Sensorbasierte Körperkonditionsüberwachung bei Milchkühen
Fleckviehkühe werden im Versuchsstand mit einer „Time-of-Flight“-Kamera fotografiert
Im Rahmen dieses Projekts sollte ein automatisches optisches Sensorsystem entwickelt werden, welches die Körperkondition der Milchkuh im Laktationsverlauf automatisch erfassen kann.
Die bisher in der Praxis üblichen Methoden zur Körperkonditionsbeurteilung wie Rückenfettdickenmessung (RFD) und visuelles Body Condition Scoring (BCS) unterliegen hinsichtlich des Arbeitsaufwandes oder der Objektivität der Ergebnisse diversen Einschränkungen. Diese würden mit der automatischen Beurteilung der Körperkondition umgangen und würden gleichzeitig ein zeitnahes Eingreifen ermöglichen, sofern Abweichungen vom gewünschten Konditionsverlauf auftreten.
Methode
Um 3D-Informationen für verschiedene Rassen zu gewinnen, wurden die Körperumrisse sowohl von Holstein-Friesian-Kühen (Versuchsbetrieb Karkendamm, Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU)) als auch von Fleckvieh-Kühen (Versuchsbetrieb Grub, LfL) mit einer Time-of-Flight (TOF)-Kamera aufgezeichnet. Diese wurde in Grub über einer Wiegebox für Kühe installiert, in die die Kühe getrieben wurden (siehe Fotos oben). Die Software zur Steuerung der Kamera sowie zur Auswertung der aufgezeichneten 3D-Informationen wurde von der CAU in Kiel entwickelt. In Grub wurden an den Aufzeichnungstagen neben den 3D-Informationen der TOF-Kamera auch die Rückenfettdicke gemessen und der BCS von geschultem Personal erfasst. Während der Versuchszeiträume wurden gleichzeitig ernährungsphysiologisch relevante Tierdaten erhoben (Lebendmasse, Futteraufnahme, Milchleistung, Milchinhaltsstoffe sowie abgeleitet die Energiebilanz), um die Körperkonditionsentwicklung und mögliche Steuerung bei Fleckvieh-Kühen untersuchen zu können. Zusätzlich wurde vom Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft für die Bestimmung des Zusammenhangs zwischen BCS/RFD und dem Gesamtkörperfettgehalt bei 30 Fleckvieh-Kühen der Gesamtkörperfettgehalt mittels Ganzkörperanalyse bestimmt.
Ergebnisse
Mit der von der CAU entwickelten Aufzeichnungs- sowie Auswertungssoftware können in einem mehrstufigen Verfahren verwertbare von nicht verwertbaren Bildern getrennt und weiterverarbeitet werden. Hierfür werden automatisch definierte Schnitte durch die 3D-Bilder gelegt und entsprechende 2D-Höhenprofile extrahiert. Anhand derer werden Flächen und Abstände berechnet (siehe Abbildungen unten), so dass bis zu 13 Kennwerte pro Bild bestimmt werden können.
EDV-Darstellung des Hinterteils einer Kuh mit schwarzer Verbindungslinie der Hüfthöcker
Grafische EDV-Darstellung des Höhenprofils einer Kuh
Für die Konditionsbeurteilung anhand der Bildinformationen wurde ein lineares Modell mit BCS (manuell erfasst) als abhängiger Variable geschätzt. Unabhängige Variablen waren ausgewählte Bild-Kennwerte, die eine hohe Korrelation zum Zielmerkmal aufwiesen und möglichst linear unabhängig voneinander waren wie die Kuh-Nr., die Laktationsnummer, die Kalender- und die Laktationswoche.
Die folgenden Ergebnisse zur Beurteilung der Körperkondition beziehen sich auf einen Versuch bei dem 30 Tiere (20 Kühe, 10 Färsen) über einen Zeitraum von 17 Wochen (2 Wochen a.p. bis 15 Wochen p.p.) untersucht und bedarfsgerecht versorgt wurden.
