Laufkäfer in der Agrarlandschaft: vielfältig – zahlreich – nützlich

dunkler Laufkäfer
Laufkäfer sind in der Agrarlandschaft vielfältig und zahlreich vertreten. Neben ihrem Wert für die Biodiversität der Wiesen und Felder kommt ihnen auch eine wichtige Bedeutung als Nützlinge in der Landwirtschaft zu. Durch gezielte Maßnahmen und naturschonende Bewirtschaftungsweisen lassen sich diese Verbündeten der Kulturlandschaft erhalten und fördern.

Arthropoden – Insekten – Käfer – Laufkäfer

Etwa 80 Prozent der auf der Erde lebenden Tierarten sind Arthropoden, also Tiere mit einem gegliederten Körperbau. Dazu gehören Krebse, Spinnen, Tausendfüßer und Insekten. Insekten sind die arten- und individuenreichste Tiergruppe auf unserem Planeten.
SäulendiagrammZoombild vorhanden

Anzahl Laufkäferarten mit Bezug zur Agrarlandschaft in Bayern

In der Ordnung der Käfer sind weltweit bisher über 350.000 Arten aus 179 Familien beschrieben worden. In Mitteleuropa kommen rund 8.000 Käferarten vor. Die Familie der Laufkäfer (Carabidae) umfasst in Mitteleuropa etwa 760 Arten. Bayern ist das Bundesland mit den meisten Laufkäferarten, da der Alpenraum eine besondere Fauna beherbergt. Die Rote Liste für Bayern 2003 zählt 474 Laufkäferarten mit einem natürlichen Vorkommen in Bayern. Davon sind etwa 180 typische Arten der Agrarlandschaft.

Viele dieser Arten kommen in der Kulturlandschaft vor, haben dort einen Verbreitungsschwerpunkt oder sind sogar vorwiegend auf bewirtschafteten Flächen zu finden. Der Landwirtschaft kommt daher eine besondere Verantwortung für die Bewahrung dieser Artengruppe zu. Mehr als bemerkenswert ist, dass Laufkäfer auch auf Äckern sehr arten- und individuenreich vorkommen. Sie zählen zu den häufigsten Tieren an der Boden-oberfläche dieses sehr stark vom Menschen geprägten Lebensraums.
Die Lebensgemeinschaft der Ackerflächen setzt sich aus Arten zusammen, die überwiegend sehr anpassungsfähig sowie meist auch ausbreitungsstark sind, und zum Teil eine Vielzahl von Biotopen besiedeln können. Viele Arten haben auf Äckern ein neues Habitat erschlossen und waren ursprünglich auf natürlich entstandenen Rohböden, wie in Flussauen und deren Sukzessionsflächen, zu finden. Andere „Ackerarten“ mit weiter Verbreitung bis in die Steppengebiete des Ostens sind typisch für warm-trockene Vegetationsstrukturen. Diese Arten können als klassische Kulturfolger bezeichnet werden.
grünlich schimmernder KäferZoombild vorhanden

Poecilus cupreus

Die Artenzusammensetzung von Äckern und Grünland hat einige Gemeinsamkeiten, aber auch große Unterschiede. Besonders Trockenrasen, Sandböden, Feucht- und Nassgrünland beheimaten eine spezielle Laufkäferfauna.

Aktuelle Situation der Laufkäfer

Deutschland ein Artenrückgang beobachtet. Auf der bayerischen Roten Liste der Laufkäfer sind 213 Arten mindestens als gefährdet eingestuft. Etwa 50 davon sind typische Arten der Agrarlandschaft. 35 Prozent der Laufkäferarten mit einem Haupt- oder Schwerpunktvorkommen in der Agrarlandschaft weisen deutschlandweit einen negativen langfristigen Bestandstrend auf (Rote Liste Deutschland).
Viele Arten der Kulturlandschaft sind sehr anpassungsfähig und überaus häufig. Über die Änderungen ihrer Populationsgrößen ist jedoch nur sehr wenig bekannt. Untersuchungen warnen schon länger vor einem starken Rückgang der Laufkäfer auf Ackerflächen, insbesondere der großen Carabus-Arten. Die umfangreichen Kenntnisse zur Ökologie der Laufkäfer sind eine gute Voraussetzung, um dem Rückgang entgegenzutreten. Zahlreiche, nachweislich förderlich wirkende Maßnahmen, wie beispielsweise die Anlage von Blühflächen, werden bereits umgesetzt.

