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Dr. Robert Schätzl, Agraringenieur und Koordinator für Nachhaltigkeit an der LfL
"Nachhaltigkeit oder nachhaltige Entwicklung bedeutet, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen, als gegenwärtig lebende."
Wie soll das Agrarland Bayern künftig aussehen? Wie gestalten wir eine Landwirtschaft, die auch noch in 100 Jahren betrieben werden kann, weil sie Ressourcen schont und die Bedürfnisse von Mensch, Tier und Umwelt gleichermaßen berücksichtigt? Und wie können unsere bäuerlichen Familienbetriebe mit Blick auf Klimaneutralität, Biodiversität und Tierschutz weiterhin ökonomisch erfolgreich bleiben?
Diesen grundlegenden Fragen der Nachhaltigkeit stellt sich die LfL seit vielen Jahren. Neu ist die zentrale Koordination und Vernetzung aller Nachhaltigkeitsthemen: Dabei geht es neben Forschungs- und Innovationsprojekten auch um Konzepte für die LfL insgesamt, um die Weitergabe von Wissen, die Vernetzung mit anderen Forschungs- und Beratungseinrichtungen sowie einen Dialog mit der Wirtschaft, der Politik und der Gesellschaft. So soll die LfL eine praxisnahe, wissenschaftliche Denkfabrik für einen nachhaltigen Umbau der bayerischen Landwirtschaft werden.
Herr Dr. Schätzl, Sie sind seit Januar ausschließlich für Nachhaltigkeitsfragen an der LfL zuständig. Einen Koordinator für Nachhaltigkeit gab es bisher nicht, wurde das Thema bis jetzt stiefmütterlich behandelt?
Dr. Schätzl: Überhaupt nicht! Die Institute der LfL beackern seit Jahren Fragen der Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft. Die LfL hat sehr früh erkannt, dass die Landwirtschaft – ebenso wie alle anderen Lebens- und Wirtschaftsbereiche – nachhaltiger werden muss. Und natürlich ist es unsere Aufgabe, die bayerischen Landwirte bei den notwendigen Anpassungen zu unterstützen. Dass das Thema Nachhaltigkeit aber noch dringlicher geworden ist, liegt auf der Hand. Meine Aufgabe wird sein, die Expertise und die Forschungsbreite der LfL zusammenzuführen und zu bündeln, um die LfL bei der Beantwortung existenzieller Zukunftsfragen noch schlagkräftiger zu machen.
Der Begriff "Nachhaltigkeit", den wir gerade unhinterfragt verwenden, ist äußerst dehnbar, es gibt ja eigentlich nicht die Nachhaltigkeit. Für welche „Nachhaltigkeit“ in der Landwirtschaft arbeitet die LfL überhaupt?
Dr. Schätzl: Der Begriff ist tatsächlich etwas unscharf. Und es gibt auch, das darf man nicht vergessen, sich zum Teil widersprechende Aspekte der Nachhaltigkeit. Grundlegend ist aber, dass die natürlichen Ressourcen so genutzt werden, dass Sie auch zukünftigen Generationen zur Verfügung stehen. Außerdem wollen wir, dass es den in der Landwirtschaft Beschäftigten und den gehaltenen Tieren möglichst gut geht. Dazu gehört auch, dass sich das Wirtschaften auf längere Sicht lohnt. Um sagen zu können, wie nachhaltig eine bestimmte Form der Landwirtschaft ist, heißt das zuerst: Wir brauchen Bewertungskriterien für die Praxis, um den Grad von Nachhaltigkeit zu bestimmen. Es lässt sich nämlich gar nicht so einfach sagen, welches Handeln welche Auswirkungen auf Mensch, Tier und Umwelt hat. Das ist sehr komplex und muss möglichst breit hinterfragt werden.
Wie könnten solche Bewertungssysteme für die Landwirtschaft aussehen?
Dr. Schätzl: Tatsächlich arbeitet die LfL schon sehr konkret an einzelnen Bewertungsinstrumenten für die nachhaltige Landwirtschaft. Frau Dr. Zehetmeier und ihr Team haben zum Beispiel ein Online-Tool zum betrieblichen Klimacheck entwickelt, das die Treibhausgase berechnet und dabei auch ökonomische Folgen berücksichtigt. Dieses Tool wird jetzt Schritt für Schritt ausgebaut.
