Bodenschadstoffe
Perfluorierte Tenside (PFT) in bayerischen Böden?
Was sind Perfluorierte Tenside und wo kommen sie her ?
Perfluorierte Tenside (PFT) werden weltweit in fast allen abiotischen und biotischen Umweltmedien gefunden, v.a. im Wasser, aber auch in einer Vielzahl von Organismen. Es handelt sich um organische Verbindungen, an deren Kohlenstoffgerüst die Wasserstoffatome vollständig durch Fluoratome ersetzt sind. Leitsubstanzen der PFT sind Perfluoroctansulfonat (PFOS) und Perfluoroctansäure (PFOA). Auf Grund ihrer thermischen und chemischen Stabilität sowie ihrer schmutz-, farb-, fett-, öl- und gleichzeitig wasserabweisenden Eigenschaften finden sich PFT in zahlreichen Industrie- und Konsumprodukten.
Hauptanwendungsgebiete sind die Imprägnierung von Textilien, Leder, Teppichen, Möbeln sowie die Produktion von schmutz-, fett- und wasserabweisenden Papieren, von Filmen und Fotopapier. Hier kommt v.a. PFOS zum Einsatz, während PFOA v.a. in der Herstellung von Fluorpolymeren eingesetzt wird.
Verstärkt in die öffentliche Diskussion geriet diese Stoffgruppe, als im August 2006 in Nordrhein-Westfalen in Böden und Gewässern von landwirtschaftlichen Flächen erhöhte Gehalte an PFT gefunden wurden. Eine mehrjährige großflächige Aufbringung eines Abfallgemisches von Abwasserschlämmen aus der Nahrungs- und Genussmittelindustrie mit Gesteinsmehl wurde von zuständiger Stelle als Ursache angegeben.
Als weiterer möglicher Eintragspfad für PFT in landwirtschaftliche Böden gelten Klärschlämme. Bei Mitbehandlung von Abwässern aus o.g. industriellen Prozessen in kommunalen Kläranlagen werden PFT aufgrund ihrer Persistenz nicht oder nur teilweise abgebaut und sind damit im Klärschlamm nachweisbar.
PFT-Screening in bayerischen Böden
Ein PFT-Screening sollte erste Hinweise liefern, inwieweit diese Stoffgruppe auch in landwirtschaftlich genutzten Böden Bayerns zu finden ist. Das Screening wurde im Herbst 2006 in Zusammenarbeit des Bayerischen Landesamtes für Umwelt (LfU, Projektleitung Referat Vorsorgender Bodenschutz, Bodenmonitoring) und der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft (LfL, AG Bodenschadstoffe) mit Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt, Gesundheit und Verbraucherschutz (StMUGV) durchgeführt.
Aufgrund aktueller Meldungen über PFT-Gewässerbelastungen im Raum Burgkirchen wurden im Rahmen des Screenings auch einige Böden im Umfeld des Industrieparks Gendorf (Fa. Dyneon) untersucht.
Auswahl der Bodenproben und Untersuchungsparameter
- Für das Screening wurden 29 Oberbodenproben von land- und forstwirtschaftlichen Flächen aus der LfU-Bodenprobenbank GRABEN ausgewählt. Auswahlkriterium waren erhöhte EPA-PAK-Gehalte, die als Indikator für einen anthropogenen Zusatzeintrag dienten.
- Zusätzlich wurden von der LfL in Zusammenarbeit mit den Ämtern für Landwirtschaft und Forsten bayernweit 28 landwirtschaftlich genutzte Flächen ausgewählt und beprobt, die in den letzten Jahren mehrfach mit Klärschlamm oder Bioabfallkompost beaufschlagt wurden (49 Bodenproben, Ober- und Unterboden). In die Untersuchung miteinbezogen wurden auch langjährige Klärschlamm- und Bioabfall-Versuchsflächen der LfL.
- Aufgrund aktueller Meldungen über PFT-Belastungen in der Alz (Burgkirchen/Lkr. Altötting) wurden im Rahmen des Screenings weitere 9 Bodenproben von insgesamt 5 Standorten im Bereich des Industrieparkes Gendorf gezogen, schwerpunktmäßig aus dem Ufer- und Auewaldbereich der Alz und dem Öttinger Forst.
- Die Bodenproben wurden auf die PFT-Leitsubstanzen PFOS und PFOA untersucht.
In den Oberböden ackerbaulich genutzter Standorte mit erhöhtem Immissionseinfluss (GRABEN-Projekt, LfU) konnten PFOA und PFOS jeweils nur in ¼ aller Proben in Spuren nachgewiesen werden (i.d.R. im Bereich der Nachweisgrenze).
Auch in den Oberböden der mehrfach mit Klärschlamm oder Bioabfallkompost beaufschlagten Flächen waren PFOA nicht, PFOS nur in 2 Fällen (Bioabfallkompost) und hier nur in Spuren im Bereich der Nachweisgrenze (3 µg/kg TS) zu finden. In den Unterböden war in keiner Fläche PFOA und PFOS nachweisbar. Bei den Klärschlämmen handelte es sich überwiegend um kommunale Klärschlämme, einige stammten auch aus der Nahrungsmittelindustrie. Die Bioabfälle waren v.a. Bioabfallkomposte (mit oder ohne Grüngutkomposte), einige auch Gärrückstände aus Biogasanlagen, die in größerem Umfang Bioabfälle mitvergären.