Laufkäfer erkennen – Formenvielfalt

Zeichnung mehrerer KäferZoombild vorhanden

Typische Laufkäfer, Foto: Ortwin Bleich

Wie der Name schon verrät, sind Laufkäfer gute Läufer und häufig sehr flink an der Bodenoberfläche unterwegs. Daher haben sie kräftig entwickelte Beine. Im Gegensatz zu vielen anderen Käfern ist der Kopf nach vorne, nicht nach unten gerichtet und besitzt kräftige Kiefer. Die Fühlerglieder sind perlschnurartig aneinandergereiht, weisen also keine Verdickung oder Vergrößerung am Ende auf.

Viele Arten sind flugfähig. Andere haben ihre Hinterflügel komplett zurückentwickelt. Die oberen Flügeldecken sind verhärtet und bedecken anders als bei den Kurzflügelkäfern den Hinterleib vollständig oder zumindest größtenteils.
Die Evolution hat aus diesem Grundtypus im Laufe von Jahrmillionen eine beeindruckende Vielfalt an Formen, Farben und Lebensweisen geschaffen. Die Größe reicht von 2 bis 40 Millimeter. Arten größer als 15 Millimeter sind häufig den Großlaufkäfern (Gattung Carabus) zuzuordnen.

Bestimmung von Großlaufkäfern Externer Link

Lebensweise der Laufkäfer

mehrere Larven nebeneinanderZoombild vorhanden

Laufkäfer-Larven

Laufkäfer durchleben eine vollständige Metamorphose - Ei, Larve, Puppe und Vollkerf. Ihre Larven leben größtenteils im Boden. Einige Laufkäferarten überwintern als Larven, andere als erwachsene Käfer. Dies hat Auswirkungen auf den Zeitpunkt der Fortpflanzung und das Auftreten im Jahresverlauf. Laufkäfer bringen in der Regel nur eine Generation im Jahr hervor. Die meisten Individuen überwintern nur ein- bis zweimal.
Ihre Umwelt nehmen die Laufkäfer besonders mit chemischen Rezeptoren an Fühlern und Mundwerkzeugen sowie mit den Augen und Tastborsten wahr.
Laufkäfer und ihre Larven sind im Prinzip Allesfresser. Bei einigen Arten überwiegt die räuberische Ernährung, andere nehmen verstärkt pflanzliche Nahrung, besonders Samen, zu sich. Die meisten Laufkäfer sind wenig wählerisch, jedoch gibt es auch Arten, die sich auf die Jagd nach Schnecken oder Springschwänzen spezialisiert haben. Großlaufkäfer stellen vorwiegend größerer und langsamerer Beute wie Raupen, Schnecken und Regenwürmern nach. Die Menge der täglich aufgenommenen Nahrung kann dem eigenen Körpergewicht entsprechen, besonders wenn die Fettreserven vor oder nach der Winterruhe aufgefüllt werden.
Man findet sowohl tagaktive als auch nachtaktive Laufkäfer. Bunte, als erwachsene Käfer überwinternde Arten des Offenlandes sind eher tagaktiv und haben auch ein höheres Wärme- und Lichtbedürfnis. Schwarze Herbsttiere und Waldbewohner sind eher nachtaktiv. Viele Laufkäfer können zur Verteidigung Sekrete absondern. Ein bekannter Vertreter, der Bombardierkäfer, ist auch auf unseren Feldern und unter Steinen am Feldrand zu finden.

