Forschungs- und Innovationsprojekt
Weniger Schwanzbeißen durch KomfortPlus-Buchten für Ferkel und Mastschweine

Schweine in einer KomfortPlus-Bucht mit Liegebereich, Heuraufe, Spielzeug und Microsuhle.

Konsortialprojekt zum Verzicht auf Schwanzkupieren beim Schwein (KoVeSch)

Das Kürzen der Ferkelschwänze ist eine weitverbreitete Maßnahme, um dem Schwanzbeißen bei Aufzuchtferkeln und Mastschweinen vorzubeugen. Es steht jedoch stark in der Kritik. Seit einigen Jahren werden in Versuchen Möglichkeiten gesucht, die das Risiko eines Auftretens von Schwanzbeißen verringern und dadurch das Kupieren überflüssig machen. Dieses Ziel verfolgte auch das vorliegende Konsortialprojekt, an dem sieben Partnerorganisationen beteiligt waren.

Zielsetzung

Das Auftreten von Schwanzbeißen sollte durch die Haltung der Ferkel und Mastschweine in sogenannten KomfortPlus-Buchten verhindert werden. Diese waren im Hinblick auf mehrere für das Auftreten von Schwanz­verletzungen relevante Faktoren optimiert.

Methode

Unkupierte Aufzuchtferkel und Mastschweine wurden in sogenannten KomfortPlus-Buchten gehalten, die sich durch folgende Elemente auszeichneten:

  • abgedeckter und beheizbarer Liegebereich mit (fast) geschlossenem Boden
  • dadurch zwei unterschiedlich temperierte Aufenthaltsbereiche: wärmer im Liegebereich und kühler außerhalb des Liegebereichs
  • Heu als attraktives Beschäftigungsmaterial ab dem siebten Lebenstag über Raufe und in einem Wühlareal
  • Mikrosuhle zur Beschäftigung und zur individuellen Abkühlung
  • Platzangebot je Tier 50 Prozent höher als gesetzlich gefordert
Zudem lernten sich die Ferkel einer KomfortPlus-Bucht bereits während der Säugephase kennen und blieben während der Ferkelaufzucht und Schweinemast als Gruppe zusammen.
Ferkel ruhen im abgedeckten Liegebereich.

Bequemes Ruhen im warmen Liegebereich

Ferkel an einer Heuraufe.

Das Heu aus der Raufe regt zur Beschäftigung an.

Ferkel schnappen nach den Wasserstrahlen aus der Mikrosuhle.

Das Wasser aus der Mikrosuhle beschäftigt und kühlt.

Wasserstrahlvorrichtung in einem Stall.Zoombild vorhanden

Wasserstrahl für Kühlung und Unterhaltung

Die Tiere wurden dreimal während der Aufzuchtphase und drei- bzw. viermal während der Mast auf Veränderungen an Schwänzen und Ohren entsprechend dem Deutschen Schweine-Boniturschlüssel (DSBS) bewertet. Zudem wurden fortlaufend Daten zum Gesundheitszustand, zum Wachstum und zum Futterverbrauch der Schweine sowie zum Stallklima erfasst. Begleitend wurden auch ökonomisch relevante Kenngrößen erhoben, zum Beispiel der Verbrauch an Beschäftigungsmaterial, die Kosten des Stallplatzes und der durch die KomfortPlus-Buchten bedingte erhöhte Arbeitsaufwand.

