Forschungs- und Innovationsprojekt
Premium-Tierwohlställe Ferkelaufzucht
Erprobung von Premium-Tierwohlställen für die Ferkelaufzucht im Hinblick auf Tierwohl und Praktikabilität
Für den Umbau der Schweinehaltung hin zu Haltungsverfahren mit höherem Tierwohl-Standard ist auch die Haltung der Aufzuchtferkel in entsprechenden Stallungen nötig. In der Praxis sind Außenklimaställe in der Ferkelaufzucht aber nur sehr selten anzutreffen. Deswegen wurden 2021 am Staatsgut Schwarzenau der Bayerischen Staatsgüter drei verschiedene Außenklimastallungen in Betrieb genommen und im Rahmen des vorliegenden Forschungsprojekts umfassend bewertet.
Zielsetzung
Ziel des Projekts war die Bewertung von drei verschiedenen Außenklimaställen für Aufzuchtferkel und die Optimierung dieser Stallkonzepte im Hinblick auf Tierwohl, Tierverhalten, Produktionsleistung, laufende Verfahrenskosten inkl. Arbeitszeit, Funktionssicherheit und Managementanforderungen. Ein zentrales Kriterium für die Beurteilung der Tiergerechtheit war das Auftreten von Schwanzverletzungen und Schwanzbeißen.
Methode
Folgende Stallkonzepte wurden bewertet:
Außenklimastall 1: PigPort
- Außenklimastall mit Auslauf
- 3 Klimazonen
- im Stallinneren Liegebereich und Fressbereich
- Liegekisten mit geschlossenem Boden, leichter Einstreu, Bodenheizung und Abdeckung
- Fressbereich auf Spaltenboden
- Auslauf überdacht und mit Spaltenboden
- hoher Anteil an Spaltenboden
- Entmistung über Unterflurschieber
- Angebot von Raufutter
Liegekiste und Futterautomat
Außenklimastall 2: Natureline-Stall©
- Außenklimastall
- 2 Klimazonen
- Liegebereich
- im Stallinneren
- mit geschlossenem Boden, Bodenheizung und Einstreu, ohne Abdeckung
- Fressbereich im Kaltbereich
- im Liegehaus
- mit geschlossenem Boden, Bodenheizung und Einstreu, ohne Abdeckung
- geringer Anteil an Spaltenboden
- Entmistung über Unterflurschieber
- Angebot von Raufutter
Außenklimastall 3: Natureline-Stall© mit Liegekiste
- Außenklimastall
- 3 Klimazonen
- Liegebereich
- im Liegehaus
- mit geschlossenem Boden, Bodenheizung und Einstreu, mit Abdeckung
- zusätzlicher Aktivitätsbereich im Stallinneren vor den Liegekisten
- Fressbereich im Kaltbereich
- Kaltbereich mit überwiegend geschlossenem Boden und leichter Einstreu
- überdacht
- geringer Anteil an Spaltenboden
- Entmistung über Unterflurschieber
- Angebot von Raufutter
Konventionelle Kontrolle: Tierwohlbucht
- Geschlossener Stall, geregelte technische Lüftung
- 1 Klimazone, Teilfläche mit Bodenheizung
- Perforierter Boden aus Kunststoffrosten, keine Einstreu
- Entmistung über Güllesystem
- Angebot von Raufutter
In jedem Außenklimastall wurden vier Buchten, in der Kontrolle drei Buchten mit je 20 unkupierten Ferkeln belegt. Insgesamt wurden acht Versuchsdurchgänge durchgeführt. Ein Teil der Ferkel wurde auch in der nachfolgenden Mast beobachtet.
