Forschungs- und Innovationsprojekt
Wertschöpfungspotenzial des Ländlichen Tourismus für landwirtschaftliche Betriebe und die ländliche Region
Foto: erlebe.bayern – Gerd Krautbauer
Der Tourismus im ländlichen Raum bringt positive Wertschöpfungseffekte für landwirtschaftliche Betriebe und die ländlichen Regionen. Gerade durch die Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Urlaub auf dem Land und speziell auf landwirtschaftlichen Betrieben gestiegen. Der touristische Betriebszweig ermöglicht den landwirtschaftlichen Betrieben ein gutes Zusatzeinkommen und sorgt durch ein weiteres Standbein für eine gesamtbetriebliche Risikosenkung. Über die einzelbetriebliche Ebene hinweg leistet der Agrotourismus einen generellen Beitrag zur wirtschaftlichen Belebung des ländlichen Raums.
Zielsetzung
Im Rahmen des Projektes wurde das Wertschöpfungspotenzial des Ländlichen Tourismus für landwirtschaftliche Betriebe und für den ländlichen Raum dargestellt und bewertet werden.
Ökonomische Effekte
Durch die Erfassung von wirtschaftlichen Kennzahlen auf einzelbetrieblicher Ebene kann die wirtschaftliche Bedeutung des touristischen Betriebszweiges auf landwirtschaftlichen Betrieben dargestellt werden. Es kann die Frage beantwortet werden, ob die bäuerliche Gästebeherbergung eine Chance zum Erhalt der Betriebe durch einen bedeutenden Einkommensbeitrag des touristischen Betriebszweiges bietet. Neben Auslastung und Umsatz können unter anderem Aussagen zu Veränderungen der Preisstruktur und des Investitionsverhaltens, sowie den Auswirkungen der gestiegenen Energie- und Baukosten getroffen werden.
Der ländliche Tourismus ist eine Querschnittsbranche, von der viele Wirtschaftszweige profitieren. Für einen starken ländlichen Raum ist es wichtig deren Bedeutung für die Region darzustellen und zu quantifizieren, welche regionale Wertschöpfung durch die bäuerliche Beherbergung erreicht wird. Durch die Kennzahlenanalysen im Projekt können die durch die Betriebe zu tätigenden Vorleistungen sowie eine induzierte Nachfrage im Zusammenhang mit den Aktivitäten der Gäste eingeschätzt werden und so der ökonomische Effekt der bäuerlichen Gästebeherbergung, welcher über den landwirtschaftlichen Betrieb hinaus geht, definiert werden.
Beschäftigungs- und Spillover-Effekte
Der touristische Bereich ist allgemein mit einer hohen Serviceintensität verbunden. Somit sichert auch der ländliche Tourismus Arbeitsplätze in der Region. Im Projekt wird analysiert, in welchem Umfang die Gesellschaft vor Ort von positiven Einkommens- und Beschäftigungseffekten durch den ländlichen Tourismus profitiert. Diese können für einen regionalen Vergleich herangezogen werden und die Bedeutung des landwirtschaftlichen Beherbergungssektors für eine Region darstellen. Die Analyse und Offenlegung der Bedeutung des ländlichen Tourismus für eine Region steigert den Stellenwert auf regionalpolitischer Ebene und die Akzeptanz der landwirtschaftlichen Betriebe in der Gesellschaft.
Ziel war außerdem im Rahmen der Datenerhebung zum ländlichen Tourismus ein besonderes Augenmerk auf bestehende Netzwerke und Kooperationen zu legen und deren Auswirkungen zu betrachten. Positive Spillover-Effekte, wie Lieferverflechtungen und Nutzung der Infrastruktur in Nachbarregionen und Ähnliches verursachen eine gewinnbringende wechselseitige Beeinflussung des Entwicklungsstands von Wirtschaftsräumen.