Ergebnisse, Diskussion und Fazit

Hautdurchbrechungen und Längenverluste am Schwanz
Ziel des Projektes war es, mithilfe der KomfortPlus-Buchten verlässlich das Auftreten von Schwanzbeißen verringern zu können: In jeweils drei aufeinanderfolgenden Aufzucht- bzw. Mastdurchgängen sollten am Ende der Aufzuchtphase höchsten 5 % und am Ende der Mast höchsten 10 % der Tiere einen Längenverlust am Schwanz aufweisen. Dabei wurden gemäß DSBS bereits auch Verluste gezählt, die nur die äußerste Schwanzspitze betrafen. Dieser Zielwert konnte zwar in einzelnen Gruppen (Buchten) und Versuchsdurchgängen, insgesamt aber nicht mit der angestrebten Verlässlichkeit erreicht werden. Über alle Versuchsstationen hinweg erfüllten 55 % der Gruppen (Buchten) mit Aufzuchtferkeln und 27 % der Gruppen (Buchten) mit Mastschweinen den angestrebten Zielwert. Dabei war bei allen Versuchsstationen die Spannbreite des Anteils Tiere pro Bucht, die Teilverluste aufwiesen, sehr groß.
Im Vergleich mit den gleichzeitig mit unkupierten Schweinen belegten konventionellen Kontrollbuchten zeigten die KomfortPlus-Buchten jedoch Vorteile. Die Wahrscheinlichkeit, das Zielkriterium von 5 % bzw. 10 % Längenverlust zu erreichen, war in den KomfortPlus-Buchten größer als in den Kontrollbuchten. Zudem nahm in den KomfortPlus-Buchten der Anteil Tiere pro Bucht mit intakten Schwänzen im Verlauf eines Aufzucht- oder Mastdurchgangs weniger stark ab als in den Kontrollbuchten, und der Anteil Tiere pro Bucht mit Teilverlusten größeren Schweregrads (mehr als ein Drittel des Schwanzes fehlen) war in den KomfortPlus-Buchten geringer als in den Kontrollbuchten.
An der Versuchsstation Schwarzenau wurden in der Ferkelaufzucht bei insgesamt 24 Boniturterminen in acht Versuchsdurchgängen und 80 Ferkeln je Durchgang 1912 und in der Schweinemast bei zwölf Boniturterminen in vier Versuchsdurchgängen und 52 Tieren je Durchgang 618 Einzeltierbonituren nach DSBS in den KomfortPlus-Buchten durchgeführt. Dabei entfielen bezüglich der Hautdurchbrechungen in der Ferkelaufzucht 90,0 % und in der Schweinemast 89,2 % auf die Kategorie 0 "ohne Hautdurchbrechung“. Am Ende der Ferkelaufzucht wiesen 81,9 % der Ferkel und am Mastende 72,1 % der Mastschweine die volle Schwanzlänge auf.
Ökonomische Betrachtung
Die Haltung von Ferkeln und Mastschweinen in den KomfortPlus-Buchten verursachte einen höheren Aufwand. Dazu trugen die erhöhte Arbeitszeit, die Baukosten und die sonstigen variablen Kosten bei. Im Vergleich zu den Kontrollbuchten dauerte die Betreuung je Aufzuchtferkel im Mittel aller Versuchsstationen 6,4 Minuten länger (in Schwarzenau 2,2 Minuten) und je Mastschwein im Mittel aller Versuchsstationen 7,9 Minuten (7,4 Minuten in Schwarzenau). Der Investitionsbedarf schwankte in Abhängigkeit von den baulichen Ausgangsbedingungen sehr stark und betrug zwischen 115 Euro (Schwarzenau) und 426 Euro je Aufzuchtplatz und zwischen 165 Euro (Schwarzenau) und 628 Euro je Mastplatz. Bezüglich der Leistungsdaten, wie Wachstum, Futterverbrauch und Tiergesundheit, ergab das Projekt keine Hinweise auf verlässlich bessere oder schlechtere Ergebnisse in den KomfortPlus-Buchten im Vergleich zu den Kontrollbuchten.
Funktionalität der Schwarzenauer KomfortPlus-Buchten
Die KomfortPlus-Bucht in der Ferkelaufzucht überzeugte durch eine sehr hohe Annahme des Liegebereichs durch die Ferkel und durch die nur sehr geringe Verschmutzung der Liegefläche. In der Bucht wurde von den Tieren ein klarer Hauptabkotbereich in der Buchtenecke angelegt, die nicht durch andere Funktionen, wie etwa Liegen, Fressen, Beschäftigung, belegt war. Die Mikrosuhle wurde von den Ferkeln gerne angenommen. Ihr Wasserverbrauch war allerdings hoch.
In den KomfortPlus-Buchten für Mastschweine wurde die Liegefläche deutlich stärker verschmutzt. Dies kann durch ihre Lage, mittig in der Bucht und im Laufbereich zwischen Kot- und Fressbereich, verursacht worden sein, aber auch auf das geringere Bedürfnis der Mastschweine nach einem abgedeckten Liegebereich und auf den geringeren Perforationsgrad des Betonspaltenbodens im Vergleich zu den Kunststoffrosten der Ferkelaufzucht zurückzuführen sein.
Die KomfortPlus-Buchten der Ferkelaufzucht überzeugten durch ihre gute Übersichtlichkeit. Die an der dem Kontrollgang gegenüberliegenden Abteilwand gelegene Liegekiste ermöglichte stets eine gute Einsicht in alle Buchtenbereiche.
Nicht zufriedenstellend waren die Ammoniak- und Kohlendioxid­konzentrationen in der Liegekiste der Ferkel­aufzucht­bucht. Hier wäre zu prüfen, ob ein vollständig geschlossener Boden in der Liegekiste Abhilfe bringen würde.
Der Ablauf des Versuchs und die ausführlichen Ergebnisse sind in den LfL-Versuchs­ergebnissen zu finden.

LfL-Versuchsergebnisse – Weniger Schwanzbeißen durch KomfortPlus-Buchten pdf 5,5 MB

Projektinformation
Projektleitung: Dr. C. Jais
Projektbearbeitung: M. Hetzner, A. Nüßlein
Laufzeit: 15.08.2018 bis 30.06.2022
Versuchsort: Bayerische Staatsgüter, Staatsgut Schwarzenau
Projektpartner: Friedrich-Löffler-Institut Celle, Landwirtschaftskammer Schleswig-Holstein, Landwirtschaftskammer Niedersachsen, Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen, LSZ Boxberg, Christian-Albrechts-Universität Kiel, Bayerische Staatsgüter
Projektförderung: Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft
Projektträger: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung
Förderkennzeichen: 2819109617