Züchtung hornloser Fleckviehtiere in den Milchviehbetrieben

Fleckvieh stehend auf Wiese

Homozygot hornlose Manolo-Tochter, Foto: BSG Greifenberg

In den Milchviehbetrieben hält der Trend der letzten Jahre zu einem vermehrten Einsatz von natürlich hornlosen Fleckviehbesamungsbullen ungebrochen an. Das gestiegene Vertrauen in die „Hornlosen“ bei den Landwirten basiert auf einer immer besser werdenden Genetik der genomischen Jungvererber, auf der guten Nachfrage nach natürlich hornlosen Zuchttieren auf den Märkten und der positiven Fürsprache der Ansprechpartner in Zucht und Besamung. Darüber hinaus liegen immer häufiger eigene Erfahrungswerte mit hornlosen Kühen vor.

Der Wunsch nach einer Verringerung der Zahl zu enthornender Kälber im eigenen Betrieb wird angesichts der züchterischen Möglichkeiten, aber auch der Vorgaben im Hinblick auf eine frühere und schonendere Kälberenthornung immer ausgeprägter. Denn diese Entwicklung hat zu einer starken Verlagerung der Enthornung der zu vermarktenden Bullenkälber in die Geburtsbetriebe und damit zu einer Mehrarbeit in den Milchviehbetrieben geführt. Die Hornloszüchtung entlastet die enthornenden Betriebe und verbessert das Tierwohl in der Rinderhaltung.

Entwicklung bis zum heutigen Stand

Erste hornlose Prüfbullen
Seit Mitte der 1980er Jahre wurden von den bayerischen Besamungsstationen im Rahmen des bayerischen Zuchtversuches auf Hornlosigkeit genetisch hornlose FV-Jungbullen aus der Mutterkuhhaltung in privaten Milchviehbetrieben eingesetzt, um die Vererbung der Hornlosigkeit sowie das Leistungsvermögen zu testen. Die Prüfeinsätze erfolgten in Abstimmung mit der damaligen Bayerischen Landesanstalt für Tierzucht räumlich konzentriert und in einem reduzierten Umfang. Oftmals wurden dabei die leistungsschwächeren Kühe angepaart, da man diesen fleischbetonten Bullen nur eine geringe Milchleistungsvererbung zutraute, und in Kenntnis, dass die hervorgehenden männlichen und weiblichen Kälber vom Staat angekauft werden. In dieser Zeit entwickelte sich die lange vorherrschende Meinung, „die Hornlosen geben keine Milch“.
„Fleckvieh-hornlos-Pioniere“
In der Folgezeit setzten auch einige Milchviehhalter, die Gefallen daran fanden, die Enthornung züchterisch anzupacken, die wenigen hornlosen Bullen der Besamungsstationen mit der Absicht ein, die Hornlosigkeit in ihrer Herde dauerhaft zu verankern. Bei diesen „Fleckvieh-hornlos-Pionieren“ ist deshalb heute eine größere Zahl an natürlich hornlosen Kühen und Jungtieren vorzufinden. Einige wenige Betriebe haben bereits mit großem Erfolg nahezu ihre komplette Herde hornlos gezüchtet.
Einzelne Züchter holten sich auch über den Einsatz von verfügbaren hornlosen Red Holstein–Bullen das Hornlosgen in den Bestand mit der Absicht, einen rascheren Zuchtfortschritt in der Milchmengenleistung und der Euterbeschaffenheit zu erreichen. Dabei wurden Einbußen in der Fleischkomponente und im Fleckviehtyp in Kauf genommen.
Hornlose Bullen immer beliebter
Im letzten Jahrzehnt haben sehr viele Betriebe damit begonnen, hornlose Vererber in ihren Herden mittels KB einzusetzen. Dabei erfreuen sich gerade die hornlosen genomischen Jungvererber (GJV), welche sehr gute Zuchtwerte aufweisen, einer großen Akzeptanz und Beliebtheit. Ebenso stieg das Interesse der Deckbullenhalter an natürlich hornlosen Jungbullen.
LiniendiagrammZoombild vorhanden

Entwicklung der Besamungen mit natürlich hornlosen Fleckvieh-Bullen in Bayern

Wie in der Grafik ersichtlich, ist im Zeitraum von Oktober 2010 bis August 2020 der Einsatz hornloser FV-Besamungsbullen in Bayern von 2 Prozent auf 37 Prozent rasant angestiegen.

In den bayerischen Ställen ist in den letzten Jahren als Folge dieses Trends auch ein Anstieg der Zahl natürlich hornloser FV-Milchkühe zu verzeichnen. Zum Stand April 2021 sind 62.852 Kühe als natürlich hornlos registriert. Dies entspricht 8,8 Prozent der bayerischen FV-Population. Der hornlose Jungviehbestand (vom Kalb bis zur Kalbin) umfasst 121.735 Jungtiere (Quelle: LKV Bayern).
Programm „Bayern Polled“
Um einen möglichst hohen Zuchtfortschritt in der hornlosen Teilpopulation zu erzielen, steht seit 2013 mit dem Hornloszuchtprogramm „Bayern Polled“ ein Instrument zur Verfügung, das mit der gezielten Anpaarung der züchterisch wertvollsten hornlosen Kühe und Jungrinder mittels künstlicher Besamung und ET eine deutliche Intensivierung der Zucht auf Hornlosigkeit ermöglicht. Die Fachberater für Rinderzucht paaren dabei die nach Gesamtzuchtwert besten hornlosen weiblichen Tiere gezielt mit überwiegend hornlosen Bullen an. Auf diese Weise sind mit Hilfe der genomischen Selektion auch zukünftig viele weitere hoffnungsvolle und züchterisch attraktive Jungvererber für die Besamung und dem Natursprungeinsatz zu erwarten.

