Zwischenmelkzeiten in Automatischen Melksystemen - zu kurz/zu lang?

Ansetzen im AMS
Kurze Zwischenmelkzeiten kommen bei automatischen Melksystemen (AMS) deutlich häufiger vor als erwünscht. Wenn sie in Kombination mit geringen Gemelksmengen auftreten, sollte gehandelt werden.
Es wird häufig sehr stark auf die überfälligen Tiere mit langen Melkintervallen geschaut. Unbeachtet bleiben dagegen häufig Melkungen mit zu kurzen Zwischenmelkzeiten. Gerade in Kombination mit geringen Gemelksmengen haben sie jedoch ebenfalls negative Auswirkungen auf die Tiere. Am Institut für Landtechnik und Tierhaltung (ILT) wurde ein Tool entwickelt, mit dem sich die betroffenen Tiere und Melkungen eines Betriebs einfach grafisch auswerten lassen.

Zusammenfassung

Am AMS werden die angestrebten Zwischenmelkzeiten (ZMZ) über die Einstellungen der Melkberechtigungen der Einzeltiere gesteuert.
Bei der täglichen Kontrolle in den Praxisbetrieben stehen meist zu lange ZMZ im Vordergrund. Eine Überprüfung auf zu kurze ZMZ und/oder zu geringe Gemelksmengen findet in der Regel nicht statt. Aufgrund der Freiwilligkeit des Melkvorgangs werden jedoch bei den AMS in der Regel kürzere Zwischenmelkzeit eingestellt, als eigentlich erzielt werden sollen. Dies hat zur Folge, dass ein Teil der Melkungen nach einer zu kurzen ZMZ erfolgt.
Sowohl zu lange, als auch zu kurze ZMZ sind aus physiologischer Sicht zu vermeiden. Am ILT wurde ein Werkzeug entwickelt, um ZMZ und Gemelksmengen auszuwerten und für Landwirte und Berater anschaulich darzustellen. Dabei wurde auch analysiert, wie häufig ungünstige Kombinationen beider Werte auftreten. Im Rahmen von Arbeitskreisen wurden bis Dezember 2014 82 Betriebe analysiert und beraten. 19,3 % der ZMZ lagen unter 7 Stunden. 7,3 % der Melkungen wiesen gleichzeitig Gemelksmengen unter 8 kg auf. Im Betrieb mit den höchsten Werten lagen die Kennzahlen bei 39,4 % (ZMZ < 7 h) bzw. 21,6 % (Gemelke < 8 kg), bei einer durchschnittlichen Tagesleistung von 26,4 kg.

Zielsetzung

Zielsetzung des Projekts war

  • die Entwicklung eines Tools um Zwischenmelkzeiten und Gemelksmengen gemeinsam auszuwerten und für den Landwirt / Berater einfacher zugänglich zu machen.
  • eine Analyse, wie häufig ungünstige Kombinationen von Zwischenmelkzeiten und Gemelksmengen in der Praxis auftreten.

Hintergrund

Automatische Melksysteme haben nach wie vor hohe Zuwächse und haben bei den Neuverkäufen in etlichen Ländern, so auch in Deutschland, andere Melksysteme bereits deutlich hinter sich gelassen. Weltweit dürften mittlerweile über 20.000 Betriebe automatisch melken.
Automatisches Melken bedeutet in der Regel, dass die zu melkenden Tiere die Melkbox letztendlich freiwillig aufsuchen, auch wenn dies teilweise durch den Tierumtrieb bzw. das Nachtreiben von Tieren unterstützt und ergänzt wird. In diesem Zusammenhang stehen seitens der Landwirte, aber auch der Firmen und der Beratung die „überfälligen“ und damit nachzutreibenden Tiere im Fokus. Den Anteil dieser Tiere zu reduzieren, ist ein wichtiges Ziel in der Diskussion um den Tierumtrieb, aber auch um die Einstellungen im Managementprogramm zu optimieren.
Melkberechtigung häufig zu früh
Aufgrund der Freiwilligkeit des Melkvorgangs wird dabei in der Regel eine kürzere Zwischenmelkzeit eingestellt, als eigentlich erzielt werden soll. Für den Landwirt ist es in den derzeit auf dem Markt befindlichen Managementprogrammen nur schwer auswertbar, bei welchen Zwischenmelkzeiten und mit welchen Gemelksmengen seine Herde oder bestimmte Tiere über längere Zeiträume tatsächlich gemolken werden. Gerade Tiere, die regelmäßig zu früh und/oder mit geringen Gemelksmengen gemolken werden, tauchen in den Standardauswertungen nicht auf.
Physiologie bei zu frühen Melkungen
Ein zu frühes Melken bei eventuell auch noch geringer Gemelksmenge (relativ zur Kapazität des Euters) ist aus physiologischer Sicht zu vermeiden. Wenn wenig Milch im Euter ist (relative Füllung) gibt es keine oder wenig Zisternenmilch, mit der die Zeit bis zum Einschießen der Milch überbrückt werden kann. Gleichzeitig dauert es aber besonders lang, bis die Milch einschießt, im Extremfall bis zu 3 Minuten (BRUCKMAIER & HILGER, 2001; DZIDIC et al., 2004). Bei geringer Euterfüllung führen demnach geringe Zisternenmilchmenge und die besonders lange Reaktionszeit des Euters bis zum Einschießen der Alveolarmilch zu einem hohen Zeitbedarf für eine angemessene Eutervorbereitung (BRUCKMAIER & HILGER, 2001).
Auswirkungen zu frühen Melkens
Wenn Kühe bei geringer Euterfüllung gemolken werden sollen, ist deshalb der zeitliche Aufwand für eine adäquate Eutervorbereitung (im AMS Reinigung + Wartezeit von maximal 45 Sekunden) unter Umständen länger als die eigentliche Melkzeit, was einer effizienten Nutzung des AMS widerspricht (WEISS & BRUCKMAIER, 2005). Ein Melkbeginn an leeren Zitzen bei vollem Vakuum führt andererseits unmittelbar zu schlechter Melkzeughaftung aufgrund des fehlenden Milchdrucks in der Zitze. In der Folge kommt es zu erhöhtem Vakuum im Zitzengummikopf und entsprechendem "Klettern" des Melkbechers, und zu einer starken Belastung des Zitzengewebes, was den weiteren Melkakt hinsichtlich Melkgeschwindigkeit und Ausmelkgrad massiv beeinträchtigen kann (BESIER et al., 2015).
Als weitere kritische Auswirkung zu frühen / zu häufigen Melkens ist u. U. ein erhöhter Gehalt an freien Fettsäuren zu nennen, was zu Geschmacksveränderungen und Einschränkungen bei der Verarbeitung der Milch führen kann (KLUNGEL et al., 2000).

