Forschungs- und Innovationsprojekt
Technisches Biogaspotenzial Bayern

Biogasanlage Grub

Als Teil des "Energie-Atlas Bayern“ wird das sogenannte "Mischpult Energiemix Bayern vor Ort" angeboten. Diese Webanwendung ist vor allem als Hilfsmittel für die kommunale Energienutzungsplanung gedacht. Anhand einer Karte können beliebige Verwaltungsgebiete in Bayern ausgewählt werden und es wird für diese der aktuelle Stand der Strom- und Wärmeerzeugung aus erneuerbaren Energien gegenüber dem entsprechenden technischen Potenzial dargestellt. Im vorliegenden Forschungsprojekt wird die Datengrundlage für die Ausweisung des technischen Potenzials der Energiebereitstellung in Form von Biogas aktualisiert und präzisiert.

Problemstellung

Darstellung aus dem Mischpult „Energiemix Bayern vor Ort“ für den Landkreis FreisingZoombild vorhanden

Darstellung aus dem Mischpult „Energiemix Bayern vor Ort“ für den Landkreis Freising

Das derzeit im "Mischpult Energiemix Bayern vor Ort" ausgewiesene technische Potenzial der Biogaserzeugung aus gezielt angebauter Biomasse und Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft beruht auf einer modellgestützten Simulation der konkurrierenden Nutzung der landwirtschaftlichen Fläche zur Bereitstellung von Nahrungsmitteln, Futtermitteln und Energieträgern. Die hierbei zu Grunde gelegten wirtschaftlichen, politischen und agrarökologischen Rahmenbedingungen sind mittlerweile veraltet. Der spezifische Flächenbedarf für die Energiebereitstellung aus Biogas wird mit einem bayernweiten Durchschnittswert zudem sehr grob geschätzt. Folglich sind die im Mischpult für die Energiebereitstellung aus Biogas angegebenen Potenziale im aktuellen Zustand nicht mehr belastbar.
Ein grundsätzliches methodisches Problem ergibt sich dadurch, dass – anders als beispielsweise bei der Stromerzeugung aus Photovoltaik – die Erzeugung der Biomasse und deren energetische Verwertung zur Bereitstellung von Nutzenergie nicht notwendigerweise territorial zusammenfallen. Somit kann abhängig vom gewählten Untersuchungsgebiet die aktuelle Bioenergieproduktion das im Mischpult ausgewiesene technische Potenzial auch deutlich überschreiten.

Ziele

Das vorliegende Forschungsprojekt dient dazu, das "Mischpult Energiemix Bayern vor Ort" in Bezug auf die Energieerzeugung aus Biogas auf den neuesten Stand zu bringen. Hierbei soll die verwendete Methodik so weit verfeinert werden, dass die ausgewiesenen technischen Potenziale wissenschaftlich belastbar sind. Dies bedeutet insbesondere, dass realistische Szenarien verwendet werden, was die nachhaltige Verfügbarkeit von Reststoffen und Nebenprodukten aus der Landwirtschaft als Einsatzstoffe für Biogasanlagen betrifft.

Methode

Die Aktivitäten im Projekt wurden in zwei Arbeitspakete gegliedert:
Erarbeitung der Berechnungsmethodik und Entwicklung von Szenarien
Für die Methodik zur Berechnung des technischen Biogas-Stromerzeugungspotenzials sind insbesondere die folgenden Fragen zu klären:
  1. Welche Einsatzstoffe zur Biogasproduktion sind im Einzelnen zu berücksichtigen und wie kann deren Verfügbarkeit bewertet werden?
  2. Auf welcher Basis wird das technische Stromerzeugungspotenzial aus Biogas modelliert und den Verwaltungsgebieten in einer Weise zugeordnet, dass dieses nicht "überbucht“ wird?
  3. Mit welchen Szenarien können mögliche Entwicklungspfade für die Energieerzeugung aus Biogas in Abhängigkeit von der Verfügbarkeit verschiedener Einsatzstoffe realistisch beschrieben werden?
Nachdem die Ausarbeitung der Methodik zunächst durch die im Forschungsprojekt tätigen wissenschaftlichen Einrichtungen erfolgt, soll im zweiten Schritt die Expertise von Stakeholdern aus der öffentlichen Verwaltung (Umwelt und Verbraucherschutz; Ernährung, Landwirtschaft und Forsten), der angewandten Forschung und des Wissenstransfers zu Nachwachsenden Rohstoffen (Kompetenzzentrum für Nachwachsende Rohstoffe) sowie der Biogasbranche (Fachverband Biogas e.V.) genutzt werden. Zu diesem Zweck werden zwei Workshops veranstaltet, in denen die vorgeschlagenen Berechnungsmethoden und Szenarien aus Sicht der genannten Stakeholder hinsichtlich Umsetzbarkeit und Plausibilität überprüft werden. Für die zu entwickelnden Szenarien soll insbesondere der Anspruch gelten, dass diese von unterschiedlichen Interessengruppen mitgetragen werden können. Die "Reichweite“ der Szenarien soll etwa fünf Jahre ab dem Basisjahr 2020 betragen.
Histogramm der Biogasanlagen in Bayern mit einer elektrischen Leistung bis 150 kW Zoombild vorhanden

