Joghurttränke in der Kälberaufzucht
In Zeiten niedriger Milchpreise findet oftmals Vollmilch in der Kälberaufzucht Verwendung. Insbesondere in biologisch wirtschaftenden Betrieben ist der Einsatz von Vollmilch in der Aufzucht ein übliches Verfahren. Dabei muss die Vollmilch eine Tränketemperatur von 35 – 39°C aufweisen, da es ansonsten zu einer unvollständigen Gerinnung der Milch im Labmagen und nachfolgend zu Durchfällen kommen kann. Bei der Joghurttränke wird Vollmilch zu Joghurt fermentiert. Die Landwirte begeistert hierbei die schnelle Zubereitung, das Wegfallen der genauen Milcherwärmung und die positive Wirkung auf die Darmflora der Kälber. Zeitsparende Gruppen- und Vorratstränkesysteme werden dadurch möglich und führen in den Betrieben zu einer deutlichen Arbeitsentlastung.
Im Rahmen des vom Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft, Grub durchgeführten Projektes „Vollweide mit Winterkalbung“ wurden 6 Milchviehbetriebe auf saisonale Winterabkalbung umgestellt. Dabei fallen etwa 90 % der Abkalbungen in einem Zeitraum von maximal 4 Monaten. Dadurch steigt die Anzahl der zu versorgenden Kälbern kurzfristig stark an und erfordert zwingend eine rationelle Kälberaufzucht.
Auf der Suche nach effizienten Lösungen wurde man auf die Joghurttränke aufmerksam. Positive Erfahrungen von Praktikern aus dem In- und Ausland lagen dazu bereits vor. Im Winter 2009/2010 wurde deshalb in allen 6 Pilotbetrieben diese Tränkevariante eingeführt. Es sollten praktische Erfahrung zur Bereitung einer Joghurttränke, zum Arbeitsablauf und vor allem zur Kälberentwicklung gesammelt werden.
Handhabung
Bei der Joghurttränke wird der in der Milch enthaltene Milchzucker (Laktose) mittels Joghurtkulturen in Milchsäure umgewandelt. Diese natürliche Säuerung auf einem pH-Wert von bis zu 4,0 bewirkt ein Eindicken und einen säuerlichen, joghurttypischen Geschmack der Milch. Im Gegensatz zur chemischen Säuerung mittels Essig-, Ameisen- oder Zitronensäure findet hierbei bereits eine Vorverdauung des Milchzuckers statt. Die Milch kann den Kälbern mit wesentlich geringeren Tränketemperaturen (Kalttränke) verabreicht werden. Die Ansäuerung macht die Milch zudem über einen längeren Zeitraum haltbar.
Das Grundprinzip der Joghurttränke basiert auf einer kontinuierlichen Überimpfung der zum Tränken vorgesehenen Vollmilch mit Joghurtkulturen. Zum Start wird eine gewisse Menge an Joghurt selbst hergestellt. Dieser Basismenge wird lediglich die zur Kälberfütterung benötigte Milchmenge täglich eingemischt. Bis zur nächsten Tränkezeit fermentiert die Milch zu Joghurt und kann kalt verfüttert werden.
Herstellen des Joghurtstamms
- Zuerst muss eine ausreichende Menge eines Joghurtstamms angesetzt werden. Auf je 10 Liter Vollmilch werden 500 g Naturjoghurt eingerührt. Dazu kann gewöhnlicher Naturjoghurt aus dem Supermarkt-Regal verwendet werden.
- Diesen Ansatz bei mindestens 20°C (Zimmertemperatur) etwa 15 - 20 Stunden in einem abgedeckten Gefäß fermentieren lassen. Auf eine entsprechende Hygiene ist dabei zu achten.
Hemmstoffhaltige Milch ist hierzu nicht geeignet, da sie nicht nur die Bakterientätigkeit unterbindet, sondern auch zu Resistenzbildung führen kann!! Sie sollte deshalb nicht verfüttert werden.
Die Milch ist nun eingedickt und zeigt den typischen, angenehm säuerlichen Joghurtgeruch auf. Anfänglich weist die Milch eine Konsistenz eines handelsüblichen Trinkjogurts auf (Bild 1).
Mit zunehmender Säuerung wird die Milch dicker und saurer (Bild 2).