Folgende Daten wurden erfasst:
- Tierwohl anhand tierbezogener Indikatoren, vor allem Verletzungen und Teilverluste an Schwänzen und Ohren
- Lebendmasseentwicklung, Futter- und Wasserverbrauch
- Stallklima
- Verschmutzung der Buchten
- Arbeitszeitbedarf
- ausgewählte Arbeitsschritte
- Tierverhalten
Ergebnisse
Schwanzverletzungen und Schwanzbeißen
Über alle acht Versuchsdurchgänge hinweg wurden bei acht Boniturterminen je Durchgang insgesamt 16.962 Einzeltierbonituren zur Erfassung von Schwanz- und Ohrbefunden nach DSBS an den 2.140 eingestallten Ferkeln durchgeführt, davon 13.331 Einzeltierbonituren in den drei Außenklimastallungen und 3.631 in der Tierwohlbucht. Die Ergebnisse der drei Außenklimastallungen unterschieden sich nicht voneinander, waren bezüglich der Schwanzbefunde jedoch signifikant besser als die in der Tierwohlbucht erzielten Resultate. Im Durchschnitt der drei Außenklimaställe entfielen 90,6 % der über den Verlauf der Aufzucht erhobenen Boniturnoten auf Grad 0 "ohne Durchbrechung der Haut am Schwanz“, 8,1 % auf Grad 1 "oberflächliche Durchbrechung der Haut am Schwanz, punktuell oder strichförmig“ und 1,3 % auf Grad 2 und Grad 3 "tiefere flächige Durchbrechung der Haut“. Krusten am Schwanz wurden bei 4,8 % der Einzelbonituren und trockene Nekrosen bei 1,3 % der Einzelbonituren erfasst. In der Tierwohlbucht wurden 89 % Hautdurchbrechungen am Schwanz Grade 0, 6,1 % Grad 1 und 4 % Grad 2 und 3 festgestellt. Krusten wurden bei 5,9 % und trockene Nekrosen bei 4 % der Einzelbonituren beobachtet. In den Außenklimastallungen traten in 14,7 % der Buchten Hautdurchbrechungen der Grade 2 und 3 auf, die einen erhöhten Arbeitsaufwand für Behandlung und Gegenmaßnahmen verursachten. In der Tierwohlbucht lag dieser Anteil bei 27,7 %. Am Ende der Ferkelaufzucht verfügten noch 97,2 % der Ferkel in den Außenklimastallungen über die volle Schwanzlänge, aber nur 83,9 % der Tiere in der konventionellen Tierwohlbucht.
In der Tierwohlbucht wurden am Ende der Aufzuchtphase 11 % der Ferkel als nicht vermarktungsfähig eingestuft und 20,4 % hatten nicht mehr die vollständige Schwanzlänge, wiesen jedoch zugleich keine akuten Verletzungen mehr auf. In den Außenklimastallungen wurden nur 0,1 % der Ferkel als nicht vermarktungsfähig eingestuft und weitere 3,7 % zeigten einen Längenverlust am Schwanz, jedoch zum Verkaufszeitpunkt keine akuten Verletzungen mehr.
Die Haltung der Aufzuchtferkel in den Außenklimastallungen wirkte sich auch positiv auf die Mastphase aus. 85 % der Ferkel aus den Außenklimastallungen, von denen 99 % mit intakten Schwänzen in den Pig Port-Maststall eingestallt worden waren, wiesen am Ende der Mast noch die volle Schwanzlänge auf. Dagegen verfügten nur 56 % der Ferkel aus den Tierwohlbuchten am Ende der Mast noch über die vollständige Schwanzlänge, während es zum Zeitpunkt der Einstallung noch 87 % der Tiere waren. Nur etwa 2 % aller Tiere hatten am Ende der Mast offene Hautdurchbrechungen am Schwanz.
Wachstum, Futterverbrauch und Tiergesundheit
Ferkel aus allen vier Aufzuchtstallungen zeigten über die 47 Aufzuchttage vergleichbare tägliche Lebendmassezunahmen von 471 g ausgehend von 7,9 kg Lebendmasse je Tier bei der Einstallung. Es ergaben sich keine Hinweise auf eine geringere Futtereffizienz, auf häufigere krankheitsbedingte Tierbehandlungen und vermehrte Tierverluste in den Außenklimastallungen. Im Mittel über alle 2140 Versuchsferkel traten nur 0,4 % Verluste auf. Während jedoch in den Außenklimastallungen nur 1,6 % der Ferkel infolge von Schwanzverletzungen behandelt werden mussten, waren es in der Tierwohlbucht 4,1 % der Ferkel.
Im Verlauf der Mastphase mussten 5,5 % der aus den Außenklimastallungen stammenden Ferkel infolge von Schwanzbefunden behandelt werden und 10,9 % der Tiere aus der Tierwohlbucht. Als Verluste waren 0,5 % der Mastschweine zu verzeichnen.
Stallklima, Buchtenstruktruktur und Buchtenverschmutzung
Den Ferkeln standen im Zusammenspiel der verschiedenen Klimazonen der Außenklimaställe in den unterschiedlichen Buchtenbereichen jederzeit ausreichende bzw. vorteilhafte Temperaturbereiche zur Verfügung. Insbesondere während der warmen Jahreszeit zeigten sich die Außenklimastallungen dem konventionellen Warmstall als überlegen. Die Schadgaskonzentrationen waren in allen Zonen der Außenklimabuchten nahezu jederzeit in einem für das Auftreten von Schwanzverletzungen als unproblematisch betrachtetem Bereich.
Die Ferkel zeigten eine hohe Akzeptanz der Liegeflächen und setzten Kot und Harn weit überwiegend in den dafür vorgesehenen Rost- bzw. Spaltenbereichen ab. In Verbindung mit einer konsequenten, bei Bedarf täglichen Reinigung verschmutzter Bereiche auf den Festflächen, konnte deren Verschmutzung geringgehalten werden.
