Futter und Fütterung der Rinder an den Klimawandel anpassen
Der Klimawandel und seine Eindämmung gehen jeden etwas an, auch den Rinderhalter
Immer deutlicher bekommt er dies bei der Futterbereitstellung und der Fütterung selbst zu spüren. Daneben darf aber nicht vergessen werden, dass die Rinderhaltung über die Abgabe von Stickstoffverbindungen und Methan aus der Verdauung auch Mitverursacher des Klimawandels ist. Die Herausforderung besteht daher sowohl in der ausreichenden Versorgung der Tiere als auch in einer emissionsmindernden Fütterung.
Der Deutsche Wetterdienst dokumentiert aktuell eine Verfrühung des Vegetationsbeginns von zwei bis drei Wochen im Vergleich zum Referenzzeitraum 1961 bis 1990. In den Höhenlagen ist der Effekt größer, womit Teile Bayerns besonders betroffen sind. Die globale Klimaerwärmung beträgt aktuell etwa 0,8 Grad Celsius im Jahresdurchschnitt. Gleichzeitig beträgt der Temperaturanstieg im Alpenraum ca. 1,6 Grad Celsius.
Quelle: Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik, Wien
Dies führt zu einem erheblich früheren Vegetationsbeginn und einem deutlichen Anstieg des Biomassezuwachses insbesondere auf den Almen und Alpen. Durch die Verschiebungen der Luftdruckschichten verändern sich unter anderem die globalen Windsysteme, die Verteilung der Niederschläge, die Niederschlagsmengen und die Niederschlaghäufigkeit. Eine stärker ausgeprägte Sommertrockenheit ist die Folge. Die Anzahl der Hitzetage (> 30 Grad Celsius) hat sich gegenüber dem Referenzzeitraum verdoppelt. Neben verstärktem Hitzestress tritt auch eine erhöhte Sonneneinstrahlung auf. Der Klimawandel beeinflusst somit die betriebliche Futtererzeugung und kann das Nutztier insbesondere über Hitzestress belasten.
Mehr Vorratsdenken in der Futterwirtschaft
Als genereller Grundsatz gilt, dass die Tiere auch bei Futterverknappung aus Gründen der Tiergesundheit und der Wirtschaftlichkeit ausgefüttert werden müssen. Dieser Futterbedarf muss über die eigenbetriebliche Versorgung und den Zukauf von fehlenden Einzel- und Mischfuttermitteln gedeckt werden. Negative Folgen des Klimawandels sind Einbußen im Ertrag durch Trockenheit und stärkere Streuungen bei den Erntemengen und –qualitäten. Weiter verstärken Überflutungen, Hagel und höhere Temperaturen die Verluste auf dem Feld und im Lager erhöht. Deswegen muss die Futtergrundlage im landwirtschaftlichen Betrieb durch folgende Maßnahmen gesichert werden:
Ansätze zur Begegnung des Klimawandels in der Futterwirtschaft
- Futtererzeugung dem Standort anpassen
- Diversifizierung im Anbau: Fruchtfolgeeffekte nutzen und Risiken streuen
- positive Effekte von Zwischenfrüchten nutzen
- "neue" Früchte einbeziehen: Hirse, Luzerne, Klee etc.
- dem Standort und Klima angepasste Sortenwahl
- Schnittzeitpunkt, -häufigkeit und Zeitpunkt/Umfang des Weideauftriebs anpassen
- Mehr von dem, was wächst, für das Tier nutzen
- Feld-, Ernte-, Lager- und Vorlageverluste minimieren
- Konservierung mit System
- strategischer Einsatz von Siliermitteln
- Controlling in der Futterwirtschaft etablieren: Ertragserfassung, Silocontrolling, Futtermengenerfassung etc.
