Forschungs- und Innovationsprojekt
Effizienzsteigerung der Biogasproduktion aus lignocellulosereichen Reststoffen durch den Zusatz von aeroben und anaeroben Pilzen – "LCR-Pilze"

In herkömmlichen Biogasanlagen werden gezielt angebaute Energiepflanzen eingesetzt. Energiepflanzen zählen zu den nachwachsenden Rohstoffen und zeichnen sich durch einen hohen Energieertrag pro Nutzfläche aus. Das Deutsche Bundesministerium spricht sich mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 für die Reduktion des Einsatzes von Energiepflanzen in Biogasanlagen auf 44 % des gesamten eingesetzten Substrates pro Anlage aus. [1, 2]

Die Nutzung landwirtschaftlicher Reststoffe zur Biogasproduktion bietet eine attraktive Lösungsstrategie mit Nachhaltigkeitsfaktor. Der Einsatz von bisher ungenutzten Pflanzenteilen, welche in der Landwirtschaft ohnehin anfallen, vermeidet zudem eine Konkurrenzsituation zwischen Energie- und Lebensmittel- bzw. Futtermittelproduktion und erhöht gleichzeitig die Anbauflächenverfügbarkeit.
Pflanzliche Reststoffe wie Stroh enthalten einen hohen Anteil an Lignocellulose (70 % - 90 % [3, 4]), welche aufgrund ihrer chemischen Struktur schwer abbaubar ist. Faserreiche Substrate führen daher in konventionellen Biogasanlagen zu ineffizientem Substratabbau und einem Anteil an unvergorenem Material von 60 % bis zu 80 %. Abhilfe bei der Vergärung faserreicher Substrate könnten aerobe und anaerobe Pilze schaffen, die in der Natur Hauptzersetzer und somit Spezialisten im Abbau komplexer pflanzlicher Kohlenhydrate sind. Pilze verfügen über ein hochpotentes enzymatisches Arsenal und sind außerdem in der Lage, die pflanzlichen Fasern mechanisch aufzubrechen. Dieses Zusammenspiel aus pilzlicher Enzymatik und Mechanik schafft eine größere Angriffsfläche für hydrolytische Bakterien und soll so die Gesamteffizienz im Biogasprozess erhöhen.
Durch den gezielten Einsatz von Pilzen in landwirtschaftlich betriebenen Biogasanlagen erhofft man sich eine Einsparung an wertvollen Ressourcen durch eine effizientere Nutzung von bereits vorhandenen nachwachsenden Rohstoffen. Konkret soll im Projekt LCR-Pilze der mykologische Faseraufschluss als Vor- und Nachbehandlung in den Biogasprozess integriert und so die Biogasproduktion aus lignocellulosereichen Reststoffen gesteigert und optimiert werden.

Zielsetzung

Hauptziel des Teilvorhabens „LCR-Vorbehandlung mit anaeroben Pilzen“ ist es, eine kontinuierlich anaerob wachsende Pilzkultur zu etablieren, die für die effektive hydrolytische Vorbehandlung von lignocellulosehaltigen Reststoffen im Biogasprozess langfristig eingesetzt werden kann.

Teilziele

  • Auswahl geeigneter Pilzkultur mit ausreichender Persistenz, hoher Fasern-spaltender Aktivität und Überlebensfähigkeit bei minimalen Wachstumsbedingungen
  • Entwicklung eines für den landwirtschaftlichen Betrieb geeigneten Anzuchtmediums für anaerobe Pilze
  • Hochskalierung des Kulturvolumens um den Faktor 400 zur Erreichung eines konventionellen Maßstabes
  • Entwicklung eines anaeroben Pilzzuchttanks zur kontinuierlichen in situ-Kultivierung anaerober Pilze an der Biogasanlage
  • Biogasproduktion aus lignocellulosereichen Reststoffen (verschiedene Stroharten, verholzte Gräser) unter Optimierung des mykobiologischen Faseraufschlusses
  • Bestimmung des Einflusses des Pilzeinsatzes auf das gesamte Biogasmikrobiom

Methode

Im durch die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL) koordinierten Verbundprojekt wird die pilzliche Vor- und Nachbehandlung in einer eigens errichteten Technikums-Biogasanlage erprobt. Der Aufgabenbereich „Mikro- und Molekularbiologie“ der LfL bearbeitet das Teilvorhaben zur Vorbehandlung mit anaeroben Pilzen und die Professur für Pilz-Biotechnologie in der Holzwissenschaft der Technischen Universität München (TUM) die Vor- und Nachbehandlung mit aeroben Pilzen. Konzeption und Montage der Technikumsanlage erfolgt im Unterauftrag durch die Firma INNOVAS BMK GmbH. An der Anlage werden im Projektverlauf verschiedene Betriebsvarianten und deren Effizienz verglichen.
Die Versuche werden durch ein intensives Prozessmonitoring begleitet. Dieses beinhaltet die Gasmengenerfassung, die Gasanalyse, chemische Analytik (TS, oTS, pH-Wert, FOS/TAC, flüchtige Fettsäuren), Faseranalytik, die mikro- und molekularbiologische Überwachung des Pilzwachstums und der pilzlichen Aktivität, sowie die Überwachung des Biogasmikrobioms mittels Multi-Omics-Analytik.

Ergebnisse

Erste Ergebnisse werden im Frühjahr 2025 erwartet.

Projektinformation
Projektleitung: Dr. Veronika Flad (LfL), Prof. Dr. Philipp Benz (TUM)
Projektbearbeitung: Cristina González Rivero (LfL), Nikola Tomic (TUM), Stefan Reitberger (INNOVAS BMK GmbH)
Laufzeit: 01.12.2023 – 30.11.2026
Förderprogramm: Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e.V. (FNR)
Fördermittelgeber: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL). Gefördert aufgrund eines Beschlusses des Deutschen Bundestags.
Förderkennzeichen: 2222NR098A, 2222NR098B

Literatur

  1. Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (Hrsg) Anbau und Verwendung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland. Erhebung, Aufbereitung und Analyse statistischer Daten zum Anbau und zur Verarbeitung nachwachsender Rohstoffe in Deutschland sowie Weiterentwicklung von Methoden hierzu (NRstat). Statistik Stand: April 2024
  2. Gissén C, Prade T, Kreuger E, Nges IA, Rosenqvist H, Svensson S-E, Lantz M, Mattsson JE, Börjesson P, Björnsson L (2014) Comparing energy crops for biogas production – Yields, energy input and costs in cultivation using digestate and mineral fertilisation. Biomass and Bioenergy 64:199–210. doi:10.1016/j.biombioe.2014.03.061
  3. del Río JC, Rencoret J, Prinsen P, Martínez ÁT, Ralph J, Gutiérrez A (2012) Structural characterization of wheat straw lignin as revealed by analytical pyrolysis, 2D-NMR, and reductive cleavage methods. J Agric Food Chem 60(23):5922–5935. doi:10.1021/jf301002n
  4. Ji W, Shen Z, Wen Y (2014) A Continuous Hydrothermal Saccharification Approach of Rape Straw Using Dilute Sulfuric Acid. BioEnergy Research 7:1392–1401. doi:10.1007/s12155-014-9468-y