Auf Basis der erzielten Resultate können die drei geprüften Außenklimastallvarianten in der am Versuchsstall baulich realisierten Ausführung nach Abschluss einiger weniger, im Verlauf des Projekts durchgeführten Optimierungsmaßnahmen als empfehlenswerte Beispielslösungen für Premium-Tierwohlställe mit Außenklimaeinfluss bzw. mit Auslauf für Aufzuchtferkel beschrieben werden.
Die Ursachen für die erfolgreiche Haltung der unkupierten Ferkel werden vor allem im Außenklimareiz, dem Zugang zu deutlich unterschiedlichen Temperaturzonen und der großzügigeren Buchtenstrukturierung vermutet.
Für die hohe Akzeptanz von Liege- und Kotbereichen in den Außenklimastallungen werden die vorteilhafte Gestaltung der Temperaturzonen in den Buchten, die Buchtenform mit schmalen und mehr als viermal so langen Buchten sowie die Anpassung der Größe der Liegefläche an den Bedarf der Tiere als wichtige Einflussfaktoren betrachtet. Die Akzeptanz und Sauberhaltung konnte durch einfache Optimierungsschritte in zwei Abteilen verbessert werden. Im Außenklimastall 2 (ohne Abdeckung über dem Liegebereich) wurde im Winter ein Windfang mit doppeltem Vorhang installiert und dadurch die Temperaturen im Liegebereich erhöht und Zuglufteinfall vermieden. Im PigPort wurde eine verschiebbare Rückwand ergänzt, mit der die Größe des Liegebereichs für kleine Ferkel und im Sommer verringert werden kann. Seit kurzem wird auch eine temperaturgesteuerte Öffnung der Liegekistenabdeckung getestet.
Weitere Optimierungspotentiale im Hinblick auf Tierwohl und Buchtensauberkeit könnten sich aus der Installation von Kühltechniken mit Wirkung im Liegebereich ergeben. Die Entmistungstechnik und die Einstreutechnik werden als ausreichend funktionssicher betrachtet.
Außenklimastall 2 mit zusätzlichem Windfang im Winter
Verstellbare Rückwand im PigPort
Optimierungsansatz für die Tierwohlbucht
Der wichtigste Ansatz zur Verbesserung des Tierwohls in der konventionellen Tierwohlbucht dürfte die Vermeidung übermäßiger Stalllufttemperaturen zu sein. Hier dürfte der Anpassung der Lüftungskurven hin zu niedrigeren Solltemperaturen und dem Einsatz von Kühltechniken eine besondere Bedeutung zukommen. Ergänzend könnte eine Weiterentwicklung der Tierwohlbucht zu noch klareren Buchtenstrukturen mit verbesserten Rückzugs- und Wühlmöglichkeiten eine weitere Annäherung an die Bedingungen in den Außenklimabuchten bringen.
Arbeitszeit und Materialverbrauch
Die geprüften Außenklimastallungen verursachen einen im Vergleich zur Tierwohlbucht und zu konventionellen Standardbuchten mit / ohne ITW-Standard höheren Arbeitsaufwand. Bei Zugrundelegung von 5,8 Umtrieben je Aufzuchtplatz ergaben sich für die Summe der im Zuge der Arbeitszeitmessungen berücksichtigten Tätigkeiten (tägliche Kontrolle, Tierbehandlungen, Wasche, Desinfizieren und Herrichten des Buchten zur Neueinstallung von Ferkeln) ein Arbeitsaufwand je Aufzuchtplatz und Jahr von 0,24 Stunden in der konventionellen Standardbucht mit kupierten Ferkeln, von 0,31 Stunden in der ITW-Bucht mit kupierten Ferkeln, von 0,37 Stunden in der Tierwohlbucht mit unkupierten Ferkeln und von 0,55 Stunden im Durchschnitt der Außenklimaställe mit unkupierten Ferkeln.
Im Vergleich zur Tierwohlbucht ergab sich für die Außenklimaställe ein höherer Verbrauch an Einstreu und Raufutter, jedoch geringere Verbrauchsmengen an Beschäftigungsmaterialien.
Einblick in die Stallungen
In Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Fokus Tierwohl entstand ein Kurzfilm zu den alternativen Stallsystemen. Dieser umfasst einen Einblick in die Buchtenstruktur mit den verschiedenen Klimazonen und Funktionsbereichen, dem Entmistungssystem und ersten Einschätzungen zur Funktionalität und Annahme durch die Ferkel:
Alternative Ferkelaufzuchtsysteme – Netzwerk Fokus Tierwohl
Projektinformation
Projektleitung: Dr. C. Jais
Projektbearbeitung: M. Krebs, M. Hetzner, A. Nüßlein, Staatsgut Schwarzenau
Laufzeit: 01.11.2020–31.12.2024
Versuchsort: Bayerische Staatsgüter, Staatsgut Schwarzenau
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: A/20/10