- Teilweiser Ersatz von Grobfutter (Gras-, Maissilagen etc.) durch Nebenprodukte und "überlagerte" Produkte aus der Lebensmittelindustrie
- Futterwirtschaft auf Versorgungssicherheit abstellen
- regelmäßige Gegenüberstellung von Verbrauch und Vorräten, dabei müssen mind. 20 % Reserve eingeplant werden
- Anpassung der vorhandenen Futterlager an die benötigten Futtermengen
- Futtervorräte für Ernteausfälle von 2 bis 3 Monaten fest einplanen
- Flexible Futtererzeugung: Anbau- und Futterplanung an Vorräte und Ernteaussichten kontinuierlich anpassen; Zwischenfrüchte, Ganzpflanzensilagen etc.
Schule und Beratung sind hier wichtige Instrumente, um die angeführten Maßnahmen erfolgreich zu etablieren. Das Wissen dazu und abgestimmte Empfehlungen zur Verbesserung der Grobfutterwirtschaft sind vorhanden (DLG 2011). Eine Minderung der Verluste beim Grobfutter im Mittel der Betriebe von derzeit ca. 25 auf 15 Prozentpunkte ist realistisch. Zur Erleichterung der Arbeitswirtschaft bietet sich dabei eine Nutzung der Digitalisierung wo sinnvoll an (Spiekers und Schäffler 2018). Hilfreich wäre auch eine stärkere Einbindung der Futterwirtschaft in die einzelbetriebliche Förderung, z. B. bei Bau von Siloanlagen oder Beschaffung digitaler Hilfsmittel. Unterschiede in der Grobfutterversorgung könnten auch über Futterbörsen leichter ausgeglichen werden. Bei Futtermangel muss der Tierfütterung unbedingt der Vorzug vor einer Energieerzeugung über Biogas gegeben werden. Konsequent wäre deren vorübergehende Abstellung bei regionalem Futtermangel.
Sicherung der Nährstoffversorgung bei Hitze
Maßnahmen im Fütterungsmanagement
Hitze beeinträchtigt die Futteraufnahme. Deshalb muss alles darangesetzt werden, die Nährstoffaufnahme der Rinder zu sichern. Erste Voraussetzung hierfür ist eine gute Futterqualität. Nach den bereits oben erwähnten Maßnahmen bei der Silierung gilt es bei der Futterentnahme und der Futtervorlage ein Warmwerden des Futters zu verhindern. Dabei können geprüfte Zusätze zur Stabilisierung der Mischration helfen. Ein täglich frisches Anmischen sollte obligatorisch sein. Dabei ist auf eine gleichmäßige Mischung der Ration und ein optimaler TM-Gehalt der Ration zu achten. Dieser sollte zwischen 38 und 42 % liegen und kann notfalls auch mit Wasserzusatz hergestellt werden. Bei Hitze verschiebt sich die Futteraufnahme in die kühleren Tageszeiten, wobei die Tiere dann bis zu 60 % nachtsüber aufnehmen. Der Futtertisch darf deswegen abends nicht leer sein – Nachschieben ist obligatorisch. Bei Halbtagsweide sollte in der heißen Zeit deswegen auch auf Nachtweide übergegangen werden.
Maßnahmen in der Rationszusammensetzung
In der Rationsoptimierung gilt es bezüglich der Strukturversorgung den Spagat zwischen Wiederkäuergerechtheit und Wärme- bzw. Methanproduktion zu schaffen. Die Grenzen von mindestens 28 % aNDFom aus dem Grobfutter und maximal 25 % pansenabbaubaren Kohlenhydraten in der TM der Gesamtration müssen trotzdem eingehalten werden. Günstig sind hier Futtermittel, die die Energie über leicht verdauliche Zellwandbestandteile (Pektine) bringen, wie. z. B. Pressschnitzelsilage, Trockenschnitzel oder Biertrebersilage und Futtermittel mit hohem Gehalt an pansenstabiler Stärke (z. B. Körnermais). "Spezialfuttermittel", wie Lebendhefen, Natriumbicarbonat etc., können hier unterstützend wirken.
