Mehr Milch aus Gras - Vollweide mit Winterkalbung

Weidekuh

Die optimale Nutzung der Weide als kostengünstigstes Futter ist eine Möglichkeit, die Kosten in der Milchviehhaltung zu senken. Untersuchungen in der Schweiz zeigten, dass eine saisonale und damit an das Graswachstum angepasste Abkalbung im Frühjahr und das System der Kurzrasenweide bzw. intensiven Standweide sowohl arbeitswirtschaftliche als auch ökonomische Vorteile bringen.

Auch in Bayern gibt es eine Vielzahl von Flächen, die für eine Weidenutzung in Frage kommen, aber aus verschiedensten Gründen nicht mehr beweidet werden. Unter dem Gesichtspunkt, dass in Zukunft Grünlandflächen verstärkt frei werden, für die es eine sinnvolle Nutzung zu finden gilt, kann die Weidehaltung auch in Bayern wieder von Interesse sein.
In den typischen "Grasländern" Neuseeland, Irland und einigen Schweizer Regionen herrschen jedoch andere Voraussetzungen, die ein Vollweidesystem mit saisonaler Abkalbung und keinem bzw. geringen Kraftfutteraufwand wirtschaftlich machen.
Säulendiagramm Preisvergleich KF und MilchZoombild vorhanden

Abb. 1: Vergleich Kraftfutter- und Milchpreise Schweiz – Bayern; Quelle: Stocker, F., LK Steiermark und eigene Darstellung

Wie in Abbildung 1 dargestellt, liegen die Kraftfutterpreise in der Schweiz über dem erzielbaren Milchpreis, es macht daher Sinn, so wenig wie möglich Kraftfutter einzusetzen. In Bayern stellt sich die Situation aber anders dar, der Einsatz von Kraftfutter lohnt sich im stärkeren Maße.
Außerdem liegen die Festkosten eines Betriebes in Bayern durch längere Stallhaltung höher als in klimatisch günstigeren Grasregionen wie Irland, was eine aus ökonomischen Gründen höhere Milchleistung je Stallplatz erfordert. Die kürzere Vegetationsperiode beschränkt außerdem die Möglichkeit zur Milchproduktion aus Weidegras.
Aus diesen Überlegungen heraus wurde das Schweizer "low-cost"-System modifiziert und versucht, sowohl die Vorteile einer mittleren Milchleistung als auch die kostengünstige Fütterung zu nutzen.

Rahmenbedingungen des Projekts

Um die Laktationskurve optimal dem Grasaufwuchs anzupassen, ist eine saisonale Abkalbung erforderlich. Anders als in den Schweizer Pilotbetrieben soll aber der Schwerpunkt nicht auf der Frühjahrskalbung liegen, sondern im Winter. Es soll vermieden werden, dass die genetisch zur Hochleistung veranlagten Kühe im ersten Drittel zu stark ins Energiedefizit fallen. Die Beschränkung auf Weidegras ermöglicht maximale Milchmengen von ca. 26-27 kg Milch je Kuh und Tag.
Das erste kritische Laktationsdrittel wird im Stall leistungsgerecht mit entsprechendem Kraftfuttereinsatz ausgefüttert werden. Der Kraftfuttereinsatz wird nicht gedeckelt.
In dieser Zeit kann auch der größte Teil des Besamungsmanagement mit Belegen und Trächtigkeitsuntersuchung der Tiere im Stall ablaufen.


