Schwanzbeißen – Ein Vergleich unterschiedlicher Eberherkünfte

Im europäischen und deutschen Tierschutzrecht ist das Kupieren der Schwänze bei Schweinen grundsätzlich verboten. Während in Schweden und in der Schweiz kein Kupieren der Schwänze erfolgt, wird in den meisten Ländern der EU die Ausnahmeregelung von diesem Verbot angewandt, um neue erhebliche Tierschutzprobleme beim Auftreten von Schwanzbeißen zu vermeiden.

Das Auftreten von Schwanzbeißen ist multifaktoriell begründet. Inwieweit neben den Haltungsbedingungen wie Flächenangebot, Beschäftigungsmaterial, Einstreu oder stallklimatischen Faktoren auch die Endstufengenetik eine Rolle spielt, sollte in diesem Versuch eruiert werden.

Ziel

Ziel des Projektes war somit die Ermittlung des Einflusses unterschiedlicher Eberherkünfte auf das Auftreten von Schwanzverletzungen bei unkupierten Tieren. Dazu wurden in zwei Durchgängen Eber der Rassen Piétrain (PI) (aus dem bayerischen Zuchtprogramm) bzw. Hampshire (HAM) und Hybrideber (HYB) an Sauen (DLxDE) des Versuchs- und Bildungszentrums für Schweine Staatsgut Schwarzenau angepaart. Der Bezug des Spermas wurde dankenswerterweise vom Besamungsverein Neustadt organisiert.
Im Rahmen der Zuchtleistungsprüfung wurden bei PI und HYB jeweils 23 Würfe, bei HAM 21 Würfe ausgewertet.
Die Aufzucht und Mast der Tiere (200 Tiere je Herkunft) erfolgte in den Prüfstationen Grub und Schwarzenau. Als Beschäftigungsmaterialien wurden in der Aufzucht und Mast ein Sisalseil (10 mm Dicke, Fa. Schulze Bremer) und Beißsterne (Pigstar Holz/ Mais, Fa. Schulze Bremer) eingesetzt. Das Sisalseil wurde in der Ferkelaufzucht und in der Mast täglich ausgetauscht. Jutetücher (Fa. Schulze Bremer), Spieligel (Best Farm, Fa. Farmshop) und Stroh wurden beim Auftreten von Schwanzbeißen als zusätzliche Beschäftigung angeboten.

Maßnahmen

Im Rahmen des Versuches wurden folgende Maßnamen erfasst:

  • Anzahl der lebend geborenen Ferkel (LGF)
  • Anzahl der abgesetzten Ferkel (AGF)
  • Anzahl der totgeborenen Ferkel (TGF)
  • Geburtsgewichte der Ferkel
  • Körperlänge, Schwanzlänge, Schwanzdicke, Schwanzstellung (Knickschwanz) und Schwanznekrosen kurz nach der Geburg (nur bei Durchgang 2) siehe Abbildung 1 bis 3.
  • ­Fünfmalige Bonitur der Schwänze nach dem Deutschen Schweineboniturschlüssel (DSBS) (siehe Abbildung 4):
    • Die Tiere wurden in der Ferkelaufzucht insgesamt zweimal bonitiert (direkt bei der Einstallung und zwei Wochen nach der Eingangsbonitur)
    • In der Mastperiode wurden alle Tiere dreimal bonitiert: Bei der Einstallung in das Mastabteil und in Abständen von jeweils vier Wochen erfolgten dann die vierte und die fünfte Bonitur
  • ­Messung der Kopflänge (Abstand Zwischenkieferbein bis Spitze erster Halswirbel) am Schlachtkörper
Körperlängemessung eines liegenden Ferkeles kurz nach Geburt

Abb. 1: Ermittlung der Körperlänge kurz nach der Geburt

Messung der Schwanzlänge eines liegenden Ferkels kurz nach der Geburt

Abb. 2: Ermittlung der Schwanzlänge kurz nach der Geburt

Messung der Schwanzdicke eines Ferkels kurz nach Geburt

Abb. 3: Ermittlung der Schwanzdicke kurz nach der Geburt

Bewertungsschema

Abb. 4: Bewertungsschema für die Bonitur der Schwänze in Anlehnung an den Deutschen Schweine Boniturschlüssel (DSBS)

