Forschungs- und Innovationsprojekt
Regenerosivität Bayern

Ermittlung des Raum- und Jahreszeitmusters der Regenerosivität in Bayern aus radargestützten Niederschlagsdaten zur Verbesserung der Erosionsprognose mit der Allgemeinen Bodenabtragsgleichung

Starkregen verursachen Bodenerosion und damit Verlust von mehreren Tonnen fruchtbaren Bodens. Mit Hilfe der Allgemeinen Bodenabtragsgleichung (ABAG, Schwertmann et al., 1990) können die Bodenabträge berechnet werden, die im Mittel pro Jahr pro Hektar durch Starkregen verursacht werden. Die mittleren Bodenabträge ergeben sich mit der ABAG aus dem Produkt von sechs Faktoren, diese berücksichtigen:

  • Bodeneigenschaften (K-Faktor)
  • Topographie (L-Faktor, S-Faktor, P-Faktor)
  • Erosionsschutzmaßnahmen (P-Faktor)
  • Bodenbedeckung und Bodenbearbeitung (C-Faktor)
  • Starkregen (R-Faktor, C-Faktor)
Ein Starkregenereignis hat hier große Menge an Boden unwiederbringlich abgetragen und tiefe Erosionsspuren hinterlassen. (Foto: Michael Kistler)

Abb. 1: Starkregenereignis trägt große Menge an Boden unwiederbringlich ab; hinterlässt tiefe Erosionsspuren (Foto: Michael Kistler)

Starkregen bezeichnen Regen, die eine Gesamtniederschlagsmenge von mindestens 10 mm oder eine maximale 30-Minuten-Intensität von mehr als 10 mm/h aufweisen. Diese Starkregen gehen in die ABAG als Regenerosivität ein, d.h. als das Potential eines Regens, Bodenerosion zu verursachen. Die Erosivität eines Regens ergibt sich aus dem Produkt der maximalen 30-Minuten-Intensität und der kinetischen Energie des Regens. Die langjährig mittlere Regenerosivität pro Jahr wird auch als R-Faktor bezeichnet. Die relative Verteilung der Regenerosivität über das gesamte Jahr, also der Jahresgang der Regenerosivität wird für den C-Faktor, den Bedeckungs- und Bearbeitungsfaktor benötigt.
Bisher basieren die Werte der Regenerosivität auf punktuellen Niederschlagsdaten von 18 Messstationen in Bayern (Abbildung 2). Ausschließlich für diese lagen Anfang der 1980er Jahre ausreichend lange Messzeitreihen vor. Die räumliche Verteilung der langjährig mittleren Regenerosivität musste durch Interpolationsverfahren ermittelt werden (Rogler & Schwertmann, 1981.).
Jetzt stehen vom Deutschen Wetterdienst (DWD) flächendeckende und zeitlich hochaufgelöste Radarniederschlagsdaten (1x1 km², 5 min) mit einer Zeitreihe von 15 Jahren zur Verfügung. Diese Daten resultieren aus der Kombination von räumlich hochaufgelösten Radarmessungen von 17 Radarstationen (Beispiel Abbildung 3) und Bodenniederschlagsmessungen eines dichten Messnetzes mit über 1200 Stationen in Deutschland (http://www.dwd.de/DE/leistungen/radolan/radolan.html). Die Radardaten werden an die quantitativen Bodenniederschlagsmessungen angeeicht und stehen innerhalb von 30 Minuten Nutzern zur Verfügung. Daraus ergibt sich auch der Name des Produktes RADOLAN, RADar OnLine ANeichung.
Die Standorte der 18 Messstationen in Bayern, die in den 1980er Jahren für die Berechnung der langjährig mittleren Erosivität berücksichtigt wurden.

Abb. 2: Messstationen in Bayern in den 1980er Jahren

Wetterradar in Isen, östlich von München

Abb. 3: Wetterradar in Isen

Ziel

Das Ziel des Projektes ist es, RADOLAN zur Neuberechnung eines zeitlich stabilen und räumlich differenzierten R-Faktors für ganz Deutschland zu nutzen und zudem den Jahresgang der Regenerosivität zu ermitteln und gegebenenfalls zu regionalisieren. Für die Neuberechnung der langjährig mittleren Regenerosivität stehen 1,3 Billionen Datensätze von insgesamt 15 Jahre und ganz Deutschland zur Verfügung. Dies ist eine enorme Datenmenge, die in Zusammenarbeit mit dem Deutschen Wetterdienst in Offenbach bewältigt wird. Damit sollen die Schwächen der Berechnungen aus den 1980er Jahren überwunden und die Erosionsprognose verbessert werden. Um auch die Machbarkeit und die Anwendbarkeit der RADOLAN-Daten zur Berechnung der Regenerosivität und der Bodenabträge zu prüfen, wurden zwei Studien durchgeführt.