Wasserversorgung
Nicht nur im Sommer – aber besonders dann – ist das Hauptaugenmerk auf eine gute Wasserversorgung zu legen. Wasser ist nicht nur für lebenswichtige Abläufe im Körper unverzichtbar, sondern dient auch der Wärmeregulation. Qualität und Quantität – eine Kuh säuft im Sommer 150 l/Tag und mehr – sind hier zu beachten. Eine tägliche Kontrolle der Tränke auf Sauberkeit und genügend Wassernachlauf sollte selbstverständlich sein. Einzeltränken sollten einen Wassernachlauf von mindestens 15 bis 20 l/Minute, Trogtränken von mindestens 60 bis 80 l/Minute haben. Der Kuh zuliebe sollte der Rand der Tränke nicht mehr als 70 cm über der Lauf-/Stehfläche liegen.
Weide als Anpassungsstrategie
Generell sollte soweit möglich der Frischfütterung der Vorzug gegeben werden, da z. B. durch Weide oder auch Eingrasen Verluste gemindert werden können. Für Weide spricht auch ein geringerer Primärenergiebedarf im Vergleich zu anderen mehr technisierten Verfahren. Eine verlängerte Vegetationszeit ermöglicht insbesondere über einen früheren Weidebeginn eine entsprechend längere Weideperiode. Dies macht Weide als System interessanter und kann die Vorteile von Weide gegenüber der Stallhaltung im Hinblick auf das Tierwohl verbessern. Besonders auf Almen und Alpen ist ein früherer Auftrieb notwendig, um Überalterung der Grünlandbestände zu vermeiden. So liegen die empfohlenen Auftriebsdaten aktuell um ca. drei Wochen früher als vor 50 Jahren. Der höhere Biomassezuwachs kann mit einer Anpassung des Weidemanagements (gelenkte Weide) und einer Erhöhung der aufgetriebenen Tierzahl genutzt werden. Eine Halbtagsweide sollte in Hitzeperioden nachts erfolgen. Die klimatischen Bedingungen für das Tier sind auf der Weide im Vergleich zur Stallhaltung günstiger. Dabei ist natürlich wichtig, den Tieren schattenspendende Plätze oder Unterstände zur Verfügung zu stellen.
Emissionsmindernde Fütterung?
Ein Diskussionspunkt ist der CO2-Fußabdruck beim Wiederkäuer. Hauptquellen sind das Methan, die Düngung und der CO2-Anfall in der Futtergewinnung insgesamt. Die Verwertung von Grasaufwüchsen über das Vormagensystem ist der große Vorteil von Wiederkäuern. Von Nachteil ist jedoch das Methan, das im Vormagen gebildet wird. Um die Anreicherung von Wasserstoff-(H+-)Ionen im Vormagen zu vermeiden und so Mikroben und Tier zu schützen, muss dieses nach außen abgeben werden. Der größte Hebel zur Senkung des CO2-Fußabdrucks ist, die gleiche Menge an Milch und Fleisch mit weniger Futter zu erzeugen. Ziel ist daher die Optimierung der Milch- und Fleischleistung je Lebenstag. Die Senkung der Remontierungsrate, Erhöhung der Lebensleistung und Erstkalbealter von 25 bis 27 Monate sind die entscheidenden Ansatzpunkte. Mehr Fett und höhere Kraftfutteranteile in der Ration bringen dabei nur kleine Effekte. Außerdem widerspricht ein erhöhter Kraftfuttereinsatz beim Wiederkäuer dem Grundsatz der bestmöglichen Ausnutzung von absoluten Grünlandflächen. Ein Ansatzpunkt ist die Entwicklung von speziellen Zusätzen zur Minderung der Methanbildung. Offen ist aber deren dauerhafte Wirkung. Bei längerem Einsatz der Produkte geht der Effekt vielfach zurück. Letztendlich ist aber das Mikrobensystem im Pansen von Wiederkäuern auf die Verdauung von Grobfutter hin optimiert. Durch einen auf gute Grobfutterqualität hin optimierten Erntezeitpunkt könnte man "drei Fliegen mit einer Klappe schlagen": Der Kraftfutterverbrauch wird reduziert, und durch bessere Verdaulichkeit wird sowohl die Methan-Produktion als auch die Wärmeentwicklung reduziert. Weiter ist die Betrachtung des Gesamtsystems einschließlich der Bindung von Kohlenstoff im Boden wichtig. Hier haben Grünlandsysteme sowie Kleegras und Luzerne Vorteile.
