Einsatz von SwingOver-Melkständen in Bayern

Bei Neu- oder Umbauten im Milchviehbereich können sich die Betriebsleiter zwischen einer Vielzahl an unterschiedlichen konventionellen Melksystemen entscheiden. Für die Auswahl des passenden Melksystems sind fundierte Kenntnisse zu den jeweiligen Vor- und Nachteilen, sowie den zu erwartenden Leistungen notwendig. In der vorliegenden Untersuchung wurden die sogenannten SwingOver-Melkstände (SwO-Melkstände) näher untersucht.

Zielsetzung

Die Befürworter versprechen sich von SwingOver-Melkständen insbesondere hohe Melkleistungen bei gleichzeitig zu realisierenden Investitionseinsparungen. Bei Berichten zu diesem System wird meist auf die Erfahrungen aus anderen Ländern (mit anderen Voraussetzungen und Einsatzbedingungen) zurückgegriffen, so dass eine Beurteilung der SwO-Melkstände unter hiesigen Bedingungen sinnvoll und notwendig erscheint.
Die Untersuchung sollte zeigen, ob die hohen Erwartungen an dieses Melksystem, z. B. bezüglich der arbeitswirtschaftlichen Vorteile, in der Praxis erfüllt werden können. Gleichzeitig wurde der Verbreitungsgrad und die technische Ausstattung von SwO-Betrieben in Bayern dokumentiert. Beratungsempfehlungen zu Planung und Betrieb von SwO-Melkständen sollten erarbeitet werden.

Methode

In Zusammenarbeit mit dem LKV-Bayern wurde im Herbst 2007 eine bayernweite Erhebung der SwingOver-Betriebe durchgeführt. Es wurden die wichtigsten Leistungsdaten und praktischen Erfahrungen mit diesem System erfasst. Ergänzend wurden in ausgewählten Betrieben Messungen zur Arbeitszeit und eine Dokumentation der Melkroutine durchgeführt. Auf der Grundlage von umfangreichen Daten zu Milchleistung bzw. -abgabe (MLP- und LactoCorder-Daten) konnte ein Vergleich zwischen SwO-Betrieben und konventionellen Melkständen gezogen werden.

Ergebnisse

Es wurden 79 SwO-Melkstände erfasst, d. h. der Anteil an den gesamten beim LKV erfassten Melkstandbetrieben liegt bei rund 0,8 %.

Im Mittel sind die neueren SwO-Melkstände (ab Bj. 2000, n=63) mit 15 Melkplätzen bzw. 7,6 Melkzeugen ausgestattet. Die in der Praxis erreichten Melkleistungen sind u. a. vom betriebsindividuellen Melkpersonaleinsatz abhängig. Soweit mit der Melkarbeit mehr als eine Person beschäftigt ist, geht die erzielte Melkleistung je AK stark zurück. So sinkt die durchschnittliche Melkleistung von 44 gemolkenen Kühen je Stunde bei Einsatz von einem Melker auf durchschnittlich 33 Kühe in den Melkständen mit mehr als einer Melkperson.

Mit durchschnittlich 3,6 Gruppenwechsel je Stunde und Melkstandseite bleiben die SwO-Melkstände hinter der Durchsatzleistung von doppelt bestückten Melkständen um 0,5 bis 1 Wechsel zurück. Um gleiche Melkleistungen wie in konventionellen Melksystemen zu erreichen, müssen SwO-Melkstände um 20-25 % größer ausgelegt werden, wodurch sich die Investitionen in Melktechnik und -gebäude entsprechend erhöhen.
Die Praxiserhebungen zeigten, dass in SwO-Melkständen besonderes Augenmerk auf die durchgeführte Melkroutine zu legen ist. So betrug in fünf Betrieben mit Gruppen-Melkroutine, in denen die Arbeitsschritte detailliert erfasst wurden, die durchschnittliche Dauer zwischen erster Euterberührung und Ansetzen der Melkzeuge 3 Minuten und 15 Sekunden. Je nach Betrieb standen 30 % bis zu 99 % der Tiere länger als 2 ½ Minuten, bevor das Melkzeug nach Beginn der Stimulation angesetzt wurde. Es ist in diesen Fällen nur eine suboptimalen Milchabgabe der Tiere zu erwarten. Die einzeltierbezogene Melkroutine ist daher in SwO-Melkständen dringend zu empfehlen.

Ansicht drei verschiedener SwingOver-Melkstände

LSMEANS und Signifikanzen beim Vergleich der Leistungsdaten von SwingOver- und konventionellen Melkständen (MLP-Prüfjahr 2007)
Fleckvieh
Konv.
Melkst.
Fleckvieh
SwO
FleckviehBraunvieh
Konv.
Melkst.
Braunvieh
SwO
Braunvieh
LSMEANLSMEANSign.LSMEANLSMEANSign.
Anzahl Betrieben5.646351.49323
MLP-Leistungkg7.0037.021n.s.7.0856.970n.s.
Fett-%%4,094,07n.s.4,134,10n.s.
Eiweiß-%%3,513,51n.s.3,593,57n.s.
ZellgehaltTsd.181188n.s.208205n.s.
Höchster Milchfluss (HMF)kg/min3,052,86##3,292,97###
Höchstes Minutengemelk (HMG)kg/min2,952,76##3,162,87###
Ø-Minutenhauptgemelk (DMGH)kg/min1,961,88#2,091,94##
Dauer-HauptgemelkMin.5,565,77n.s.5,135,56##
Dauer-PlateauMin.2,202,43##1,932,31###
Dauer-AbstiegMin.2,612,61n.s.2,572,60n.s.
Anteil-Bimodalitäten%21,625,3n.s.15,322,2##

n.s. = nicht signifikant; # = signifikant (p<0,05); ## = signifikant (p<0,01); ###= signifikant (p<0,001);

In Bezug auf die Leistungsdaten (Milch-kg, Fett-%, Eiweiß-%) und auch beim Zellgehalt konnten keine signifikanten Unterschiede zwischen SwingOver- und konventionellen Melkstandbetrieben festgestellt werden (siehe Tabelle). Eindeutige Unterschiede zeigen sich jedoch bei den Kennwerten der Milchflusskurven. Der höchste Milchfluss, das höchste Minutengemelk und auch das erzielte durchschnittliche Minutenhauptgemelk liegen bei den SwO-Melkständen signifikant niedriger als in den konventionellen Melkständen. Bei vergleichbarer Milchleistung verlängert sich die Dauer der Plateauphase, offensichtlich aufgrund des niedrigeren Milchflusses, in den SwO-Betrieben signifikant. Von einer Verlängerung der Melkdauer des Einzeltieres ist daher auszugehen.
Insgesamt zeigte sich in der Untersuchung, dass die hohen Erwartungen bezüglich der erzielbaren Melkleistung in SwO-Melkständen in der Praxis nicht realisiert werden konnten. Der SwO-Melkstand kann im Einzelfall das passende Melksystem für einen Betrieb darstellen, jedoch dürfen die Nachteile dieses Systems (geringerer Durchsatz, anspruchsvolles Zeitmanagement...) bei der Entscheidung nicht übergangen werden.

Projektinformation
Projektleitung: Dr. Jan Harms
Projektbearbeitung: Martin Kühberger
Laufzeit: 2007-2008
Projektpartner: LKV-Bayern e.V.