Methode der ersten Studie "Ermittlung der Eigenschaften von Starkregen mit RADOLAN"

In einer ersten Studie wurden die Eigenschaften von Starkregen anhand eines Beispieldatensatzes untersucht. Der Bespieldatensatz umfasste ein Gebiet mit ~15.000 km² und 2 Jahre mit einer Auflösung von 1x1 km² und 5 min und somit 3,1 Mrd. Datensätze. Untersucht wurden folgende Eigenschaften:
  • das zeitliche Auftreten von Starkregen innerhalb eines Tages und Jahres
  • die Starkregendauer
  • die räumliche Variabilität der Regenerosivitäten einzelner Starkregen
  • die räumliche Variabilität des 2-Jahres-Mittels der Regenerosivität

Methode der zweiten Studie "Validierung der ABAG zur Berechnung von Bodenabträgen"

In einer zweiten Studie wurde die Gültigkeit der ABAG geprüft, so wie sie standardmäßig an der LfL zur Berechnung der Bodenabträge verwendet wird. Dazu wurden die Erosionsschäden landwirtschaftlicher Flächen, die durch die Starkregen der ersten Studie verursacht wurden,
  • mit Luftbildaufnahmen dokumentiert (Beispiel Abbildung 4),
  • bezüglich ihres flächenhaften Ausmaßes mit Luftbildern visuell klassifiziert und
  • mittels ABAG quantitativ geschätzt.
Die Erosionsschäden des Feldstückes aus Abbildung 1 nach einem Starkregen, aufgenommen aus der Luft. (Foto: Wolfgang Bauer) Zoombild vorhanden

Abb. 4: Erosionsschäden des Feldstückes aus Abb. 1 nach einem Starkregen, Luftbild (Foto: Wolfgang Bauer)

Es handelt sich dabei um eine Vertiefung der Studie von Kistler et al. (2013). Die visuellen Klassifikationen der Bodenabträge (Klasse 0: 0% der Feldstückfläche betroffen, 1: 1-10%, 2: 10-30%, 3: >30%) wurden durch mehrmalige, unabhängige Klassifikationsdurchgänge validiert. Die ABAG-Faktoren zur Ermittlung der Bodenabträge der einzelnen Starkregenereignisse wurden mit Daten aus dem Erosionskataster und der InVeKoS-Datenbank bestimmt. Der langjährig mittlere R-Faktor wurde durch die Erosivitäten der einzelnen Starkregenereignisse ersetzt. Die Regenerosivitäten wurden mit RADOLAN-Daten berechnet (siehe erstes Projekt). Insgesamt wurden 8.100 Feldstücke mit ~2.500 Luftbildern nach dem Erosionsausmaß visuell klassifiziert und ~25.920 Erosivitätsberechnungen durchgeführt (durchschnittlich 3.2 Starkregen pro Feldstück).

Ergebnisse der ersten Studie

Regenerosivität ist kleinräumig sehr variabel

  • Die Regenerosivität variiert kleinräumig enorm, d.h. schon innerhalb weniger Kilometer treten große Unterschiede in den Erosivitäten einzelner Ereignisse auf.
  • Die räumliche Variabilität der Regenerosivitäten ist deutlich größer als die der Regenmengen oder der Regenintensitäten.
  • Es kommt vor, dass an einem Ort die Regenerosivität um ein Vielfaches höher ist, als normalerweise im Mittel des gesamten Jahres zu erwarten wäre, während in wenigen Kilometern Entfernung gar kein Starkregen auftrat.
  • Diese kleinräumige Variabilität ist selbst auf den Karten der Jahressummen und des zweijährigen Mittels der Jahreserosivitäten noch deutlich erkennbar (Abbildung 5).

Auch das 2-Jahres-Mittel der Regenerosivität zeigt noch eine hohe räumliche Variabilität bei der manche Orte eine vielfach höhere Regenerosivität aufweisen als unmittelbar benachbarte Orte.

