporte nach Bayern

Getreideimporte nach Bayern steigen
Das statistische Bundesamt (Destatis) erfasst grenzüberschreitende Warenbewegungen aus EU-Ländern und Drittstaaten über die Zollverwaltung und Unternehmensabfragen. Diese amtlichen Statistiken zeigen, dass auch die bayerischen Märkte von der Verschiebung der Warenströme infolge des russischen Angriffskrieges betroffen sind (vgl. Abb. 1), jedoch in deutlich geringerem Maße als die Märkte in den Anrainerstaaten. Nachdem der Getreideimport nach Bayern im Kalenderjahr 2022 noch im Durchschnitt der Jahre vor dem Angriff lag, stieg er in 2023 um 17 % gegenüber den Jahren 2018 bis 2021. Gerste verzeichnete hierbei die größte Zunahme (+41 %), während zum Beispiel für Mais kein Anstieg festzustellen ist.
Vier Kurvendiagramme: Aus der Ukraine und deren Anrainerstaaten kommt insgesamt wenig Getreide nach BayernZoombild vorhanden

Abbildung 2: Getreideimporte nach Herkunftsland

Importanteile aus der Ukraine sind sehr gering
Im Jahr 2023 importierte Bayern laut amtlicher Statistik 7.240 Tonnen Getreide aus der Ukraine. Dies entspricht 0,97 % der bayerischen Getreideimporte insgesamt (747.000 Tonnen) und 0,10 % der bayerischen Getreideproduktion (7.327.000 Tonnen im Wirtschaftsjahr 2022/23). Bei Weizen und Mais lagen die Importanteile bei 0,54 % bzw. 3,56 %. Gerste wurde nicht aus der Ukraine importiert. Bedeutender sind die Einfuhren aus den EU-Anrainerstaaten der Ukraine. Der Anteil der bayerischen Getreideimporte aus Bulgarien, Polen, Rumänien, Slowakei und Ungarn betrug im Jahr 2023 14,5 % und variierte in den Vorjahren zwischen 11,3 % (2018) und 18,3 % (2021).
Abbildung 2 verdeutlicht, dass die monatlichen Importe starken Schwankungen unterliegen. Seit Januar 2024 befinden sie sich auf einem höheren Niveau als in den Vorjahren. So stieg insbesondere der Weizenimport aus Ungarn zuletzt stark an. Jedoch importiert Ungarn seit einigen Monaten nur noch geringe Mengen an Getreide aus der Ukraine. Die EU-Getreideimporte aus der Ukraine sind in den Monaten Januar bis April 2024 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um 6,2 % gesunken.
Bayerische Erzeugerpreise folgen weiterhin den Weltmarktpreisen
Zur Beurteilung, ob erhöhte Getreideimporte zu einem Preisverfall auf den heimischen Märkten führen, kann die Entwicklung der bayerischen Erzeugerpreise im Vergleich zur Entwicklung der Weltmarktpreise herangezogen werden. Wie Abbildung 3 am Beispiel Weizen zeigt, orientieren sich die bayerischen Erzeugerpreise sehr stark an den Preisen, die an den europäischen (Rouen, Frankreich) und US-amerikanischen (US-Golf) Exporthäfen gehandelt werden.
Nach nie dagewesenen Preisanstiegen in unmittelbarer Folge auf den russischen Angriff im Februar 2022 beruhigten sich die Märkte wieder, nicht zuletzt, weil die Ukraine ihre Exporttätigkeiten trotz der Blockade wichtiger Exporthäfen aufrechterhalten konnte. Die fallenden Erzeugerpreise zu Jahresbeginn 2024 sind vielmehr auf eine gute globale Versorgungslage zurückzuführen als auf eine Verschiebung der Warenströme. Hier spielen zum Beispiel wiederholte Rekordernten in Russland, hohe Lagerbestände in den USA und eine zögerliche Nachfrage wichtige Rollen. Inzwischen haben sich die Erzeugerpreise von der Niedrigpreisphase im Frühjahr erholt und befinden sich in etwa auf dem Niveau von Anfang 2021.

Kurvendiagramm: Die Erzeugerpreise für bayerischen Weizen folgen den Weltmarktpreisen

Abbildung 3: Entwicklung der bayerischen Erzeugerpreise im Vergleich zu den Weltmarktpreisen

Ansprechpartner
Dr. Stefan Wimmer
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Institut für Agrarökonomie – Fachbereich Marktanalyse
Menzinger Straße 54, 80638 München

Tel.: 08161 8640-1219
E-Mail: Agraroekonomie@LfL.bayern.de

Porträt Stefan Wimmer

Dr. Stefan Wimmer