Bild 1: fertig angesetzter, dünnflüssiger Joghurt
Bild 2: zunehmend eingedickter Joghurt
Der so angesetzte Joghurtstamm wird nun in einen größeren Vorratsbehälter gegeben. Dieser kann ein nicht mehr benötigter Milchtank, eine Regentonne oder Ähnliches sein und wird mit einem Ablaufhahn versehen (siehe Bildergalerie). Fahrbare Behälter erleichtern das Transportieren der Tränke vom Lagerungsort zu den Kälbern.
Handelsübliche Regentonne
mit nachträglich
angebrachtem Abflussventil
Fahrbare Mülltonne mit Abflussventil
Mostfass mit Abflussventil
Vorbereiten der benötigten Tränkemenge
Zu dem Stammjoghurt wird nun die für die nächste Mahlzeit benötigte Milchmenge gegeben. Die Milch muss kuhwarm sein (etwa 30 – 35°C) und wird mit dem Joghurt gut verrührt. Hierzu ist bei kleineren Mengen ein großer Kochlöffel oder Schneebesen gut geeignet. Für das Durchrühren größerer Joghurtmengen hat sich der Einsatz einer Bohrmaschine mit Mörtelrührer bewährt. Am Besten wird die Milch aus der Milchleitung abgelassen, bevor sie in den Tank fließt. Sollte die Milchtemperatur weiter abgesunken sein, ist ein Nacherwärmen auf mind. 30°C vor dem Einmischen in den Joghurt nötig.
Eine Menge von 10 Liter Stammjoghurt ist für etwa 50 Liter Milch zur Überimpfung ausreichend. Liegt die zu vertränkende Milchmenge höher, muss anteilig mehr Joghurt angesetzt werden (z.B. 15 l für 75 Liter Tränke). Die so vorbereitete Tränke bleibt nun bis zur nächsten Tränkezeit bei mindestens 10°C stehen. An sehr kalten Wintertagen kann es Vorkommen, das diese Mindestemperatur in der Milchkammer nicht mehr gewährleistet ist. Dann sollte dies mit einem Tränkewärmer oder einem Verbringen des Behälters in einen wärmeren Raum sichergestellt werden. Vor dem Tränken wird dieser so angesetzte Joguhrt nochmals kurz aufgerührt. Während extremer Kälteperioden wurde bei Außenklimahaltung der Kälber die Tränke von manchen Praktikern angewärmt.
Restmenge für den nächsten Tag
Zu beachten ist nun, dass nach dem Tränken eine Restmenge von etwa 10 – 20 % Joghurt im Vorratsbehälter verbleibt, um erneut Joghurttränke herstellen zu können. Auf diesen Rest wird nun wieder die kuhwarme Milch für die nächste Mahlzeit geschüttet, gut durchgerührt und stehen gelassen. Grundsätzlich kann über den Anteil an vergorenen Rest-Joghurt und Temperatur die Intensität der Vergärung gesteuert werden. Säuert die Milch zu stark an, kann es zu gewissen Aktzeptanzproblemen kommen. Dem kann durch Verringerung der Restmenge an Joghurt zur weiteren Überimpfung bzw. durch Beimischen von frischer Milch kurz vor dem Tränken entgegengewirkt werden. Wurden Kühe mit Trockensteller behandelt, kann es mehrere Tage dauern, bis das Kolostrum zur Joghurtbereitung geeignet ist. Für Gewissheit sorgt ein Ansetzen einer geringen Menge Biestmilch in einem extra Gefäß.
Haltbarkeit
Eine Störung in der Fermentation der Milch führt zum Verderb des angesetzten Joghurts und wird am Geruch erkannt. Sollten sich in seltenen Fällen Hefen darin vermehren, riecht die Milch faulig verdorben. In diesem Fall muss der Joghurt sofort verworfen und eine neue Kultur angesetzt werden. Auch alkoholische Gärungen können im Einzelfall vorkommen. Dieser Joghurt kann noch problemlos an die Kälber verfüttert werden, gleichzeitig muss aber auch hier sofort eine neue Kultur angesetzt werden. Grundsätzlich wird ein Neuansetzen des Joghurts alle 4 Wochen empfohlen. In den Praxisbetrieben konnte aber auch eine einwandfreie Weiterverwendung des angesetzten Joghurts über mehrere Monate beobachtet werden.