Kurvendiagramm zur Energiebedarf während der LaktationZoombild vorhanden

Abb. 3: Notwendige Energiekonzentration während der Laktation (ca. 7500 kg Milch) bei Vollweide und Winterkalbung; eigene Darstellung

Der Weideaustrieb zu Vegetationsbeginn sichert eine langsame Umstellung der Fütterung von konservierten Futtermitteln auf Weidegras. Bei ausreichendem Wachstum wird die Stallfütterung bis auf kleine Gaben Heu eingestellt.
Durch die hohe Qualität des jungen Weidegrases wird die angestrebte tägliche Milchleistung von ca. 24-26 kg ohne Zufütterung erreicht. Zum Zeitpunkt des Austriebes sinkt die Laktationskurve der Herde bereits, so dass die Milchleistung dem Graswachstum optimal angepasst ist. Das System der Kurzrasenweide sieht eine konstante Grashöhe von 6-8 cm Wuchshöhe vor. Dadurch wird die erforderliche hohe Energie- und Eiweißkonzentration im Weidegras erreicht (Abb. 3).
Das Projekt der "Vollweide bei Winterkalbung" sieht die Erprobung und Entwicklung des Systems in Pilotbetrieben vor. Über eine systematische Beratung, Begleitung und Datenerhebung soll ein schneller Erkenntnisfortschritt gesichert werden. Einzelbetrieblich werden die Ziele und Schritte vom Landwirt in Abstimmung mit der Beratung festgelegt. Aus dem Projekt sollen direkt Aussagen für die Beratung resultieren unter Einbeziehung der Erfahrungen weiterer Projekte in Österreich, der Schweiz und Baden-Württemberg. Das Projekt läuft in Kooperation mit den beteiligten Ämtern für Landwirtschaft und der FH Weihenstephan.

Voraussetzungen für die Auswahl der Praxisbetriebe

  • Lage des Betriebes im bayerischen Voralpenland (Grünlandgürtel)
  • mittlere Milchleistung je Kuh (6000-8000 kg)
  • Verpflichtung zur Buchführung (BZA), um die ökonomischen Auswirkungen des Systems zu überprüfen
  • ausreichend große Flächen in Stallnähe, um lange Triebwege zu vermeiden
  • genügend Stallkapazität, um eventuelle Bestandsaufstockungen und den zeitlich geblockten Kälberanfall realisieren zu können
  • positive Einstellung zur Kurzrasenweide, um eine Kontinuität der Zusammenarbeit aller Beteiligter zu gewährleisten

Kennzeichnung der Betriebe

  • Anzahl: 8
  • Lage: Landkreise Traunstein, Rosenheim, Miesbach, Bad Tölz, Freising und Weilheim
  • Milchleistung: 6000-8000 kg
  • Kuhzahl: 18-60
  • Bewirtschaftungssystem: 4 Betriebe ökologisch, 4 konventionell
  • Einkommenslage: 4 im Vollerwerb, 4 im Zu- /Nebenerwerb

Datenerfassung zur Tierproduktion und Weideführung

  • Bewertung der Körperkondition (BCS) und der Rückenfettdicke im 6wöchigen Rhythmus
    Erfassung der Winterfütterung durch Futteruntersuchungen, Rationsberechnungen und Erhebung der Futteraufnahme.
  • wöchentliche Messung der Bestandshöhe
  • Weidezuteilungen (Verkleinern und Vergrößern der Fläche)
  • produktionstechnischen Daten: Milchmenge, Milchinhaltsstoffe, Zwischenkalbezeit und Besamungsindex
  • betriebswirtschafliche Daten der Betriebszweigauswertung (BZA)
  • Erfassung der Winterfütterung durch Futteruntersuchungen, Rationsberechnungen und Erhebung der Futteraufnahme.

Für das Jahr 2010 wurden folgende Zielvorgaben festgelegt:

  • Milchleistung: 7000-8000 kg/Kuh
  • Kraftfutterverbrauch: 1000-1200 kg/Kuh
  • Grobfutterleistung: 4800-5500 kg/Kuh
Weiterhin werden im Rahmen dieses Projektes auch 2 private Mutterkuhbetriebe sowie die Mutterkuhherden der Landwirtschaftlichen Lehranstalt Bayreuth und des Lehr-, Versuchs- und Fachzentrums Kringell in der Fütterung und Weideführung begleitet. Die Erfahrungen zeigen, dass gerade bei dem schwierigen Frühjahr 2006 die systematische Beratung für einen erfolgreichen Einstieg der Betriebe unverzichtbar war.

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