Ergebnisse

Die PI-Würfe hatten im Mittel 14,7, die HAM-Würfe 13,1 und die Sauen, welche mit einem Hybrideber belegt wurden, 13,0 lebend geborene Ferkel je Wurf (LGF). Auf Grund der geringen Zahl von Würfen pro Herkunft ließen sich diese Unterschiede statistisch nicht absichern. Dagegen hatten die Hybrideber-Würfe mit im Mittel 1,8 Ferkeln signifikant (p<0,05) mehr totgeborene Ferkel (TGF) als die Piétrain- (0,9) bzw. Hampshire-Würfe (0,7). Zudem waren die PI- und HYB-Ferkel mit 1,49 kg Geburtsgewicht signifikant schwerer im Vergleich zu den HAM-Nachkommen (1,43 kg).
Bei den Ferkeln des zweiten Versuchsdurchganges wurden kurz nach der Geburt zusätzliche Merkmale ermittelt: Mit mittleren Körperlängen von 25,8 cm (PI), 26,1 cm (HAM) und 26,0 cm (HYB) gab es keine signifikanten Unterschiede zwischen den Herkünften. Dagegen hatten die PI-Nachkommen mit 8,38 cm im Vergleich zu den HAM- und HYB-Ferkeln (9,11 bzw. 9,15 cm) signifikant kürzere Schwanzlängen. Bei den HAM-Nachkommen wurden mit 0,79 cm signifikant (p<0,05) dickere Schwanzdurchmesser im Vergleich zu den PI- und HYB-Tieren (0,73 bzw. 0,74 cm) gemessen.
Schwanznekrosen kurz nach der Geburt der Tiere wurden nur selten festgestellt (96,7 Prozent aller Tiere zeigten keine Nekrose). Dagegen hatten 11,9 Prozent aller Tiere eine Schwanzanomalie hinsichtlich der Schwanzstellung. Signifikante Unterschiede zwischen den Herkünften wurden bei diesen Merkmalen nicht festgestellt.

Hampshire-Nachkommen haben weniger Schwanzverletzungen

In der Aufzucht- und Mastperiode wurden die Schwänze der Tiere insgesamt fünfmal in Anlehnung an den Deutschen Schweine Boniturschlüssel (DSBS) auf Verletzungen bonitiert. Beim Merkmal „Längenverlust“ hatten bei den Hampshire-Nachkommen mit einem Anteil von 95 Prozent der Ferkel hochsignifikant (p<0,01) mehr Tiere die Originallänge ohne Längenverlust als bei den PI- bzw. HYB-Eber-Nachkommen (siehe Tabelle 1).
Auch beim Merkmal „Durchbrechung der Haut“ wurden mit einem Anteil unversehrter Schwänze bei 58,5 Prozent der HAM-Nachkommen weniger Verletzungen festgestellt im Vergleich zu PI (42,5 Prozent) und HYB (37,5 Prozent).
Beim Anteil der Tiere ohne Feststellung von Blut und Nekrosen im Rahmen der fünf Bonituren war ein signifikanter Unterschied (p<0,05) zwischen den HAM- und HYB-Nachkommen zu verzeichnen (87,5/ 99,8 Prozent bei HAM bzw. 76,5/ 99,1 Prozent bei HYB), während zu den PI-Nachkommen (80,5/ 99,3 Prozent) kein Effekt festgestellt wurde. Beim Merkmal „Schwellung“ wurde zwischen den Herkünften kein signifikanter Unterschied ermittelt.
Die Vermessung der Köpfe am Schlachtkörper ergab mit im Mittel 27,0 cm signifikant längere Köpfe bei den HAM-Tieren im Vergleich zu PI (26,7 cm) und HYB (26,8).
Tabelle 1: Anteil der Tiere ohne und mit Schwanzverletzungen (in Prozent) über alle Bonituren ohne Berücksichtigung des Schweregrades
SchwanzverletzungHerkunftHerkunftHerkunft
Piétrian (PI)Hampshire (HAM)Hybrideber (HYB)
Längenverlust
Nein84,0a95,0b85,5a
Ja16,05,014,5
Durchbrechung der Haut
Nein42,5a58,5b37,5a
Ja57,541,562,5
Blut
Nein80,5ab87,5b76,5a
Ja19,512,523,5
Nekrose
Nein99,3ab99,8b99,1a
Ja0,30,10,4
Schwellung
Nein96,5a99,0a95,5a
Ja3,51,04,5

Schlussfolgerung

Der Versuch zeigt, dass ein Rasseneffekt beim Auftreten von Schwanzverletzungen bei unkupierten Tieren vorhanden ist: Der Anteil der Tiere mit unversehrten Schwänzen ist bei den Hampshire-Nachkommen um 15 bis 20 Prozent-Punkte höher. Zudem hatten auch etwa 10 Prozent-Punkte mehr Tiere die Originalschwanzlänge im Vergleich zu den Piétrain- und Hybridebernachkommen. Jedoch wurden auch bei über 40 Prozent der Hampshire-Nachkommen Schwanzverletzungen festgestellt.
Das Auftreten von Schwanzbeißen bei unkupierten Tieren kann somit durch den Einsatz der Rasse Hampshire nicht verhindert, die negativen Auswirkungen können jedoch verringert werden.
Inwieweit Unterschiede bei der Schwanzdicke oder bei der Kopflänge/-form ursächlich für die beobachteten Unterschiede sind, kann nicht abschließend bewertet werden.

Ansprechpartner
Dr. Rudolf Eisenreich
Institut für Tierzucht
Prof.-Dürrwaechter-Platz 1
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Tel.: 08161 8640-7180
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Dr. Rudolf Eisenreich