Erste Bodenuntersuchungen von 5 Ackerflächen, die mit Klärschlamm über dem Vorsorgerichtwert von 100 µg/kg TS beaufschlagt waren, erbrachten nur in einem Fall einen PFT-Gehalt knapp oberhalb der Bestimmungsgrenze (10 µg/kg TS).
Demgegenüber konnte PFOA in allen Proben aus dem Ufer- und Auewaldbereich der Alz (PFOA < 32 µg/kg) nachgewiesen werden. Im Öttinger Forst erreichten die PFOA-Gehalte am Standort im Hauptimmissionsbereich des Industrieparks 249 µg/kg (Unterboden) sowie 179 µg/kg (Oberboden) am zweiten außerhalb des direkten Immissionseinflusses untersuchten Standorts. PFOS wurde nur in einer Auflageprobe in Höhe der Nachweisgrenze bestimmt.
Konsequenzen aus den Ergebnissen des PFT-Screenings
- Ein bayernweites Bodenmonitoring auf PFT in landwirtschaftlich genutzten Böden ist ohne weiteren konkreten Anlass nicht notwendig, auch nicht auf mit Klärschlamm oder Bioabfallkompost beaufschlagten Flächen.
- Handlungsbedarf bestand im Falle der Untersuchungen im Umfeld der Fa. Dyneon im Raum Burgkirchen. Zur Validierung der ersten Ergebnisse sollten weitere Untersuchungen durchgeführt werden.
Verdichtungsbeprobung im Raum Burgkirchen
Ziel der Verdichtungsbeprobung war v. a., den möglichen Depositionsbereich des PFT-Emittenten abzugrenzen sowie landwirtschaftliche Nutzflächen im Umfeld der Anlage in die Untersuchungen einzubeziehen.
Auswahl der Bodenproben und Untersuchungsparameter
- Bei der Verdichtungsbeprobung im Raum Burgkirchen wurden in Anlehnung an die Schadstoffimmissionsverteilung mittels eines flächendeckenden Beprobungsrasters in einem 90°-Sektor (in Hauptwindrichtung, 10 km Radius um den Emittenten) 9 Standorte unter Landwirtschaft (22 Proben, Ober- und Unterboden) und 18 Standorte unter Forst (96 Proben, horizontbezogen) beprobt.
- Außer PFOS und PFOA wurden bei der Verdichtungsbeprobung auch die PFT-Substanzen PFHxA (Perfluorhexansäure), PFHxS (Perflourhexansulfonsäure) und PFHpA (Perfluorheptansäure) untersucht.
Beprobungspunkte
Unter Landwirtschaft ergab die Verdichtungsbeprobung unkritische Belastungen. Nur in 4 der 9 untersuchten landwirtschaftlichen Flächen waren geringe PFOA-Gehalte im Oberboden (11-23 µg/kg TS) nachweisbar, bei 2 der Standorte Gehalte in derselben Größenordnung auch im Unterboden. Im Wiesenaufwuchs wurden in 2 von 3 untersuchten Proben PFOA-Gehalte über der Nachweisgrenze (5-7,5 µg/kg TS) gemessen. Nach toxikologischer Beurteilung des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit geht von diesen Konzentrationen auch bei ausschließlicher Aufnahme des belasteten Wiesengrases für Nutztiere keine Gesundheitsgefährdung aus.
Unter Forst ergab die Verdichtungsbeprobung für ca. 30 % der untersuchten Profile erhöhte PFOA-Gehalte (> 100 µg/kg TS). In Hauptwindrichtung (WSW-ENE) traten in den Auflagen lokale Maximalwerte von bis zu 600 µg/kg TS auf, quer zur Hauptwindrichtung dagegen < 100 µg/kg TS). Die PFOA-Gehalte nehmen unter Wald i.d.R. mit zunehmender Bodentiefe ab.
Konsequenzen aus den vorliegenden Ergebnissen
- Nach den Ergebnissen aus dem bayerischen Screening stellen PFT in Böden kein flächenhaftes Problem dar.
- Punktuell finden sich PFT in Böden jedoch im näheren Umfeld von PFOA-emittierenden Anlagen. Die beim Screening und in der Verdichtungsuntersuchung im Raum Burgkirchen festgestellten PFOA-Gehalte im Boden weisen auf einen Eintrag von PFOA über die atmosphärische Deposition hin.
- Bei mit Klärschlamm beaufschlagten Böden wurden bisher nur vereinzelt Werte in Höhe der Bestimmungsgrenze ermittelt. Für eine gesicherte Aussage liegen aber noch zu wenige Daten vor.
- Zur Klärung der Schadstoffverlagerung von PFOA zwischen Boden und Grundwasser sollen definierte Bodensäulen-Desorptions- und Lysimeterexperimente mit natürlich belasteten sowie künstlich beaufschlagten Bodenmonolithen erfolgen. Dabei soll auch ein möglicher Übergang in Pflanzen untersucht werden.
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