Methodik
Am LfL-Standort in Ruhstorf wurde gemeinsam mit der Universität Passau und deren Forschungsinstitut Centouris in einem einjährigen Projekt das Wertschöpfungspotenzial des ländlichen Tourismus analysiert. Anhand Betriebs- und Gästebefragungen, sowie Stakeholder- und Experten-Interviews wurden wichtige wirtschaftliche Kennzahlen zur Einschätzung des Wertschöpfungspotenzials des ländlichen Tourismus erfasst und somit die Wirkung der bäuerlichen Beherbergungsbetriebe für den ländlichen Raum eingeschätzt.
Quantitative Betriebsbefragung
Im ersten Teil des Projektes wurde durch eine quantitative Betriebsbefragung eine Einschätzung der Wirtschaftlichkeit des touristischen Betriebszweiges und dessen wirtschaftliche Bedeutung für den Gesamtbetrieb durchgeführt. Neben allgemeinen Strukturdaten wurden wichtige wirtschaftliche Kennzahlen, wie Übernachtungszahlen, Preise, laufende Kosten und Investitionskosten erfasst. Somit konnte der Einkommensbeitrag des touristischen Betriebszweiges analysiert und im Vergleich zum gesamtbetrieblichen landwirtschaftlichen Einkommen eingeschätzt werden.
Gästebefragung und Verschränkung von Parametern
Im zweiten Teil des Projektes fand eine quantitative Gästebefragung statt, in der das Freizeitverhalten der Gäste und deren Ausgaben für Verpflegung, Freizeitangebot und weitere Zusatzangebote erfasst wurden.
Der innovative Ansatz des Projektes lag darin, diese Ergebnisse mit verschiedenen Parametern zu verschränken. Durch einen Fokus auf das Thema Nachhaltigkeit in den durchgeführten Befragungen, kann die Bedeutung und das Bewusstsein für Nachhaltigkeit seitens der Gäste, aber auch seitens der Betriebe festgestellt werden. Außerdem wurde anhand qualitativer Befragungen die Bedeutung von Netzwerken auf die Wertschöpfung der Betriebe und der Region analysiert. Anhand von Stakeholder- und Experteninterviews wurden die sogenannten Spillover-Effekte erfasst, die sich durch den ländlichen Tourismus ergeben. Neben den direkten monetären Effekten haben die Spillover-Effekte einen bedeutenden Einfluss auf die Stärkung der ländlichen Region.
Ergebnisse
Der Tourismus im ländlichen Raum birgt für landwirtschaftliche Betriebe und ländliche Regionen positive Wertschöpfungseffekte. Auf einzelbetrieblicher Ebene betrachtet kann durch den touristischen Betriebszweig ein bedeutender Beitrag von bis zu 50 % zum Gesamtumsatz eines Betriebes generiert werden bei gleichzeitig etwa 50 % des Gesamtzeitaufwands. Bei landwirtschaftlichen Betrieben, die im Nebenerwerb geführt werden, macht der Umsatzanteil aus dem Tourismus sogar mehr als die Hälfte des Gesamtumsatzes aus. Den hohen bzw. sehr hohen Stellenwert dieses Betriebszweiges bestätigen 79,8 % der befragten Betriebe. Durch den hohen Anteil am Gesamtumsatz kann Agrotourismus zum Erhalt des landwirtschaftlichen Betriebes beitragen und zu einem großen Teil dessen Zukunftsfähigkeit sichern. Anzumerken ist, dass 67,7 % der befragten Betriebe neben der landwirtschaftlichen Urproduktion und dem touristischen Betriebszweig noch weitere Standbeine haben, die zur Einkommenssicherung beitragen, hierunter vor allem Energieerzeugung.
Bayerische Ferienhöfe sind beliebte Reiseziele
Bayern ist ein beliebtes Reiseziel in Sachen UadB. 42,5 % der befragten Gäste verbrachten in den letzten drei Jahren einen Hofurlaub in Bayern. Angeboten werden durchschnittlich 16 Betten pro Betrieb, darunter hauptsächlich Ferienwohnungen (91,1 %). Beliebte Zusatzangebote, welche neben der Übernachtungsmöglichkeit angeboten werden, sind Verpflegungsangebote wie Brötchenservice (60 %) und hofeigene Produkte (29 %), sowie Freizeitangebote wie die Möglichkeit für Gäste zur Mithilfe im Stall (50 %).
