Jahresbericht der LfL 2019: Nutztiere
Dem bayerischen Karpfen gehört die Zukunft
Bayern ist ein Zentrum der deutschen Teichwirtschaft. Schon vor mehr als 1.200 Jahren entwickelte sich unter Federführung Kaiser Karls des Großen und später der Klöster vor allem in Franken und der Oberpfalz eine von Fischteichen geprägte Kulturlandschaft. Noch heute gibt es über 40.000 Karpfenteiche mit einer Fläche von etwa 20.000 Hektar. Die meist kleinen landwirtschaftlichen Familienbetriebe erzeugen hier extensiv und nachhaltig mehr als 6.000 Tonnen Speisekarpfen jährlich. Dies entspricht etwa 50 Prozent der gesamten Karpfenproduktion Deutschlands.
Für das Institut für Fischerei an der LfL ist die nordbayerische Fischwirtschaft ein wichtiger Schwerpunkt. Schon vor Jahrzehnten hat man in Höchstadt a.d.Aisch eine Außenstelle für Karpfenteichwirtschaft eingerichtet. Hier forschen und werben Dr. Martin Oberle und seine Kollegen für eine der nachhaltigsten Formen der Aquakultur weltweit.
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Herr Dr. Oberle, Sie gelten als der große Karpfenspezialist in Bayern, selbst bei YouTube kommt man nicht an Ihnen vorbei.
Stimmt schon, ich rühre die Werbetrommel, wo ich kann… Aber im Ernst: Ich habe das Glück, als Leiter der Außenstelle mich ausschließlich mit der Karpfenteichwirtschaft zu beschäftigen. Ich stamme aus einer Fischereifamilie und trage die Begeisterung für die Karpfenzucht quasi im Blut. Aus tiefster Überzeugung nütze ich natürlich möglichst viele Plattformen, um für unseren wirklich gesunden und schmackhaften Karpfen zu werben.
Das ist ja auch ein Teil Ihrer aktuellen Arbeit an der Außenstelle Karpfenwirtschaft in Höchstadt an der Aisch.
Neben unserer Forschungstätigkeit, auf die wir sicher noch kommen werden, ist einer der Schwerpunkte die Verbesserung der Vermarktung unserer Karpfen. Wir haben zum Beispiel bei der Erstellung der Spezifikationen "Frankenkarpfen" g.g.A. und "Aischgründer
Karpfen g.g.A." mitgewirkt. In unseren Publikationen, Kursen und Vorträgen zeigen wir das gesamte Potenzial des Karpfen, sei es bei der regionalen Vermarktung, sei es im Bereich Tourismus und Gastronomie, aber auch ganz praktisch in Filetier- und Kochkursen. Karpfenchips und Karpfensushi sind gerade sehr im Trend.
Bei der Vermarktung spielen mittlerweile aber auch Themen wie Ökologie, Tierwohl und Klima eine große Rolle.
Und da kann unser Karpfen auf allen Ebenen richtig punkten. Nicht umsonst wird er als einziger Speisefisch von den Umweltorganisationen WWF und Greenpeace uneingeschränkt empfohlen. Nehmen Sie zum Beispiel die Haltungsbedingungen. Karpfen haben in unseren naturbelassenen Teichen mit drei Jahren ein vergleichsweise langes Leben und zudem mit etwa 15 Quadratmeter Teichfläche je Karpfen enorm viel Platz. Auch der CO₂-Fußabdruck des Karpfens hat eine optimale Bilanz. Die Eiweißversorgung des Karpfens stammt meist aus der Natur. Das zugefütterte Getreide wächst oft auf den benachbarten Feldern und sämtliche Transportwege sind kurz.
Die Karpfenteiche selbst stellen einen in seiner Artenvielfalt einzigartigen Lebensraum für viele, auch seltene und geschützte Tier- und Pflanzenarten dar. Jüngst haben wir in einem unserer Versuchsteiche einen in Bayern als ausgestorben geltenden Urzeitkrebs, namens Leptestheria dahalacensis wiederentdeckt, eine kleine Sensation. Und dann wirken sich Karpfenteiche auch noch positiv auf den Wasserhaushalt aus und mildern die negativen Einflüsse des Klimawandels.
Mit welchen Forschungsprojekten am Institut für Fischerei unterstützen Sie denn diese nachhaltige bayerische Nutztierhaltung?
Wie in der gesamten LfL steht auch bei uns die angewandte Forschung im Mittelpunkt. Seit mehr als 20 Jahren führen wir Versuche zur Fütterung durch, arbeiten an der optimalen Besatzdichte und prüfen regelmäßig die Karpfenqualität in Bayern. Hierzu haben wir zum Beispiel ein Gerät zur Messung des Fettgehaltes am lebenden Karpfen eingerichtet, das mittlerweile in der Praxis breite Anwendung findet. Aktuell beschäftigen wir uns unter anderem mit Maßnahmen zur Steigerung der Naturnahrung. Dabei gehen wir der Frage nach, wie sich der Bestand an proteinreichem Plankton und Insektenlarven im Teich erhöhen lässt, damit wir kein zusätzliches Eiweiß an die Karpfen verfüttern müssen. Und in Starnberg beschäftigen wir uns darüber hinaus mit dem Einfluss der Teichwirtschaft auf die Biodiversität und die sogenannten Ökosystemleistungen.
Welche Rolle spielt der Karpfen aus biologischer Teichwirtschaft in Bayern. Gibt es auch Arbeiten hierzu?
Die Umstellung auf Bio ließe sich beim sowieso schon fast "bio" aufwachsenden Karpfen leicht bewerkstelligen. Wir unterstützen darum die Einführung des Biokarpfens. Dazu haben wir eine umfangreiche Marktstudie zu Biofisch in Deutschland initiiert und ein Projekt zur ökonomischen Bewertung der Umstellung auf Biokarpfen durchgeführt. In Zusammenarbeit mit der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf entstand im Rahmen einer Bachelorarbeit eine aktuelle Marktstudie zum Biokarpfen. Nachdem verschiedene Teichwirte einen Umstieg auf Bio erwägen, haben wir bereits mehrere Infoveranstaltungen organisiert.
Herr Dr. Oberle, lassen Sie uns in die Zukunft schauen. Wo sehen Sie die Teichwirtschaft in Bayern in 20 Jahren?
Eines der zentralen Themen der nächsten Jahre, wenn nicht Jahrzehnte wird sicher der Klimawandel sein. Wie gehen wir mit der Trockenheit und dem daraus resultierenden Wassermangel um? Die Karpfenteichwirtschaft kann hier in der Zukunft vielleicht einen wichtigen Beitrag leisten. Karpfenteiche fangen die Niederschläge auf und speichern Wasser, mindern den Hochwasserabfluss und tragen zur Grundwasserneubildung bei. Und das wärmere Klima mögen die Karpfen ja sowieso. Vielleicht lassen sich bald Teichwirtschaft und Landwirtschaft in gemeinsamen Projekten verzahnen. Ein geschicktes Wassermanagement könnte zur Bewässerung dienen und die negativen Einflüsse des Klimawandels mildern. So gesehen bin ich mir sicher: Dem bayerischen Karpfen gehört die Zukunft.