In Zukunft möchten wir die betriebliche Nachhaltigkeit in ihrer Gesamtheit bewerten können. In der Rinderzucht haben wir seit einigen Jahren den ökologischen Gesamtzuchtwert, der nicht nur die Leistung der Tiere an Milch oder Fleisch berücksichtigt, sondern auch Eigenschaften, die für eine lange andauernde Gesundheit der Tiere wichtig sind.
Herr Dr. Schätzl, die LfL "denkt" die Nachhaltigkeit aber auch in andere Richtungen. Welche Forschungsfelder hat die LfL hier noch?
Wir entwickeln derzeit eine Reihe alternativer Bewirtschaftungssysteme für Landwirtinnen und Landwirte. Für eine nachhaltige Moornutzung etwa, ein Projekt mit enormem Klimaschutzpotenzial, kooperieren vier LfL-Institute mit weiteren Partnern aus Forschung und Praxis. In Ruhstorf, unserem neuen Zentrum für eine interdisziplinär betriebene Forschung, erproben wir den Pflanzenbau der Zukunft mit neuen Fruchtfolgen und Anbaumethoden, digitalen Technologien und Feldrobotik.
Nachhaltigkeit heißt für die Landwirtschaft auch, sich den neuen Klimabedingungen zu stellen.
Ja, darum arbeiten unsere Pflanzenzüchter derzeit intensiv an nachhaltigen Sorten, sei es Getreide, Hopfen oder Linsen, die mit Hitze, weniger Wasser und weniger Dünger zurechtkommen und dank Resistenzen kaum Spritzmittel brauchen. Durch moderne Methoden wie die markergestützte Selektion oder die automatisierte Phänotypisierung erzielen wir dabei immer schnellere Züchtungserfolge.
Gestatten Sie uns noch einen Blick Richtung Verbraucher. Bio-Produkte werden immer beliebter, Regionalität ist gefragt, vegetarische oder gar vegane Ernährungsweisen nehmen zu. Ein Problem für unsere Landwirtschaft?
Das ist in der Tat eine Herausforderung für Landwirtinnen und Landwirte, die aber auch Chancen bietet. Ich sehe hier einen deutlichen Trend zu nachhaltigeren Feldfrüchten und hochwertigem Fleisch, und das erleichtert uns den Umbau der Landwirtschaft. Ich glaube, die Bereitschaft, für ökologisch und ethisch ordentlich produzierte Lebensmittel Geld auszugeben, wird in den nächsten Jahren weiter zunehmen. Um die Trends auf Seiten der Konsumenten aufzugreifen, erproben wir darum in Ruhstorf beispielsweise neue Kulturen wie Linsen oder Kichererbsen oder suchen für alte Sorten bei Mais oder Getreide nach neuen Marktchancen.
Herr Dr. Schätzl, lassen Sie uns in die Zukunft schauen. Wie wird in 25 Jahren ein landwirtschaftlicher Betrieb in Bayern aussehen, wird er nachhaltig sein können?
Ich bin mir sicher, ein durchschnittlicher landwirtschaftlicher Betrieb wird in 25 Jahren deutlich nachhaltiger wirtschaften als heute. In dieser Hinsicht sind ja schon seit einigen Jahren Fortschritte zu beobachten. Es wird weniger Mineraldünger gedüngt, es wird Energie eingespart und es werden zunehmend Lebensräume für Pflanzen- und Tierarten geschaffen. Auch die Arbeitsbedingungen in der Landwirtschaft werden sich verbessern. Der ökologische Landbau, der immer schon auf möglichst geschlossene Nährstoffkreisläufe im Betrieb und die Integration von Pflanzenbau und tiergerechte Haltungsformen setzt, gewinnt zunehmend an Bedeutung. Einige der hier praktizierten Prinzipien finden auch in die konventionelle Landwirtschaft mehr und mehr Eingang. Wenn es uns gelingt, das große Wissen, das in alten traditionellen Systemen steckt, mit modernen Methoden und moderner Technik zu verbinden, glaube ich fest an eine nachhaltige Landwirtschaft in Bayern. Die LfL kann für dieses Ziel, zusammen mit unseren Landwirtinnen und Landwirten, einen großen Beitrag leisten.