Vorratstränke
Nicht benötigte Biestmilch, aber auch anderweitig überschüssige Milch (außer Hemmstoffmilch!) kann durch die Fermentation zu Joghurt über einen längeren Zeitraum haltbar gemacht werden. Es können so Vorräte von mehren hundert Litern Tränke angesammelt werden, die anschließend nach und nach wieder vertränkt werden. Allerdings dickt der auf Vorrat hergestellte Joghurt im Laufe der Zeit immer stärker ein und wird zunehmend saurer. Sollte es dadurch zu einer schlechteren Tränkeaufnahme kommen, kann dem durch Beimischung von frischer Kuhmilch entgegengewirkt werden. Einige Praxisbetriebe „konservieren“ auf diese Art die überschüssige Kolostralmilch und wechseln anschließend auf handelsüblichen Milchaustauscher.
Praxiserfahrungen
- Insgesamt wurden mit diesem Tränkeverfahren bei den 6 Pilotbetrieben im Winter 2009/2010 140 weibliche und 127 männliche Kälber aufgezogen. Die Kälberverluste in Bezug auf die lebend geborenen Kälber lagen bei 5%.
- Die neugeborenen Kälber werden i.d.R. nach der Geburt in Einzelboxen bzw. Iglu gehalten. In den ersten drei Lebenstagen erhalten die Kälber reines Kolostrum. Dann wird Joghurt in zunehmend steigenden Anteil zugemischt. So erhalten die Kälber bereits Ende der ersten Lebenswoche 100 % Joghurt als Kalttränke. Werden die Kälber später auf Sauertränke umgestellt, kann es zu einer Verweigerung der Tränke kommen.
- In der Regel werden die Kälber mit üblichen Nuckeleimern getränkt.
- Bei den weiblichen Kälbern zur Zucht fanden die etablierten Tränkepläne für Vollmilch Anwendung. Damit die Zuchtkälber möglichst schnell Grob- und Kraftfutter aufnehmen ist auch hier bei entsprechendem Angebot von frischem Wasser eine Begrenzung der täglichen Tränkemenge auf 6 Liter je Kalb zu empfehlen.
- Die Tränkedauer lag von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich. Ein Betrieb praktiziert erfolgreich ein Frühabsetzen mit 7 bis 8 Wochen. Biobetriebe müssen sich an die vorgeschriebene Tränkedauer von 12 Wochen halten, wobei in den letzten 4 Wochen die Tränkemenge bis auf einen Liter pro Tag reduziert wird. Die verbrauchte Joghurtmenge liegt je nach Absetzalter bei ca. 280 Liter (Frühabsetzen) bis etwa 410 Liter (bio) je Kalb.
- Die männlichen Fleckviehkälber bzw. deren Kreuzungen wurden in der Regel mit 4 - 6 Wochen und etwa 70 - 80 kg Lebendgewicht über die Kälbermärkte vermarktet. Diese erhielten bis zu 12 Liter Joghurt am Tag, was wiederum für die gute Akzeptanz der Joghurttränke spricht. Auch das äußere Erscheinungsbild der Kälber sprach für dieses Verfahren. Auf keinem der Betriebe kam es zu nennenswerten Akzeptanzproblemen.
- Auffallend war die geringe Durchfallanfälligkeit der Kälber. Vorkommende Durchfallerkrankungen zeigten einen abgemilderten Verlauf und heilten in der Regel nach wenigen Tagen aus. Die Joghurttränke wurde während der Erkrankungsphase weitergetränkt und von den Kälbern auch gut aufgenommen. Elektrolytlösungen wurden zusätzlich zur freien Aufnahme angeboten.
Gruppentränken
Verwendung eines Plastikfasses
Mittlerweile finden in einigen Betrieben erfolgreich Sammeltränken Anwendung. Dabei wird eine weitere Rationalisierung der Tränkeperiode angestrebt. Voraussetzung zur erfolgreichen Umsetzung Gruppentränke ist ein maximaler Altersunterschied der Kälber von etwa 2 Wochen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass alle Kälber ihre Ration erhalten und die jüngeren Kälber nicht von den älteren verdrängt werden. Die Gruppe kann so auch gemeinsam abgetränkt werden.
Die Gruppentränken werden meist aus Plastikfässern gefertigt. Im oberen Drittel werden entsprechend die Nuckel angebracht. An diese Sauger wird in der Tonne ein Schlauch bis zum Grund des Fasses angebracht. Wichtig dabei ist, dass der Schlauch den gleichen Durchmesser wie der Saugstutzen aufweist. Die Verbindung muss mit einem kleinen Steckrohr über Stutzen und Schlauch hergestellt werden. Ist der Schlauchdurchmesser zu groß gewählt, können die Kälber die Milch nicht hochsaugen. Sauger mit passenden Schläuchen sind als Komplettpaket auch im Fachhandel erhältlich. Die Fässer werden entweder in die Sammelbucht gehängt, am Boden verankert oder an einer Absperrvorrichtung befestigt.
