Forschungs- und Innovationsprojekt
Wie kann man Klauenkrankheiten automatisch erkennen?
Lahmheiten stellen in der Milchviehhaltung ein ernst zu nehmendes Problem dar, das zu großen wirtschaftlichen Verlusten führen kann. Die frühzeitige Erkennung und Behandlung von Klauenproblemen dient dem Tierwohl und hilft ökonomische Schäden zu vermeiden. Die dafür notwendige intensive Tierbeobachtung ist relativ zeitaufwendig. Durch wachsende Tierbestände wird die Beurteilung einzelner Tiere immer schwieriger durchführbar, so dass Erkrankungen der Klaue in großen Beständen häufig erst spät bemerkt werden. Die Läsionen sind dann oft bereits so weit fortgeschritten, dass sie mit erheblichen Schmerzen und Leiden und einer sehr langwierigen und kostenintensiven Behandlung verbunden sind.
In einem laufenden ILT-Projekt sollen Klauenerkrankungen anhand von automatisch erfassten Daten zum Liege- und Futteraufnahmeverhalten frühzeitig erkannt werden.
Erste Untersuchung (2014 – 2016)
2014 bis 2016 untersuchte die LfL in einem Versuch, inwieweit über verschiedene automatisch messbare Aktivitäts- und Leistungsparameter Rückschlüsse auf Klauenerkrankungen gezogen werden können. Dazu zählen zum Beispiel die Milchmenge über das Automatische Melksystem oder die Futtermenge über die Wiegetröge.
Zielsetzung
Es sollten in der Untersuchung Leistungs- und Verhaltensparameter gefunden werden, die sich bei einer Lahmheit am deutlichsten verändern und somit Hinweise auf eine Klauenerkrankung liefern können.
Tiere, Material und Methoden
Versuchsablauf
- Kontinuierliche tierindividuelle Datenerfassung
- Klauenpflege im 5-Monatsrhythmus durch einen professionellen Klauenpfleger
- Nachbehandlungen bzw. dazwischen notwendige Behandlungen durch Tierarzt
- Dokumentation aller auftretenden Klauenerkrankungen, wöchentliche Kontrolle durch Tierarzt bis zur Abheilung. Wöchentliche Gangbeurteilung der ganzen Herde
Versuchsort
- Milchviehstall Grub mit 65 Fleckviehkühen
Versuchszeitraum
- Datenerfassung: März 2014 - Mai 2015
- Datenauswertung: März 2015 - März 2016
Versuchstechnik (siehe Bilder)
- Automatisches Melksystem: Milchmenge und Tiergewicht
- Wiegetröge: Futteraufnahme
- RFID-Tore: Erfassung Aufenthaltsbereich (Radio Frequency IDentification: Daten können ohne Berührung gelesen werden)
- Pedometer (Messgerät am Bein der Kuh): Aktivität (Liegen, Gehen, Stehen)
Ergebnisse
Keiner der untersuchten Parameter erzielte bei alleiniger Verwendung eine ausreichend große Genauigkeit in Hinsicht auf die Fragestellung „lahm“ oder „nicht lahm“.
Die Leistungsparameter wie Milchleistung, Tiergewicht oder Futteraufnahmemenge zeigten nur einen sehr geringen oder gar keinen Zusammenhang mit dem Lahmheitsgrad.
Die besten Ergebnisse erzielten:
- Dauer der Futteraufnahme
- Futteraufnahmeintensität
- durchschnittliche Futteraufnahmemenge pro Besuch am Wiegetrog
- Anzahl der Besuche am Wiegetrog
- Liegedauer (gesamt)
- durchschnittliche Dauer eines Liegeereignisses
Aus den aussagekräftigsten und praxisrelevanten Parametern (Liegedauer, durchschnittliche Dauer eines Liegeereignisses, Anzahl der Besuche am Trog und Dauer der Futteraufnahme) wurde zusammen mit den Einflussfaktoren Laktationszahl und Laktationsstatus der Tiere ein Berechnungsmodell zur Einschätzung des Klauengesundheitsstatus erstellt. Das abschließend erarbeitete Modell stufte die Tiere aus dem erfassten Datensatz zu 91 % richtig als „lahm“ bzw. „nicht lahm“ ein.