Histogramm der Biogasanlagen in Bayern mit einer elektrischen Leistung bis 150 kW

Berechnung des technischen Stromerzeugungspotenzials aus Biogas
Das technische Potenzial zur Stromerzeugung aus Biogas errechnet sich aus der Summe der Stromerzeugung des Anlagenbestands und des zusätzlichen Potenzials in Abhängigkeit von den gewählten Szenarien zur Entwicklung der Verfügbarkeit verschiedener Einsatzstoffe, aber auch des Anlagenparks. Für eine nachhaltige Biogaserzeugung in der Landwirtschaft ist die Nutzung pflanzlicher Nebenprodukte / Reststoffe und von Wirtschaftsdüngern tierischer Herkunft maßgeblich. Die gesetzlichen Vorgaben zur Beschränkung des Einsatzes von Anbaubiomasse und zur Förderung der Vergärung von Gülle haben hier seit dem Jahr 2012 deutlichen Einfluss auf den Anlagenzubau genommen: Wie die Abbildungen zeigen, ging in Bayern die Zahl neu in Betriebe genommener Biogasanlagen um ein Vielfaches zurück und der Zubau konzentrierte sich auf Anlagen mit Güllevergärung.
Histogramm der Biogasanlagen in Bayern mit einer elektrischen Leistung größer 150 kW Zoombild vorhanden

Histogramm der Biogasanlagen in Bayern mit einer elektrischen Leistung größer 150 kW

Zur Abschätzung des technischen Stromerzeugungspotenzials werden Daten zur landwirtschaftlichen Flächennutzung und zu den Tierbeständen auf Ebene der landwirtschaftlichen Betriebe ausgewertet. Informationen zur Biogaserzeugung im Bestand sind auf dieser Ebene jedoch nicht verfügbar und können nur durch Zuordnung über die im Marktstammdatenregister veröffentlichten Adressen erschlossen werden. Als zusätzliche Quelle stehen die EEG-Abrechnungsdaten der Übertragungsnetzbetreiber zur Verfügung, aus denen sich mittels der Vergütungsschlüssel Informationen über die eingesetzten Substratklassen ableiten lassen (z. B. "Güllebonus“ oder Sondervergütung für Güllekleinanlagen).
Im Rahmen eines zweiten Workshops werden die erarbeiteten Ergebnisse mit den Stakeholdern diskutiert, um gegebenenfalls noch Anpassungen an der Berechnungsmethodik und den Szenarien vornehmen zu können. Abschließend wird im "Mischpult Energiemix Bayern vor Ort" das neu berechnete technische Potenzial der Energieerzeugung aus Biogas auf Gemeindeebene aktualisiert. Als weitere Neuerung wird es mit dem Mischpult dann möglich sein, das Potenzial für verschiedene Szenarien mit unterschiedlich hohen Ansprüchen an den Umwelt- und Naturschutz ausgeben zu lassen.

Ergebnisse

Derzeit wird die Berechnungsmethodik erarbeitet und es wird der erste Workshop mit Stakeholdern vorbereitet, der Ende März 2023 stattfinden soll. Erste veröffentlichungsfähige Ergebnisse aus dem Projekt sind im April 2023 zu erwarten.

Projektinformation
Projekttitel: "Technisches Biogaspotenzial Bayern"
Projektleiter: Dr. Thomas Venus
Projektbearbeiter: Dr. Thomas Venus, Dr. Mathias Effenberger, Matthias Steindl
Kooperationspartner: Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik; Witzenhausen-Institut für Abfall, Umwelt und Energie GmbH
Laufzeit: 01.11.2022 bis 31.11.2023
Auftraggeber und Fördermittelgeber: Bayerisches Landesamt für Umwelt