Material und Methode

In der Vorbereitung wurde der für die Milchkontrolle an die Kontrollverbände übermittelte Datensatz als bestmögliche Datengrundlage des Projekts herausgearbeitet. Er enthält Informationen zur Kuhnummer, zu Zwischenmelkzeiten und Gemelksmenge und ist herstellerübergreifend verfügbar.
Als kurze Zwischenmelkzeit wurde in der Untersuchung ein Wert von weniger als 7 h definiert, als lange Zwischenmelkzeit ein Wert über 16 h. Gemelksmengen unter 8 kg wurden als gering, solche über 14 kg als hoch eingestuft. Als normale Gemelksmengen galten Werte dazwischen. Die einzelnen Melkungen wurden entsprechend dieser Parameter kategorisiert (Kriterien, siehe folgende Tabelle), wobei die Parameter zukünftig auch durch den Berater oder den Landwirt anpassbar sein sollen, um auf das Leistungsniveau der Herde eingehen zu können.
Tabelle 1: Einteilung der Kategorien nach Zwischenmelkzeit und Gemelksmenge
KategorieZwischenmelkzeitGemelksmenge
Akurz (< 7 h)normal (> 8 kg)
Bkurz (< 7 h)gering (< 8 kg)
Clang (> 16 h)normal (< 14 kg)
Dlang (> 16 h)hoch (> 14 kg)
Enormal (7 - 16 h)jede
Die Ergebnisse wurden im Rahmen von Arbeitskreisveranstaltungen präsentiert und mit den Teilnehmern diskutiert. Hauptgrund hierfür war, dass bereits in den ersten Veranstaltungen deutlich wurde, dass die physiologischen Grundlagen ausführlich erörtert werden müssen, um die Teilnehmer in die Lage zu versetzen, die entsprechenden Einstellungen des automatischen Melksystems zu verstehen und zielgerichtet einsetzen zu können. Als Nebeneffekt konnten auf diese Weise die Rückmeldungen der Teilnehmer unmittelbar in die weitere Entwicklung mit einfließen.