Entwicklung der Hornloszucht im Zuchtprogramm Externer Link

Möglichkeit des Einsatzes natürlich hornloser Bullen

Das Angebot der Besamungsstationen in Bayern umfasst Fleckvieh-Sperma von zwei verschiedenen Zucht- bzw. Nutzungsrichtungen.

Einsatz von hornlosen Bullen der Zuchtrichtung "Milch und Fleisch" (Doppelnutzung)
Seit Mitte der 1990er Jahre werden von den Besamungsstationen hornlose Fleckviehbullen der noch jungen Zuchtrichtung „Milch und Fleisch“ angeboten. Die Mütter dieser Bullen waren zumeist natürlich hornlose überdurchschnittliche Milchkühe in ihren Herkunftsbeständen (Hornstatus Pp, PS oder P), erfüllten jedoch häufig noch nicht die Bullenmutter-Kriterien der Zuchtverbände. Als Väter dienten größtenteils die gehörnten Spitzenvererber der Fleckviehzucht oder vereinzelt auch interessante hornlose Bullen. Heute steht eine reichhaltige Palette an GJV sowie einigen interessanten nachkommengeprüften Bullen zur Verfügung. Daraus werden für die Gezielte Paarung der Bullenmütter in den Zuchtverbandsgebieten aktuelle zuchtwertstarke, natürlich hornlose Bullen unter Beachtung der Linien ausgewählt.

Die Mehrzahl der hornlosen GJV sind derzeit noch heterozygot hornlos. Mit dem Hornstatus Pp/Pp* oder PS/P*S erzeugen alle heterozygot hornlosen Bullen, angepaart an gehörnte Kühe, annähernd je zur Hälfte hornlose und gehörnte Nachkommen in den Beständen.
In den letzten Jahren gelang es zunehmend, auch homozygot hornlose (PP/PP*) genomische Jungvererber mit "konkurrenzfähigen" Zuchtwerten zu züchten und in den KB-Einsatz zu stellen. Dagegen ist der züchterisch interessante, nachkommengeprüfte homozygot hornlose Besamungsbulle derzeit noch die Ausnahme. Diese (homozygoten) Bullen sind die perfekten Enthorner, denn ihre Nachkommen werden ebenfalls hornlos geboren. Im Laufe der Entwicklung ist lediglich die Ausbildung von Krusten und wackeligen Ansätzen möglich, welche aufgrund ihrer zumeist geringen Größe nicht stören und nicht zu enthornen sind.

Das Angebot an hornlosen Doppelnutzungsbullen wird in den nächsten Jahren in Qualität und Umfang weiter zulegen. Dafür spricht das große Interesse der Fleckvieh-Züchter an einer Alternative zur herkömmlichen Enthornung, die fruchtbare Zusammenarbeit zwischen den Zuchtverbänden, Besamungsstationen, der staatlichen Rinderzucht und dem Institut für Tierzucht der LfL sowie die Weiterentwicklung der genomischen Zuchtwertschätzung.

Hornlose Besamungsbullen der Zuchtrichtung Milch und Fleisch (Milchviehhaltung) im Einsatz

Mehrere Zuchtbullen stehend auf WeideZoombild vorhanden

Zuchtbulle Fleckvieh Fleisch

Einsatz von hornlosen Bullen der Zuchtrichtung "Fleisch"
Die Besamungsstationen prüfen nebenher auch einige natürlich hornlose Jungbullen der Zuchtrichtung „Fleisch“, welche aus Fleischrinderzuchtherden stammen. Diese Bullen werden in Fleischrinder- und nebenher in geringerem Umfang in Milchviehherden eingesetzt.
Ihre Stärken liegen in der Regel in einer sehr guten Mast- und Schlachtleistung und einer hervorragenden Bemuskelung bei den Söhnen und Töchtern. Darüber hinaus verfügen sie häufig über eine gute Persistenz und können auf der weiblichen Seite zu einer Erweiterung der genetischen Vielfalt beitragen. Allerdings weisen diese Bullen negative Milchmengenzuchtwerte und damit einhergehend sehr niedrige Milchwerte auf. Die hervorgehenden männlichen Nachkommen sind zur Mast zu verwenden.

Über die Nachkommen wird das Abkalbeverhalten, die Fleischleistung der Söhne (Fleischwert und Einzelzuchtwerte) ermittelt, die Nachzuchtbeschreibung der Töchter durchgeführt und alle weiteren in der Milchviehhaltung wichtigen Daten erhoben und die Zuchtwerte geschätzt.
Bei der weiblichen Nachzucht bestehen je nach Muttergrundlage häufig Schwächen in der Melkbarkeit und der Euterbeschaffenheit. Darüber hinaus ist mit einer geringeren Milchleistung zu rechnen.

Hornlose Besamungsbullen der Zuchtrichtung Fleisch im Einsatz

Ansprechpartner
Johann Robeis
Institut für Tierzucht
Prof.-Dürrwaechter-Platz 1
85586 Poing-Grub
Tel.: 08161 8640-7159
Fax: 08161 8640-7199
E-Mail: Tierzucht@lfl.bayern.de

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Johann Robeis