Forschungs- und Innovationsprojekt
Einfluss des Tier-Fressplatz-Verhältnisses auf Leistung und Verhalten von Jungebern und Mischgruppen aus Kastraten und weiblichen Mastschweinen

Jungeber am Futtertrog
Jungeber zeichnen sich durch sehr gute Wachstumsleistungen aus, sind aber aktiver als Kastraten und zeigen auch unerwünschte Verhaltensweisen, wie ausgeprägtere Kämpfe, Aufreiten auf Buchtengefährten und das sog. Penisbeißen.

Abb. 1: Während ein Eber einen anderen bespringt, richtet das im Vordergrund stehende Tier seine Aufmerksamkeit auf den ausgeschachteten Penis.

Zielsetzung der Versuche

In Versuchen sollte deshalb der Frage nachgegangen werden, ob diese unerwünschten Verhaltensweisen der Eber durch eine Erhöhung der Anzahl an Fressplätzen bei gleich bleibender Tierzahl je Bucht reduziert werden können und wie sich das Tier-Fressplatzverhältnis auf die Leistung der Tiere auswirkt. Die Bedeutung des Tier-Fressplatz-Verhältnisses auf die tierische Leistung sollte parallel auch für Mischgruppen aus Kastraten und weiblichen Mastschweinen geklärt werden

Tiere, Material und Methoden

Versuchsbuchten

Die Tiere wurden mit ca. 30 kg Lebendgewicht in die Mast eingestallt und bis zu einem Mastendgewicht von ca. 120 kg gemästet. Eber -und Gemischtgruppen wurden in zwei baugleichen Abteilen getrennt voneinander aufgestallt. Alle Versuchsgruppen hatten zum Mastbeginn ein möglichst identisches mittleres Einstallgewicht bei ebenfalls gleicher Gewichtsstreuung. Wurfgeschwister wurden möglichst auf verschiedene Behandlungen aufgeteilt und Kastraten und weibliche Tiere in den Mischgruppen im Verhältnis 50:50 aufgestallt.
Der Versuch umfasste zwei Mastdurchgänge, die im Versuchsstall der LfL am LVFZ Schwarzenau durchgeführt wurden.
Je Durchgang wurden in jeweils acht Mastbuchten insgesamt 112 Jungeber in den Eberbuchten und 112 Kastraten und weibliche Mastschweine in Mischbuchten mit vier verschiedenen Tier-Fressplatz-Verhältnissen (TFV) aufgestallt. Ausgehend von 125 cm Troglänge und einem TFV von 3,7:1 wurde in einer Variante die Troglänge auf 150 cm erhöht und das TFV auf 3,1:1 reduziert, in zwei weiteren Varianten die Troglänge auf 110 cm und 90 cm verkürzt und das TFV auf 4,2:1 und 5,1:1 erhöht. Die Tiere erhielten Flüssigfutter ad libitum am Sensor-Kurztrog. Futter wurde von 1:00-11:30 Uhr und von 13:00-23:00 Uhr ausdosiert. Je Bucht wurden 14 Tiere gehalten. Das Angebot an uneingeschränkt nutzbarer Buchtenfläche betrug einheitlich 0,81 m² je Mastschwein.
Insgesamt ergab sich die in Tab.1 dargestellte Kombination an Faktoren.
Tab. 1: Ausstattung der Versuchsbuchten
Tier-Fressplatz-Verhältnis3,1 : 13,7 : 14,2 : 15,1 : 1
Troglänge, cm15012511090
Tiere je Bucht14141414
Fläche je Tier, m²0,810,810,810,81

Datenerhebung am lebenden Tier:

  • Lebendmasse der Einzeltiere zu verschiedenen Zeitpunkten: Einstallen, 42., 63. und 84. Masttag, Mastende
  • Futterverbrauch wöchentlich, jeweils gemeinsam für zwei Buchten, die an demselben Trog mit identischem TFV gefüttert wurden

Jeweils um den Zeitpunkt der Wiegungen:

  • Verletzungen und Kratzer der Haut
  • Gangweise (Lahmen)

Datenerhebung am toten Tier:

  • Schlachtdaten (z. B. Ausschlachtung, Muskelfleischanteil)
  • Nackenfettproben der Eber zur Bestimmung der geruchsbeeinflussenden Inhaltsstoffe Androstenon, Skatol und Indol (nur ein Mastdurchgang)
  • Verletzungen und Veränderungen an den Eberpenissen