Verwendung eines KG-Rohrs
Eine weitere bewährte Möglichkeit ist die Verwendung eines 30er KG-Rohres mit verschlossenen Stirnseiten. An der Oberseite des Plastikrohres werden Öffnungen ausgeschnitten. Zur Stabilität belässt man etwa 20 cm breite Stege. An einer Seite werden im Abstand von etwa 40 cm die Nuckel angebracht. Im Inneren des Rohrs reichen kurze Schlauchstücke bis zum tiefsten Punkt der Rohrkrümmung und werden schräg abgeschnitten damit letzte Tränkereste aufgesaugt werden können. Das gesamte Rohr wird mittels Ketten o.ä. in die Waagrechte gebracht. Zur Tränkemahlzeit kann das Tränkerohr auf Höhe der Kälber abgelassen werden und wird nach dem Tränkevorgang zur Befriedigung des Saugreflexes noch ca. 30 Minuten hängen gelassen. Anschließend wird die Vorrichtung wieder außerhalb der Reichweite der Kälber hochgehängt.
Regentonne mit Saugnuckel
Ad-Libitum-Tränke bei
männlichen Kälbern
KG-Rohr mit Einfüllöffnungen
Kurze Schlauchstücke zum
Rohrboden des KG-Rohrs
Diese Gruppentränken haben sich vor allem für Betriebe mit saisonaler Abkalbung als rationelles Verfahren zur Versorgung von mehreren etwa gleichaltrigen Kälbern bewährt. Den weiblichen Kälbern zur Aufzucht wird in das Sammelgefäß die rationierte Joghurtmenge gegeben. Zum Beispiel für eine Gruppe von 10 Kälbern 30 Liter pro Mahlzeit.
Reinigung
Den männlichen Kälbern, welche über die Kälbermärkte vermarktet werden, bieten manche Landwirte den Joghurt zur freien Aufnahme an. Die angebotene Joghurtmenge wird dabei so gewählt, dass der Behälter zur nächsten Mahlzeit leer ist. Eine Reinigung dieser Gruppentränken kann bei Joghurttränke dadurch auf einen vierwöchigen Turnus reduziert werden. So führten Ablagerungen von Joghurt an den Tränkegefäßen, welche sich in den Wochen aufbauten, zu keinerlei Problemen in der Verträglichkeit. Vor allem der Wegfall der regelmäßigen Reinigung der Tränkeeimer oder der Gruppentränken wurde von den Praktikern als sehr vorteilhaft empfunden. Eine monatliche Grundreinigung kann empfohlen werden. In Problembeständen muss die Einzelfütterung und tägliche gründliche Reinigung weiterhin selbstverständlich bleiben.
Fazit
Die Einführung der Joghurttränke hat in den Pilotbetrieben zu einer merklichen Erleichterung der Arbeitsabläufe in der Kälberaufzucht geführt. Die Futterzeiten können nun unabhängig vom Melken in den Arbeitsablauf integriert werden. Eine Gruppentränke bei möglichst gleichaltrigen Kälbern hat sich bewährt. Das tägliche Reinigen der Gefäße verringert sich auf eine monatliche Grundreinigung. Die Vergärung zu Joghurt ermöglicht eine Bevorratung der Milch, so dass nicht verkehrsfähige Milch wie z.B. Biestmilch oder Milch mit erhöhten Zellzahlen über die Kälber nach und nach verwertet werden kann. Bei frühzeitiger Angewöhnung der Kälber an die Sauertränke, kam es zu keinen nennenswerten Akzeptanzproblemen. Die Joghurttränke ist als Kaltsauertränke hervorragend verträglich. Hemmstoffmilch sollte nicht nur wegen möglicher Resistenzbildung, sondern auch weil sie die Joghurtbildung verhindert, nicht verwendet werden. Alle 6 Pilotbetriebe werden diese Form der Tränke auch weiterhin beibehalten und geben ihre Erfahrungen bereits an andere Betriebe weiter. Mittlerweile hat dieses Aufzuchtverfahren Einzug in die Beratungsarbeit der Fütterungstechniker des LKV Bayern e.V. gehalten.
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