Die mit der Futteraufnahme assoziierten Parameter wurden im Versuchsbetrieb mit kostenintensiven und daher nicht praxisrelevanten Wiegetrögen erfasst. Moderne Pedometer können diese Parameter jedoch durch die Tiererkennung über eine am Futtertisch installierte Induktionsschleife ebenfalls erfassen.
Fazit
Folgeversuch (2016 – 2020)
Das Ziel des Folgeversuchs ist die Weiterentwicklung der Analyse von Aktivitäts- und Leistungsdaten zur Früherkennung von Klauenerkrankungen. Das Berechnungsmodell, das im Vorgängerversuch entwickelt wurde, wird im aktuellen Projekt an einer größeren Tierzahl überprüft und verbessert.
Tiere, Material und Methoden
Versuchsablauf
- Kontinuierliche, automatische Datenerfassung (s. Versuchstechnik)
- Manuelle Datenerfassung: zweiwöchentliche Gangbeurteilung aller Tiere im Versuch über Videoaufnahmen der Tiere am Melkstand- bzw. AMS-Ausgang
- Anschließend Untersuchung und Behandlung der lahmen Tiere, Untersuchung der Schmerzhaftigkeit der Klauen bei verdächtigen Tieren durch Tierärztin
- Dokumentation sämtlicher Behandlungen und Untersuchungen
- Betriebsklauenpflege durch einen professionellen Klauenpfleger
Versuchsort
- Vier Praxisbetriebe im Raum Landshut mit durchschnittlich 75 melkenden Fleckviehkühen
- Versuchsstall in Grub mit 65 Fleckviehkühen
Versuchszeitraum
- Datenerfassung: April 2017 - Juni 2018
- Datenauswertung: Juni 2018 bis Dezember 2020
Versuchstechnik
- Pedometer: Aktivität, Liegeverhalten, Futteraufnahmeverhalten
- Kameras: Tägliche Videoaufnahmen zu jeder Mahlzeit bzw. kontinuierlich bei Betrieben mit einem Automatischen Melksystem
- Nur im Gruber Milchviehstall
- Automatisches Melksystem: Milchmenge und Tiergewicht
- Wiegetröge: Futteraufnahme
Ergebnisse
Drei-Punkte Locomotionscore nach Grimm und Lorenzini
Ausblick
Weiterführende Informationen
- Lahme Kühe früh erkennen (Artikel BLW 38-2018) 1,6 MB
- Lahme Kühe früh erkennen (Artikel BLW 27-2016) 1,6 MB
- Entwicklung eines Vorhersagemodells zur Lahmheitserkennung bei Milchvieh (AKAL) 1,6 MB
- Automatische Erkennung von Lahmheiten bei Milchkühen mittels Leistungs- und Aktivitätsdatenanalyse (Dissertation K. Schindhelm, 2016)
- Grimm, Katharina, New insights into the association between lameness, behavior and performance in Simmental cows
- Lorenzini, Isabella (2019): Analysis of claw health, performance and behavioural parameters of Simmental cows on commercial dairy farms for implementation of a lameness prediction model. (Dissertation)
- Gibt es eine goldene Regel? (Artikel BLW 2/2020) 4,8 MB
- Entwicklung eines Berechnungsmodells zur automatischen Lahmheitserkennung, Beitrag bei der 40. Jahrestagung der Gesellschaft für Informatik in der Landwirtschaft
- DigiMilch – Vernetzte, tierindividuelle Sensorsysteme (DP V): Alle Tierdaten auf einen Blick
Projektinformation
Projektleitung: Dr. Bernhard Haidn
Projektbearbeitung: Dr. Katharina Grimm (geb. Schindhelm), Dr. Isabella Lorenzini
Laufzeit: 2014 - 2020
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Projektpartner: LMU München (Tiermedizinische Fakultät), ENGS Dairy Solutions (Israel), Bayern-Genetik GmbH
LfL-Information
Klauengesundheit beim Rind
Die Klauengesundheit ist in vielen Milchviehbetrieben ein Problem. Klauenerkrankungen verursachen u.a. große wirtschaftliche Schäden. Untersuchungen zeigen, dass eine Lahmheit bei einer Kuh einen Schaden von ca. 300 Euro im Jahr verursachen kann. Die vorliegende LfL-Information enthält die Fachvorträge des Infotages zur Klauengesundheit beim Rind, u.a. zu den Themen Haltungstechnik und Klauenpflege. Mehr