Ergebnisse

Mast- und Schlachtleistung

Die Jungeber wie auch die Mischgruppen erreichten bei den Mast- und Schlachtleistungen in allen Mastdurchgängen ein sehr hohes Leistungsniveau. Sie waren mit etwa 30 kg Lebendmasse eingestallt worden. Das Mastendgewicht der Eber betrug knapp 126 kg nach 104 Masttagen, das der Mischgruppen gut 124 kg nach 110 Masttagen. Die täglichen Zunahmen lagen bei 936 g in den Ebergruppen und bei 864 g in den Mischgruppen. Die Futterverwertung betrug 2,4:1 (Eber) bzw. 2,5:1 (Mischgruppen). Bei einem Schlachtgewicht von 99,9 kg erreichten die Jungeber eine Ausschlachtung von 79,2 % und einen Muskelfleischanteil von 59,4 %. In den Mischgruppen lag das Schlachtgewicht bei 99,6 kg, die Ausschlachtung betrug 80,6 % und der Muskelfleischanteil 59,8 %.

Tierverluste

Aus den Eberbuchten wurden insgesamt 10 Tiere vorzeitig ausgestallt (4,5 %), aus den Mischbuchten 6 Tiere (2,7 %). An Totalverlusten war ein Tier in den Eberbuchten und zwei Tiere in den Mischbuchten zu verzeichnen. Die etwas häufigeren vorzeitigen Abgänge in den Eberbuchten könnten auf den aus Versuchsgründen zurückhaltenden Einsatz der Genesungsbuchten zurückzuführen sein. In einem Versuch zur Wirkung des Flächenangebots und einem frühzeitigen Verbringen lahmender Tiere in Genesungsbuchten waren die Abgangszahlen niedriger ausgefallen.

Gangweise

Insgesamt wurden 84,7 % der Bewertungen für die Gangweise als unauffällig mit Note 1 eingestuft. 12,4 % wurden der Kategorie „steifer oder veränderter Gang“ (Note 2). Bei 2,3 % der Bewertungen lahmte das Tier auf einer Gliedmaße (Note 3), bei 0,7 % betraf die Lahmheit mehrere Gliedmaßen (Note 4). Ein „Festliegen“ (Note 5) wurde nie festgestellt. Eber und Tiere der Mischbuchten unterschieden sich nicht in der Bewertung.

Hautverletzungen

Die Eber wiesen signifikant mehr Hautverletzungen auf als die Tiere der Mischgruppen. Über zwei Mastdurchgänge mit je drei Boniturterminen waren nur 7,6 % der Eber an einzelnen Boniturterminen vollständig unverletzt, aber 19,2 % der Tiere in der Mischgruppe.
Der Unterschied zwischen den Geschlechtern lag in den oberflächlichen Verletzungen, die bei den Ebern vor allem die vordere Körperhälfte betrafen und Folge der ausgeprägteren Auseinandersetzungen waren. Von insgesamt 5254 für die Eber vergebenen Einzelnoten waren 48,2 % oberflächliche Hautverletzungen, aber nur 35,2 % der 5304 Einzelnoten für die Tiere der Mischbuchten (Unterschied signifikant). Die oberflächlichen Hautverletzungen stellen vermutlich keine Belastung für das Wohlbefinden der Eber dar.
Tiefe Hautverletzungen traten mit 2,8 % bei den Ebern selten, aber etwas häufiger auf als in den Mischgruppen (1,1 %).

Kombination aus zwei Einzelbildern. Im linken Bild wird ein Mastschwein mit oberflächlichen Hautverletzungen gezeigt, im rechten Bild ein Tier mit tief Hautverletzungen.

Abb. 2: Oberflächliche Verletzungen (links) heilten schnell ab. Rechts: Beispiel von als tief bewerteten Verletzungen

Verletzungen am Penis

Zu sehen sind zwei vom Schlachtkörper entnommene Eberpenisse. Links ein unverletzter Penis, rechts ein Penis mit mehreren länglichen Verletzungen im Bereich der Penisspitze.ternativtext eingebenZoombild vorhanden

Abb. 3: Penis mit mehreren länglichen Verletzungen im Bereich der Spitze (rechts), daneben unversehrter Penis (links)