Laufkäfer beobachten

Da etliche Laufkäfer nur nachts aktiv sind, fallen Sie häufig nicht besonders auf. Wer jedoch besonders von April bis Juni in geeigneten Lebensräumen Ausschau hält oder am Feldrand unter Steinen, Holz, Mulch oder ähnlichem nachsieht, wird sicherlich einige Vertreter dieser Familie finden können. Auch im Herbst können unter Steinen und großen Ackerschollen am Feldrand Überwinterungsgesellschaften von bis zu hundert Exemplaren des bunten Laufkäfers (Anchomenus dorsalis) gefunden werden. Auf lückigen Äckern und Brachen oder anderen lockeren Rohböden auf Wegen und Feldrändern kann man im Frühsommer Sandlaufkäfer (Cicindelidae) beobachten, die kurz vor dem Betrachter plötzlich auffliegen und sich in ein bis zwei Metern Entfernung wieder niederlassen.

Typische Laufkäfer von biodiversen Ackerflächen

dunkel schimmernder Käfer von oben

Carabus granulatus

ockerfarbener Käfer mit grünem Kopf

Anchomenus dorsalis

Laufkäfer als Schädlinge

Laufkäfer sind fast ausschließlich Nützlinge. Lediglich zwei der 760 mitteleuropäischen Arten sind bisher als Schädlinge auffällig geworden. Der Getreidelaufkäfer (Zabrus tenebrioides) befällt vorwiegend in Mittel- und Ostdeutschland junge Getreidepflanzen im Herbst und besonders im Frühjahr. Hierbei kann er lokal große Schäden verursachen. In Bayern ist die Art eher selten und steht sogar auf der Roten Liste. Die den Schaden vorwiegend verursachenden Larven leben in selbstgegrabenen Erdröhren, in die sie Teile des jungen Getreides hineinziehen. Auf besiedelten Flächen sollte kein Getreide nachgebaut werden. Der sehr häufige behaarte, rotbeinige Laufkäfer, Harpalus rufipes, ist schon als Schädling in Erdbeerkulturen aufgefallen, wo er die Nüsschen der Erdbeeren frisst. Dies führt gehäuft zu Grauschimmelbefall.

Laufkäfer als Nützlinge

SäulendiagrammZoombild vorhanden

Artenvielfalt und Zusammensetzung der Laufkäfergemeinschaften

Laufkäfer erbringen für die Landwirtschaft regulative Ökosystemleistungen in Form einer natürlichen Bekämpfung von Schadorganismen. Sie fressen Schnecken und Blattläuse, aber auch Eier, Puppen und Larven von anderen Insekten. Weiterhin verzehren Laufkäfer zusammen mit anderen Samenfressern einen großen Teil der ausfallenden Unkrautsamen. Natürlich machen sie auch vor anderen Nützlingen, wie etwa Spinnen nicht halt. Dies macht es schwer, den Einfluss der natürlichen Regulatoren auf das Agrarökosystem zu quantifizieren. Gerade durch ihr weites Beutespektrum sind Laufkäfer aber ein wichtiger Bestandteil von Agrarökosystemen. In Zeiten mit geringem Schädlingsauftreten können sie durch die Nutzung alternativer Beute (z.B. Springschwänze oder Regenwürmer) eine hohe Populationsdichte aufrechterhalten und so schon früh in den Bestand sich vermehrender Schädlinge eingreifen.
Komplexe Ökosysteme mit zahlreichen Arten, einem engen und verbindungsreichen Nahrungsnetz und anderen vielfältigen Beziehungen sind stabiler gegenüber Störungen, Massenvermehrungen einzelner Arten sind seltener, funktionale Lücken werden leichter wieder geschlossen, Stress wirkt sich weniger stark auf die Produktivität aus.

