LfL-Jahresbericht 2018: Biodiversität
Unabhängige Pflanzenzucht für mehr Biodiversität
In der Kulturlandschaft hängt die Biodiversität wesentlich von der Vielfalt der dort angebauten Pflanzen ab. Die LfL fördert am Institut für Pflanzenbau und Pflanzenzüchtung die genetische Vielfalt durch die Züchtung auch solcher Kulturarten, die aus wirtschaftlichen Gründen bei großen Agrarkonzernen nicht berücksichtigt werden. In aktuellen Projekten entwickelt das Institut zum Beispiel Soja für den bayerischen Anbau, spezielle Braugersten für den ökologischen Landbau oder verbesserte Lupinensorten als Nahrungs- und Eiweißfuttermittel.
Zahlen und Fakten
Eine Unterhaltung mit Dr. Barbara Eder, Expertin für den bayerischen Pflanzengenpool
Eines der wichtigen Forschungs- und Innovationsprojekte für die Biodiversität ist Dr. Barbara Eders Arbeit über Maispopulationen. Diese heterogenen Populationen begünstigen die Biodiversität auf dem Feld und eröffnen nachhaltige züchterische Perspektiven für den Ackerbau der Zukunft. Darüber hinaus plädiert Dr. Eder für ein staatliches bayerisches Züchtungsprogramm. Damit sollen nicht nur die jahrhundertelangen bayerischen genetischen Ressourcen und die Traditionen bei Brot und Bier gewahrt werden, sondern langfristig geht es um den Erhalt und Ausbau regional angepasster, robuster und ressourcenschonender Genotypen für Bayern – und das in öffentlicher Hand.
Unterhaltung im Detail
Von der Wiederentdeckung alter Maissorten zur Genpoolanalyse
Der Mais bildet als Fremdbefruchter getrenntgeschlechtliche Blüten auf derselben Pflanze. Dadurch entstehen auf dem Feld genetisch vielfältige Individuengemeinschaften, die sogenannten Populationen. Die offen abblühenden Landsorten waren Populationen – im Gegensatz zu den seit ungefähr 1960 in Bayern ausschließlich angebauten Hybriden. Muster alter Landsorten lagern heute fast nur noch in Genbanken, obwohl sie aufgrund ihrer genetischen Diversität interessant sind für die Züchtung. Im Rahmen der Bayerischen Biodiversitätsstrategie wurden ab 2011 beim Institut in einem ersten Forschungsvorhaben aus 19 verschiedenen staatlichen und privaten Genbanken etwa 200 Landsorten zusammengetragen. Für Deutschland konnten 18 alte Landsorten identifiziert werden, fünf davon wurden nachweislich in Bayern (zum Beispiel Chiemgauer, Rottaler, Pautzfelder) angebaut. Die alten Sorten wurden beschrieben und einer markergestützten DNA- und Clusteranalyse sowie einer Leistungsprüfung im Vergleich zu modernen Hybriden unterzogen.
Landsorten
Landsorten erzielten gerade mal 30 bis 50 Prozent des Ertrages moderner Hybridsorten und stellen damit keine Sortenalternative für die moderne Landwirtschaft dar. Alle Ergebnisse flossen in eine Datenbank, sodass die historischen Kenntnisse, die phäno- und genotypische Beschreibung sowie die agronomischen Daten nun der Wissenschaft zugänglich sind.
Offen abblühende Sorten als Chance – Züchtung für Biodiversität
Bestärkt durch die Erkenntnisse aus dem Projekt zu den historischen Maissorten setzt das Institut seit 2010 auf die Züchtung neuer, leistungsfähigerer Populationen. Hintergrund sind die Vorteile offen abblühender Sorten. Sie besitzen eine hohe genetische Diversität, ein großes Anpassungsvermögen an sich ändernde Umweltbedingungen und eignen sich hervorragend zur Entwicklung von Hofsorten. Darüber hinaus ist das Saatgut vermehrbar und hält im Gegensatz zu Hybridsorten auch bei einer Wiederansaat das Leistungsniveau.
Entwicklung von Maispopulationen
Bereits 2015 konnten erste Populationen aus dem Züchtungsprogramm zugelassen werden. Mittlerweile stehen drei für den Anbau zur Verfügung. 2017 wurden die zugelassenen Maispopulationen an fünf konventionellen und drei ökologischen Standorten in sechs klimatisch unterschiedlichen Lagen im Vergleich zu drei Hybriden geprüft. Die Sorten erreichten immerhin bis zu 84 Prozent des Ertrages einer Hybride und haben damit durchaus eine Chance für eine breitere Nachfrage vor allem im ökologischen Anbau. In weiteren Projekten will das Institut jetzt die Ertragsergebnisse der Populationen züchterisch weiter verbessern. Bisherige Erkenntnisse lassen hoffen, dass dies möglich ist. Bereits 2020 sollen hier erste Ergebnisse vorliegen.
Frage ihrer Zulassung
Ein großes Problem bei der Züchtung von Populationen ist weiterhin die Frage ihrer Zulassung. Nach deutschem und europäischem Saatgut- und Sortenrecht ist heterogenes Saatgut weiterhin extrem beschränkt. Zwar wurde das EU-Experiment zu heterogenem Material, das das sogenannte Inverkehrbringen von Saatgut von Populationen erlaubt, bis 2021 verlängert. Aber wie es danach weiter geht, ist noch offen. Nun richten sich die Hoffnungen auf die neue EU-Öko-Verordnung, die den Weg für Maispopulationen ab 2021 möglicherweise frei macht.
Züchtungsforschung für eine selbstbestimmte bayerische Landwirtschaft
Das Beispiel der Populationszüchtung verdeutlicht auch das Problemfeld, in dem sich nicht nur die LfL-Züchtungsforschung (mithin die gesamte staatliche Züchtung) derzeit bewegt. Durch Privatisierung und Monopolisierung dominieren große internationale Saatgutkonzerne mit ihren wirtschaftlichen Interessen fast die gesamte Pflanzenzucht. So bestimmen die zehn größten Saatgutunternehmen weltweit fast 75 Prozent, die drei größten bereits 60 Prozent des gesamten Saatgutmarktes. Sie entscheiden damit über Zuchtziele, die Kulturarten und die in der Züchtung angewendeten Techniken. Fragen der Biodiversität oder die Belange Bayerns spielen in den Strategien der internationalen Pflanzenzuchtindustrie nur eine untergeordnete Rolle.
Im Sinne einer vorsorgenden bayerischen Agrarpolitik muss darum eine anwendungsorientierte Züchtungsforschung für die Region ohne ökonomischen Druck und unabhängig von Konzerninteressen aufgebaut werden. Die erforderliche Züchtungskompetenz besitzt in Bayern die LfL. Sie verfügt über einen hervorragenden, wissenschaftlich erschlossenen, regionalen Genpool und Zuchtprogramme, bei der die Methoden und Ziele transparent und im Einklang mit einer nachhaltigen Regionalpolitik stehen.
Impressionen und Infos
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