Auch Lachgas (N2O), das nach Angaben des Umweltbundesamtes ca. 300 mal so klimaschädlich ist wie Kohlendioxid (CO2), trägt zur Erderwärmung bei. Die Nutztierhaltung verursacht dabei N2O-Emissionen, welche durch reaktive Stickstoffverbindungen aus Kot und Harn entstehen. Eine dieser Verbindungen ist Ammoniak (NH3) aus der Nutztierhaltung. Wie beim Methan kann über die Ausgestaltung der Nutztierhaltung (Kot-Harn-Trennung) und der Fütterung (N-angepasste Fütterungsstrategien) auf die Höhe und Art der N-Ausscheidungen und der NH3-Emissionen und somit auch auf die N2O-Bildung Einfluss genommen werden. Schlüssel dazu ist eine am Bedarf der Rinder orientierte Fütterung. Die Berücksichtigung der Unterschiede im Bedarf im Lauf der Laktation und der Trockenstehzeit sowie im Lauf der Jungrinderaufzucht sind hier die wesentlichen Punkte. Die Versorgung der Mikroben mit Stickstoff im Vormagen und mit Aminosäuren am Darm sollte mit möglichst geringen N-Überschüssen erfolgen. Auf der Weide ist im Vergleich zum Stall durch den schnellen Abfluss des Harns der NH3-Anfall vermindert.
Zusätzliche betriebliche Maßnahmen
Bei zunehmendem Hitzestress ist auch die eigene Wärmeproduktion der Tiere zu berücksichtigen, die mit steigender Leistung zunimmt. Günstig wäre deshalb die Verlegung der Hochleistungsphase der Kühe mit einer damit einhergehenden hohen Wärmeabgabe in die kühlere Jahreszeit. Eine saisonale Abkalbung im Herbst/Winter würde nicht nur den Organismus der Tiere entlasten, sondern auch gerade bei kleineren Tierbeständen eine bedarfsgerechtere Fütterung nach dem jeweiligen Laktationsstand ermöglichen. Bei Futtermangel muss nicht zuletzt eine Anpassung des Tierbestands an die vorhandene Futterfläche und deren Ertrag erfolgen. Dies reicht von der der Optimierung der Jungtieraufzucht, der Reduzierung der Remonte bis zur Anpassung des Kuhbestands.
Fazit
Das Rind ist über die Aufwendungen insbesondere für die Futtererzeugung und das Methan Treiber, andererseits über Futterausfälle, Hitzestress etc. aber auch Leidtragender des Klimawandels. Daher gilt es zum einen, die Versorgung der Tiere über eine vorausschauende Futterwirtschaft, eine angepasste Rationszusammensetzung und -vorlage zu sichern. Zum anderen ist eine nährstoffoptimierte Fütterung gleichzeitig auch eine emissionsmindernde Fütterung. Letztendlich muss aber auch der Tierbestand mit den vorhandenen Futterflächen/-ertragspotentialen in das notwendige Gleichgewicht gebracht werden. Ein indirekter Import von Futterflächen in Form von Futtermitteln ist keine Dauerlösung.
Literatur
- DLG (2011): Praxishandbuch Futter- und Substratkonservierung. 8. Auflage, DLG-Verlag Frankfurt a.M.
- Spiekers, H., M. Schäffler (2018): Digitalisierung für Futter und Fütterung nutzen! VDLUFA-Schriftenreihe 75, Tagungsband 130. VDLUFA-Kongress, Münster 2018, Workshop "Digitalisierung in Landwirtschaft, Versuchs- und Untersuchungswesen – Anforderungen und Auswirkungen", 31–38