Laufkäfer schützen und erhalten

Um die Laufkäferfauna und ihre Funktionen für die Agrarökosysteme zu erhalten und so einen einzigartigen Bestandteil unserer Landschaft zu bewahren, gibt es einige Möglichkeiten, um die Laufkäfer in ihrer Zahl und Vielfalt zu fördern.
Blick auf Blumenwiese und ÄckerZoombild vorhanden

Strukturreiche Agrarlandschaft

Die Vielfalt der Agrarlandschaft umfasst die standörtliche Vielfalt, die landschaftliche Strukturvielfalt und die Bewirtschaftungsvielfalt. Grundsätzlich gilt es diese zu erhalten und zu fördern. Das überregional, regional und lokal Besondere soll bewahrt werden und auch wilde, ungestörte Bereiche wieder mehr Platz in der Landschaft bekommen. Tatsächlich haben die Nutzungsformen der bäuerlichen Landwirtschaft lange Zeit die landschaftliche Vielfalt gesteigert. Eine reichhaltige Fruchtfolge und auch Brachestadien - von der Stoppel- bis zur Dauerbrache -, sowie die Erhaltung von Grünland, Klein- und Saumbiotopen begünstigen nachweislich die Diversität der Laufkäferfauna.
Blick auf eine GrünlandflächeZoombild vorhanden

Wichtige Lebensräume

Einige typische Laufkäfer der Agrarlandschaft benötigen für die Überwinterung ungestörte, bewachsene Flächen in der Umgebung der Felder. Von diesen Habitaten aus werden die Ackerflächen wiederbesiedelt. Daher ist auch eine räumliche und zeitliche Vernetzung von Lebensräumen und Refugialräumen in der Agrarlandschaft von großer Bedeutung. Auch nach Bewirtschaftungsmaßnahmen wie intensiver Bodenbearbeitung, Insektizid- oder auch Herbizideinsatz sind Feld- und Wegränder, Hecken, Brachen und Raine wichtige Rückzugsräume. Auf dem Acker kann der Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, neben den direkt nachteiligen Effekten auf die Laufkäfer, auch durch die Verringerung des Nahrungsangebotes (Unkraut, Schädlinge) langfristig zu Futtermangel führen, der die Bestände verringert.
Besonders Großlaufkäfer profitieren von pflugloser Bodenbearbeitung. Ein gutes Nahrungsangebot ist gegeben (Regenwürmer, Schnecken) und die Bodenruhe begünstigt die Larven.
ausgedünnte WieseZoombild vorhanden

Lichte Strukturen förderlich

Viele charakteristische Insekten der Agrarlandschaft und auch die Laufkäfer sind licht- und wärmeliebend. Weniger dicht bewachsene Äcker und Wiesen bieten ihnen einen wertvollen Lebensraum. Daher ist es auch wichtig, den Nährstoffeintrag in naturnahe Lebensräume so gering wie möglich zu halten. Wer zudem auf ein ausgewogenes Maß an Begleitflora achtet, kann Gutes für die Samenfresser unter den Laufkäfern tun.
Durch die reduzierte Stickstoffdüngung und den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel trägt der ökologische Landbau mit zu einer vielfältigen Laufkäferfauna bei.
Im Grünland reagieren die Laufkäfer artspezifisch auf die Intensität der Beweidung und Mahd. Vielfältige Vegetationsstrukturen erfüllen die unterschiedlichen Ansprüche von vielen Arten und ihren Lebensstadien. Bei den größeren tagaktiven Laufkäfern sind direkt schädliche Effekte durch das Mähwerk nicht auszuschließen.

Art mit hoher Schutzverantwortung

grün schimmender KäferZoombild vorhanden

Goldlaufkäfer

Eine besondere Verantwortung kommt der deutschen Landwirtschaft beim Schutz des Goldlaufkäfers (Carabus auratus) zu. Diese sehr schöne und auffällige Art, die in die deutsche Sprache auch mit Namen wie Goldschmied oder Goldhenne Eingang gefunden hat, besitzt ein auf West- und Mitteleuropa beschränktes Verbreitungsgebiet mit einem großen Populationsanteil in Deutschland. Ihre natürliche Verbreitung erreicht in Südbayern seine Ostgrenze, so dass nur ein Teil Bayerns besiedelt ist. Bevorzugte Lebensräume sind Felder, Grünland, Brachen, Weinberge, Auen und lichte Gehölze. In Einheit von Schönheit, Nützlichkeit und Selbstwert kann der Goldlaufkäfer als Leitart für die Biodiversität der Agrarlandschaft der Zukunft stehen.

Bodenfruchtbarkeit, Bodenbearbeitung, Bodenschutz