Die Korrelation zwischen geschätztem BCS und manuell erfasstem BCS lag für o.g. Versuch bei 0,8 (p < 0,0001). Allerdings traten tierindividuell starke Unterschiede auf. Nur bei 16 von 30 Tieren konnten signifikante Korrelationen zwischen den unterschiedlich erfassten BCS-Werten festgestellt werden, welche im Bereich von r = 0,57 bis r = 0,87 lagen. In der folgenden Abbildung ist der Verlauf der manuell erfassten und anhand der Bilddaten geschätzten BCS-Werte für die Kuh 384 (r = 0,84) dargestellt. Für beide BCS-Werte ist der charakteristische Abfall nach der Kalbung durch die Mobilisation von Körperfett ersichtlich.
Abbildung: BCS-Verlauf des manuell erfassten und geschätzten BCS zu Laktationsbeginn (Beispielskuh)
Worin die tierindividuellen Unterschiede im BCS-Verlauf begründet liegen, ist noch unklar. Mögliche Ursachen könnten die sehr unterschiedliche Beckenform, die tierindividuelle Fettanlagerung bzw. -mobilisation, die Bewegung der Tiere während der Aufzeichnung oder die Fellfarbe im Beckenbereich sein.
Auf Grund der technischen Grenzen der zur Versuchszeit verfügbaren TOF-Kameras funktionierte die Konditionsbestimmung nur bei stehenden Kühen. Wurden laufende Kühe aufgezeichnet, entstanden teils starke Bewegungsartefakte, die vor allem an Farbübergängen des Fells zu veränderten Tiefeninformationen führten. Auch die unter Praxisbedingungen zu erreichende Bildrate war nicht ausreichend, um bei laufenden Kühen genügend verwertbare und qualitativ hochwertige Bilder zu erzeugen. Zusätzlich wurde die Qualität der Bilder teils stark durch äußere Einflüsse, wie z. B. Sonneneinstrahlung, Fliegen, Staub oder kondensierten Atem der Kühe gestört. Diesbezüglich sind weitere technische Verbesserungen notwendig bzw. Tests mit anderen Sensoren, die nicht nach dem Time-of-Flight Prinzip arbeiten.
Schlussfolgerung
Grundlegend ist eine automatische Beurteilung der Körperkondition von Milchkühen mit dem entwickelten 3D-Sensorsystem möglich. Es besteht jedoch weiterhin Forschungsbedarf z. B. im Hinblick auf die tierindividuellen Unterschiede im Verlauf der Körperkondition und den Einsatz anderer Sensoren bzw. die Weiterentwicklung des verwendeten Sensors.
Für die praktische Anwendung steht die Erarbeitung von Algorithmen zur Bewertung der erfassten Körperkondition aus. Als Hilfestellung für den Landwirt wären durch die Software automatisch generierte Warnmeldung bzw. Handlungsempfehlungen wünschenswert.
Veröffentlichungen
2012: Steyer, M., Ettle, T., Spiekers, H.; Ist meine Kuh zu fett?, BLW 18, Seite 44-45
2012: Bauer, U., Harms, J.; Steyer, M.; Salau, J.; Haas, J.-H.; Weber, A.; Junge, W.; Bieletzki, S.; Rothfuß, H.; Suhr, O.; Automatische Beurteilung der Körperkondition von Milchkühen; Landtechnik, Ausgabe 6.2012, Seite 409 – 412, Hrsg: KTBL, VDMA Fachverband Landtechnik, VDI-MEG, BFL, Deutschland
2014: Salau, J.; Haas, J.-H.; Junge, W.; Bauer, U.; Harms, J.; Bieletzki, S.; Feasibility of automated body trait determination using the SR4K time-of-flight camera in cow barns; Springer Plus 2014, 3:225 (http://www.springerplus.com/content/3/1/225)
Projektleitung: Dr. J. Harms
Projektbearbeitung: U. Bauer
Laufzeit: 2008 - 2012
Finanzierung:
Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE), GEA Farm Technologies GmbH
Projektpartner:
GEA Farm Technologies GmbH,
Christian-Albrechts-Universität Kiel (CAU),
LfL-Institut für Tierernährung und Futterwirtschaft (ITE)