Ergebnisse

Bis Dezember 2014 wurden 82 Betriebe im Rahmen von Arbeitskreisen mit dem Tool analysiert und beraten. In diesen Betrieben lagen im Mittel 19,3 % der Zwischenmelkzeiten unter 7 h, wobei 7,3 % der Gemelke auch Gemelksmengen unter 8 kg aufwiesen. Im Betrieb mit den höchsten Werten lagen diese Kennzahlen bei 39,4 % bzw. 21,6 %, wobei der Betrieb eine durchschnittliche Tagesleistung von 26,4 kg hatte (siehe Tabelle).
Tabelle 2: Einteilung der Kategorien nach Zwischenmelkzeit und Gemelksmenge im Durchschnitt (82 Arbeitskreisbetriebe + Betrieb mit den höchsten Werten)
ZwischenmelkzeitGemelksmengeAnteil
(Durchschnitt von 82 Betrieben)
Anteil
(Betrieb mit den höchsten Werten)
kurz (< 7 h)normal (> 8 kg)12,0 %17,8 %
kurz (< 7 h)gering (< 8 kg)7,3 %21,6 %
kurz (< 7 h)alle19,3 %39,4 %
lang (> 16 h)normal (< 14 kg)2,0 %2,3 %
lang (> 16 h)hoch (> 14 kg)1,4 %3,4 %
lang (> 16 h)alle3,4 %5,7 %
normal (7 - 16 h)jede77,3 %45,1 %
In der Diskussion der Ergebnisse mit den Teilnehmern der Arbeitskreise wurde deutlich, dass ein Auftreten kurzer Zwischenmelkzeiten über die Einstellungen des Systems zwar teilweise in Kauf genommen wird, das Auftreten in dieser Größenordnung aber bei weitem nicht erwartet wurde. Als eine Ursache für das bewusste Inkaufnehmen kurzer Zwischenmelkzeiten und/oder geringer Gemelksmengen stellte sich immer wieder der geringe Kenntnisstand bezüglich der nachteiligen Auswirkungen heraus. So waren die physiologischen Zusammenhänge, z. B. hinsichtlich der notwendigen Stimulationsdauer, meist nicht bekannt, aber auch die möglichen Effekte auf die Kapazität des Systems wurden häufig nicht bedacht.
Gerade die Kombination aus kurzen Zwischenmelkzeiten und niedrigen Gemelksmengen war den Landwirten häufig nicht bewusst. Der Ansatz des Tools ist es hier, als Beraterwerkzeug nicht nur diese Werte grafisch aufzuzeigen, sondern auch deren Entwicklung über die Zeit sowie insbesondere auch für jedes Tier. Nur so wird der Landwirt in die Lage versetzt, zielgerichtete Maßnahmen zu ergreifen.
In den Abbildungen 1 und 2 sind die Verteilungen der Zwischenmelkzeiten eines Beispielbetriebs (durchschnittliche Tagesleistung je Kuh: ca. 25 kg) vor und nach der Beratung dargestellt. Es wird deutlich, dass vor der Beratung über 37 % aller Melkungen eine Zwischenmelkzeit unter 7 h aufwiesen und in über 14 % aller Melkungen gleichzeitig weniger als 8 kg Milch ermolken wurden.
Durch die Anpassung der Einstellungen am AMS konnte das Auftreten kurzer Zwischenmelkzeiten auf ca. 18 % aller Melkungen reduziert werden, wobei diese Melkungen fast ausschließlich Tieren mit hoher Leistung zuzuordnen sind, was sich im sehr geringen Anteil dieser Melkungen mit weniger als 8 kg Gemelksmenge widerspiegelt (0,6 %)
Abbildung 1: Verteilung der Melkungen in den Kategorien A-E VOR der Beratung

Balkengrafik, in der die Verteilung der Gemelke der Kühe eines Beispielsbetriebs nach Zwischenmelkzeiten dargestellt sind. Mehr als 37 % der Melkungen haben eine Zwischenmelkzeit von unter 7 Stunden.

Abbildung 2: Verteilung der Melkungen in den Kategorien A-E NACH der Beratung

Balkengrafik, in der die Verteilung der Gemelke der Kühe eines Beispielsbetriebs nach Zwischenmelkzeiten dargestellt sind. Rund 18 % der Melkungen weisen eine Zwischenmelkzeit von unter 7 Stunden auf.

Ausblick

Inzwischen wurde das Tool durch den LKV Bayern e.V. adaptiert und in sein Beratungsangebot eingebunden. Somit kann auch auf dessen entsprechend umfangreiche Datenbasis zugegriffen werden. Auf diese Weise können beispielsweise der Laktationstag oder die tägliche Milchleistung Berücksichtigung finden. Voraussetzung für die Nutzung des Tools ist die Teilnahme an der Milchleistungsprüfung und die Lieferung der entsprechenden Daten (ADIS/ADED-Datei) an den LKV. Derzeit wird das Tool erst nach einer Beratung bzw. Einführung für diese Betriebe freigeschaltet.
Literatur
  • Besier, Johanna .F.; Lind, O.; Bruckmaier, R.M. (2015): Dynamics of teat-end vacuum during machine milking: types, causes and impact on teat condition and udder health – a literature review, Journal of Applied Animal Research, in Druck
  • Bruckmaier, Rupert. M.; Hilger, M. (2001): Milk ejection in dairy cows at different degrees of udder filling, J. Dairy Res. 68, 369-376
  • Dzidic, Alen; Macuhova J.; Bruckmaier, R.M. (2004): Effects of cleaning duration and water temperature on oxytocin release and milk removal in an automatic milking system, J. Dairy Sci. 87, 4163-4169
  • Klungel, G.H.; Slaghuis, B.A.; Hogeveen, H. (2000): The effect of the introduction of automatic milking systems on milk quality, J. Dairy Sci. 83, 1998-2003
  • Weiss, Daniel; Bruckmaier, R.M. (2005): Optimization of individual prestimulation in dairy cows, J. Dairy Sci. 88, 137-147