Abb. 5: Auch das 2-Jahres-Mittel der Regenerosivität zeigt noch eine hohe räumliche Variabilität bei der manche Orte eine vielfach höhere Regenerosivität aufweisen als unmittelbar benachbarte Orte.

Diese hohe räumliche Variabilität der Regenerosivität zeigt die Notwendigkeit, die Regenerosivität flächendeckend und räumlich hoch auflösend zu ermitteln.

Regenerosivität tritt mit zeitlichen Mustern auf

  • In nur zwei Jahren traten Starkregen an 170 Tagen in mindestens einem Pixel (1x1 km²) auf, wobei 70% dieser Regen in den Monaten Mai bis August fielen.
  • Die Regenerosivitäten traten mit einem deutlichen Peak gehäuft am späten Nachmittag auf.
  • 24% der Starkregenereignisse wurde von Niederschlagspausen, die länger als sechs Stunden waren, unterbrochen. Solche Pausen grenzen Starkregen voneinander ab und fordern eine getrennte Berechnung der Regenerosivitäten für jedes Ereignis. Die Niederschlagsmenge der Starkregen war in solchen Fällen geringer als die Niederschlagsmenge des gesamten Tages.
  • 36% der Starkregen dauerte über Mitternacht an, sodass die Betrachtung eines einzelnen Tages nicht ausreichend war, um die vollständige Regenerosivität des Ereignisses zu berechnen.
  • Manche Starkregenereignisse dauerten über mehrere Tage an ohne von mindestens 6-stündigen Regenpausen unterbrochen zu werden. In diesen Fällen muss der gesamte Zeitraum, über einen einzelnen Tag hinaus, für die Berechnung der Regenerosivität berücksichtigt werden.
Bei der Berechnung der Erosivitäten mit tagesweise abgegrenzten Niederschlagsdaten treten unterschiedlich gerichtete Fehler auf, da die Niederschlagsmenge einzelner Starkregen teils höher, teils niedriger war als die Niederschlagsmenge eines Tages. Eine ereignisbezogene Berechnung ist daher notwendig. Es darf nicht (willkürlich) zwischen einzelnen Tagen getrennt werden. Daher müssen im Grunde alle Radarmessungen der gesamten Zeitreihe seit 2001 für die Neuberechnung des langjährig mittleren R-Faktors zusammen ausgewertet werden.
Weitere Details der ersten Studie können der Veröffentlichung „Spatio-temporal variability of erosivity estimated from highly resolved and adjusted radar rain data“ (Fischer, F., Hauck, J., Brandhuber, R., Weigl, E., Maier, H., Auerswald, K., 2016. Agricultural and Forest Meteorology 223, 72–80.) entnommen werden.
Literatur
  • Kistler M, Brandhuber R, Maier H. 2013. Wirksamkeit von Erosionsschutzmaßnahmen. Ergebnisse einer Feldstudie. Schriftenreihe der Bayerischen Landesanstalt für Landwirtschaft, 8. ISNN 1611-4159. https://www.lfl.bayern.de/mam/cms07/publikationen/daten/schriftenreihe/051476_erosionsschutzmassnahmen.pdf.
  • Fischer F, Hauck J, Brandhuber R, Weigl E, Maier H, Auerswald K. 2016. Spatio-temporal variability of erosivity estimated from highly resolved and adjusted radar rain data. Agricultural and Forest Meteorology 223, 72–80.
  • Rogler H & Schwertmann U. 1981. Die Erosivität der Niederschläge und Isoerodentkarte von Bayern. Zeitschrift für Kulturtechnik und Flurbereinigung 22, 99–112.
  • Schwertmann U, Vogl W, Kainz M. 1990. Bodenerosion durch Wasser. Vorhersage des Abtrags und Bewertung von Gegenmassnahmen. 2. Edition. Ulmer Verlag Stuttgart.

Projektinformation
Projektleitung: Robert Brandhuber (LfL)
Projektbearbeitung: Franziska Fischer (LfL), Karl Auerswald (TUM), Robert Brandhuber (LfL), Harald Maier (DWD), Michael Kistler (LfL), Melanie Treisch (LfL)
Laufzeit: April 2015 bis Februar 2018
Finanzierung: StMELF
Projektpartner: Deutscher Wetterdienst, Weihenstephan (DWD); Technische Universität München (TUM), Lehrstuhl für Grünlandlehre
Förderkennzeichen: A/15/17