Verletzungen bzw. Veränderungen an den Penissen traten in verschiedener Form auf. 58,3 % der Penisse hatten punktförmige oder längliche Wunden bzw. Kratzer im Bereich der Spitze, 1,8 % im Bereich des Penisköpers. Abschürfungen wiesen 6,4 % der Penisse auf, Verluste eines Teils des Penisgewebes waren zu 3,2 % zu beobachten. Über beide Durchgänge hinweg wiesen 60,5 % der Penisse Veränderungen auf, 39,5 % waren gänzlich unverletzt. Verletzungen können von einer oralen Manipulation durch Buchtengefährten während des Aufreitens mit ausgeschachtetem Penis rühren („Penisbeißen“) oder durch den Kontakt mit der Haut bzw. dem Haarkleid der besprungenen Tiere verursacht werden. Die Schmerzhaftigkeit der beobachteten Penisverletzungen ist nicht sicher einzuschätzen. Keines der betroffenen Tiere fiel aber infolge von durch länger anhaltende Schmerzen bedingten Verhaltensabweichungen auf. Ebenso wurden bei keinem Tier am Schlachtband Hinweise auf ein Entzündungsgeschehen bemerkt.

Androstenon-, Skatol- und Indolgehalte

Der mittlere Gehalt an Androstenon je Gramm Nackenfett der Eber betrug 637 ng, an Skatol 90 ng und an Indol 19 ng. 52,8 % der Proben blieben unter dem Schwellenwert von 500 ng/g Fett für Androstenon und 95,4 % unter 1000 ng / g Fett. 93,5 % der Proben lagen unter dem Schwellenwert von 160 ng / g Fett für Skatol und 98,1 % unter 250 ng / g Fett.
Alle Eber der drei Mastdurchgänge wurden im Versuchsschlachthaus der LfL am Standort in Schwarzenau geschlachtet. Kein Eberschlachtkörper musste wegen Geruchsauffälligkeit verworfen werden.
Die im Vergleich zu einem Versuch zum Flächenangebot hohen Androstenonwerte könnten in Zusammenhang mit dem höheren Mastendgewicht der Eber stehen, das in dem Durchgang, aus dem die Fettproben genommen wurden, erreicht wurde.

Zweidimensionales Diagramm mit Darstellung der Gehalte an Androstenon und Skatol im Nackenfett der Eber als Punktewolke. Die Y-Achse-Achse gibt die Androstenonwerte und die X-Achse die Skatolwerte an.xt eingeben

Abb. 4: Verteilung der Leitsubstanzen des Ebergeruchs Androstenon und Skatol

Kein Einfluss des Tier-Fressplatz-Verhältnisses

Die geprüften Stufen des Tier-Fressplatz-Verhältnisses am Sensor-Kurztrog mit Flüssigfütterung, das im Versuch in vier Stufen zwischen 3,1:1 und 5,1:1 variierte, hatte auf keinen der erhobenen Parameter einen gerichteten und signifikanten Einfluss.

Schlussfolgerungen

Aus den vorliegenden Ergebnissen ergibt sich kein Hinweis darauf, dass eine Erhöhung der Anzahl an Fressplätzen bei gleichbleibender Tierzahl je Bucht zu einer Reduzierung der unerwünschten Verhaltensweisen von Ebern (Aufreiten, Penisbeißen) führt. Ebenso werden die geruchsbeeinflussenden Substanzen Androstenon, Skatol und Indol im Nackenfett der Eber dadurch nicht reduziert.
Darüber hinaus ergibt sich auch kein Hinweis darauf, dass die Haltungsbedingungen für Eber von den Haltungsbedingungen für Kastraten und weibliche Mastschweine abweichen müssen.
Unter der Voraussetzung, dass die genannten häufigeren oberflächlichen Hautverletzungen sowie die Veränderungen an den Penissen mit Blick auf das Wohlbefinden der Tiere akzeptiert werden können, präsentierte sich die Jungebermast in den vorliegenden Versuchen als erfolgreich durchführbares Verfahren. Die von anderen Versuchsanstellern beobachteten zu Kastraten vergleichbaren Cortisolwerte der Eber könnten als ein Indiz für eine gleiche, zumindest für eine nicht höhere Stressbelastung der Eber gewertet werden.
Projektinformation
Projektleitung: Dr. Christina Jais
Projektbearbeitung: Manfred Otting, Peter Oppermann, Miriam Abriel, LVFZ Schwarzenau
Laufzeit: 01.07.2013 - 31.12.2016
Versuchsort: LVFZ Schwarzenau
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Förderkennzeichen: A/13/14