Eigner PKW bleibt bevorzugtes Verkehrsmittel
Bei der Anreise dominiert als bevorzugtes Verkehrsmittel weiterhin der PKW mit 85,7 %. Gründe hierfür sind die Bequemlichkeit der Anreise per Auto und die Mobilität vor Ort. Gründe, die laut Gästebefragung gegen eine ökologischere Art der Anreise sprechen, sind die Häufigkeit der nötigen Umstiege, die vergleichsweise längere Reisedauer und hohe Preise. Auch bei der Nutzung des ÖPNV vor Ort sind die Gäste eher verhalten, was den Angaben nach am fehlenden Angebot oder dem zu wenig frequentierten Angebot liegt.
Positives Zukunftsbild für bayerische Urlaubshöfe
Insgesamt lässt sich ein positives Zukunftsbild seitens der Gastgeber feststellen. Über 90 % der Betriebe haben in den letzten fünf Jahren in den touristischen Betriebszweig investiert und rund Dreiviertel der Befragten hat dies auch in den nächsten fünf Jahren vor. Nicht geplante Investitionen sind meist Folge einer ungesicherten Hofnachfolge. Bei 20,6 % der Betriebe ist die Hofnachfolge nicht gesichert, 4,5 % haben zwar einen Hofnachfolger, dieser wird den touristischen Betriebszweig allerdings nicht weiterführen. Über die Hälfte der Betriebe plant Preisanpassungen und fast ein Drittel der Urlaubshöfe möchte den touristischen Betriebszweig hinsichtlich Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit erweitern.
Ökonomische, ökologische und soziokulturelle Wertschöpfungseffekte
Die Wertschöpfungseffekte durch ländlichen Tourismus sind vielfältig und sind positiver ökonomischer, ökologischer und sozio-kultureller Art. Nach ökonomischen Gesichtspunkten werden Einkommens- und Beschäftigungseffekte induziert, von denen der einzelne Betrieb, wie auch die Region profitiert. Die ökologischen Effekte liegen darin, durch einen weiteren Betriebszweig den Bestand kleinstrukturierter landwirtschaftlicher Betriebe zu sichern, welche maßgeblich für den Erhalt der Umwelt- und Kulturlandschaft sind. Ein sozio-kultureller Effekt ergibt sich durch das Wirken der landwirtschaftlichen Betriebe als Gastgeber und somit als Botschafter für die Landwirtschaft. Den Gästen wird landwirtschaftliche Produktions- und Lebensweise vermittelt und somit Bewusstsein und Wertschätzung geschaffen. Landwirtschaftliche Betriebe tragen mit einem touristischen Betriebszweig einen generellen Beitrag zum touristischen Angebot in der Region bei und fördern somit die Imagebildung der Region.
Foto: erlebe.bayern – Bernhard Huber
Foto: erlebe.bayern – Gregor Lengler
Foto: erlebe.bayern – Gregor Lengler
Foto: erlebe.bayern – Tobias Gerber
Projektinformation
Projektleitung: Julia Saller, Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft
Projektbearbeitung: Dr. Julia Haselhuhn, Universität Passau – Centouris
Laufzeit: 01.10.2022 bis 30.09.2023
Finanzierung: Bayerisches Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten
Ansprechpartnerin bei Fragen zum Projekt
Julia Saller
Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft, Institut für Agrarökonomie
Hans-Loher-Str. 32
94099 Ruhstorf a.d.Rott
Tel.: 08161 8640-5709
E-Mail: julia.saller@LfL.bayern.de
Bildnachweis:
Kopfbild, Foto: www.bayern.by – Bernhard Huber